Free Download: DoP Florian Ballhaus im Interview zu “Der Hauptmann”
von Gisela Wehrl,
DoP Florian Ballhaus wurde für seine Arbeit an “Der Hauptmann” mit dem Deutschen Kamerapreis ausgezeichnet. Schon Ende 2017 sprach Gisela Wehrl mit Ballhaus für die Ausgabe 12/2017 über das kompromisslose Projekt von Regisseur Robert Schwentke, dem Grading für Schwarz-Weiß und warum er kein Alleinherrscher sein will.
Ein italienisches Restaurant in Charlottenburg, wo Florian Ballhaus seit Jahren eine kleine Wohnung hat. Nachmittags wird es mit dem Grading von „Der Hauptmann“ weitergehen. Fasziniert von der Wucht und Härte der Bilder, ist das Gespräch in Medias Res, noch bevor das Aufnahmegerät läuft.
Florian Ballhaus: … es gibt keine “Good Guys”.
Gisela Wehrl: Meist ist es dann die Hauptfigur, die – anders als die anderen – noch einen moralischen Kodex hat.
Florian Ballhaus: Der moralische Kodex geht hier sehr schnell verloren. Es ist wirklich ein sehr harter Blick auf die Zeit. Es gibt anfangs natürlich Sympathieelemente und Figuren, die wir mehr mögen als andere. Und der Film erklärt, wie das alles passiert, aber das löst sich dann so weit, dass man wirklich nur noch dasitzt und fassungslos denkt: “wow” … Dadurch, dass es auf einer wahren Geschichte basiert, ist es noch erschütternder.
Robert hat einen sehr unvorsichtigen Film gemacht, der ohne Gebrauchsanweisung sagt: „Das war. Und das können Menschen.“ Es ist schwierig, weil wir darauf trainiert sind, dass man sich eine Person sucht, die man mag. Selbst der Crew ist das schwergefallen. Wir haben relativ chronologisch gedreht, und den Hauptdarsteller Max Hubach haben alle geliebt. Am Anfang ist er im Film noch relativ unschuldig, und dann wurde es für uns alle immer schwerer, wie er als Figur Willi Herold immer brutaler wurde.
Hat diese Figurenentwicklung Auswirkungen auf Ihre Kamera?
Für uns war das ein großes Thema, dass wir keinen Film machen, in dem wir nur das Leid der Täter zeigen, aber nicht das Leid der Opfer. Man muss die Opfer mit einbeziehen – und sich dementsprechend dann vom Täter distanzieren, auch visuell, weil ich als Zuschauer irgendwann nicht mehr in seinem Kopf sein will.
Robert war da sehr konsequent und hat einfach relativ wenig Kamerabewegungen gewollt, auch nicht die klassischen Zufahrten auf jemanden, nach dem Motto: Was denkt er jetzt? Und was passiert gerade? Sondern es gibt oft ein distanziertes Zuschauen. Das macht es teilweise schwer beim Zuschauen, aber es ist die korrekte Herangehensweise, finde ich, weil man sich irgendwann nicht mehr so in diese Person reinbegeben kann und das muss man visuell widerspiegeln.
Hat die Distanzierung mit der Entscheidung für Schwarz-Weiß zu tun?
Das hatte sicher damit zu tun. Die Idee der Stilisierung sozusagen, das Abrücken, damit wir es nicht nur Eins-zu-Eins zeigen, als würden wir es erleben. Das Schwarz-Weiß hilft, glaube ich, eine gewisse Härte dieser Zeit zu zeigen. In den ersten paar Bildern hat man sofort das Gefühl: Okay, das erkennen wir, das ist nicht jetzt, sondern da weht ein ganz anderer Wind. Wir haben es bewusst sehr kontrastreich gemacht, sehr düster, klassisch schwarzweiß, nicht weiche Kontraste, sondern sehr kontrastreich, mit Tiefenschwärzen und so weiter. Ich glaube, das geht ganz gut auf. Für mich hätte es schwer funktioniert, das mit einer modernen Farbfotografie zu erzählen.