Wir stellen die Preisträger des 33. Deutschen Kamerapreises vor (2)
Dramatisch geleuchtet – DoP Jakob Stark
von Uwe Agnes,
Die Gewinnerinnen und Gewinner des Deutschen Kamerapreises im Interview: Jakob Stark bekam den Preis in der Kategorie Doku Screen für seine Kamera bei „Art Crimes – Van Gogh: Amsterdam, 2002“.
Jakob Stark wurde 1982 in Rostock geboren und wuchs in Berlin auf. Er versteht sich als ein lichtsetzender Bildgestalter, der an den Grenzen von Fiktion und Dokumentarfilm arbeitet. Er studierte Kamera an der Filmschule ZeLIG in Italien und schloss 2010 mit Auszeichnung ab. Sein Diplomfilm „Guanape Sur“ gewann zahlreiche Preise auf internationalen Festivals, unter anderem 2011 den Student Camera Award beim Film School Fest Munich. Ein Jahr davor war er beim Camerimage Festival für den Goldenen Frosch nominiert. Seine Kameraarbeit von „Riafn“ wurde 2019 beim Rhode Island Filmfestival ausgezeichnet. Jakob Stark lebt und arbeitet in Paris und Berlin.
Beginnen wir mit einem herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Kamerapreis in der Kategorie Doku Screen! Vielen Dank! Der Deutsche Kamerapreis ist für mich der absolute Ritterschlag, die wichtigste Auszeichnung, die man im deutschsprachigen Raum als Kameramann oder Kamerafrau bekommen kann. Ich bin total glücklich – und es ist eine Riesenehre! Ich hoffe natürlich auch, dass dieser Preis die Richtung meines Werdegangs ändern könnte und mich beruflich weiterbringt.
In welche Richtung würdest du dir wünschen, dass es geht?
Ich würde gern größere Sachen machen, gerne weiterhin Serien und, wenn wir schon darüber sprechen, auch Honorare verlangen, die dem Tarif entsprechen, denn in der Dokumentarwelt gibt es ja leider meistens nicht so hohe Budgets. Aber auch so würde ich gern mehr im fiktionalen Bereich arbeiten. Meine letzten Projekte waren ja schon sehr gestaged und in diesem Sinn auch fiktional. In diese Richtung würde ich gern weitergehen, mehr bauen, mehr kreativ im Vorfeld entwickeln und mit Schauspielern arbeiten!
Stichwort „gestaged“: Ein auffallendes Gestaltungs element bei „Art Crimes – Van Gogh“ waren die Locations der Interviews.
Das Hauptkonzept dieser Folge waren eigentlich die gesetzten Interviews, die wir mit mindestens vier Kameras gestalten wollten und dafür die Locations scouten mussten, passend für jeden unserer Protagonisten und seine Geschichte. Um diese Interviews herum waren fiktionale Reenactment-Szenen geplant, die eigentlich eine Spielfilm-Crew aus Italien drehen sollte. Die war aber aus finanziellen Gründen natürlich dann doch nicht dabei, so dass ich dann auch noch den fiktionalen Part übernommen habe. Der sollte weniger klassisches Reenactment sein, sondern eher metaphernartig.
Bei der Amsterdam-Folge würden mir jetzt gar nicht so viele fiktionale Elemente einfallen.
Ein paar gibt es schon, zum Beispiel eine Szene, wo wir mit der Kamera diesen Gang nachlaufen durch den Park an der amerikanischen Botschaft vorbei Richtung Museum. So etwas haben wir dann immer öfter gemacht, auch POVs, Atmosphären, auch leere Bilder, und dadurch ist es uns immer besser gelungen, eine Parallelebene aufzumachen.
Welche Technik hast du eingesetzt?
Unsere Hauptkamera war eine ARRI AMIRA mit einem halben Satz der ARRI / ZEISS Ultra Primes. Parallel zur AMIRA haben wir bei den Interviews vier Panasonic AU-EVA1 eingesetzt, auch mit den Ultra Primes. Es war natürlich nicht ganz einfach, fünf Kameras so aufzubauen, dass sie sich nicht gegenseitig abschießen – und vor allem beim Dreh selbst zu bedienen, denn ich war der einzige Kameramann am Set! Es gab außer mir und dem Regisseur nur noch den Tonmann. Erst später bei den fiktionalen Elementen gab es noch einen Assistenten.
Aber den hätte ich schon bei den Interviews gut gebrauchen können. Ich bin während der Aufnahme immer herumgeschlichen und habe hier und da noch einmal korrigiert oder verändert. Wir hatten einen Monitor mit Splitscreen, mit dem ich alle Kameras kontrollieren konnte, aber ich habe eben alleine eine Multicam-Produktion gedreht, was ganz sicher nicht üblich ist und wahrscheinlich auch ein bisschen risikoreich.
Wenn man sich das Ergebnis ansieht und die gesamte Machart der Dokumentation, dann wirkt das ja abso lut hochwertig. Da muss man sich schon wundern, mit welch beschränkten Mitteln ihr das erreicht habt. Ein Kameramann und fünf Kameras ist ja schon sportlich.
Auf jeden Fall. Aber das war eben auch unser Anspruch, etwas Hochwertiges zu erschaffen, das auf dem internationalen Markt mithalten kann – und ich hatte natürlich auch keine Lust, etwas Einfaches zu machen.
Wie hast du die Interviews geleuchtet? Ich habe hauptsächlich mit einer Dedolight PanAura gearbeitet, die mit einem 1,2 kW-Kunstlicht- und einem 1,2-kW- Tageslichtbrenner kommt, also für Dokumentarverhältnisse relativ stark. Die Leuchte hat einen sehr großen Schirm, hinter den man verschiedene Diffuser spannen kann, und die habe ich immer direkt über die Interviewpartner gehängt. Das war natürlich ein Risiko und etwas, das man normalerweise nicht macht, weil dann die Augen im Schatten liegen. Aber das habe ich in Kauf genommen, weil ich wusste, dass in der digitalen Welt die Kameras dann sehr wohl noch Zeichnung in den Augen haben und dass dieses bisschen Zeichnung eben ausreicht.
Außerdem habe ich bewusst darauf verzichtet, eine Spitze zu setzen. Ich wollte keine Kante haben und wenn es durch die Bedingungen am Set mal zufällig eine gab, habe ich sie weggeflaggt. So wollte ich mich einer Spielfilm-Ästhetik annähern, wo man das Licht vielleicht auch mal absichtlich falsch setzt oder nicht perfekt ausleuchtet, mit den dunklen Augen und den Schatten, was ja auch in diese dramatische Gangsterwelt gut passt. Ansonsten habe ich je nach Bedarf noch Astera LED-Leuchten benutzt, wenn ich noch zusätzlich ausleuchten oder Akzente setzen wollte.
Wie viele Drehtage hattet ihr zur Verfügung?
Für alle sechs Folgen mit je 90 Minuten hatten wir 90 Drehtage, also 15 Drehtage pro Folge. Einige Folgen hatten ein paar Tage mehr, andere entsprechend weniger. Außerdem gab es noch fünf oder sechs Tage Archivdreh für diese ganzen Zeitungsausschnitte und ähnliches Material, die der Showrunner Stefano Strocchi nicht wie üblich einscannen und dann im Schnitt abfahren, sondern ganz klassisch mit Makro-Objektiv drehen wollte, was ich eine sehr schöne Idee fand. Aber diese Drehtage waren in den 90 Tagen schon enthalten.
Was war für dich als DoP die größte Herausforderung bei diesem Projekt? Angesichts dessen, was wir gerade gehört haben, kann ich die Antwort schon ahnen! Meine größte Herausforderung war sicherlich in dieser Kürze der Zeit so eine Qualität zu liefern. Ich kannte ja auch die Locations vorher nicht, weil es zu teuer war, dass ich die als DoP vorher besichtigen konnte. Die hatte also die Regie schon vorher ausgesucht, mir dann Fotos davon geschickt und damit musste ich mir mein Bild machen. Das ist eigentlich fast unmöglich, wenn man die Location nicht vorher selbst gesehen hat. Dann kommt man dort an und steht vor der Herausforderung, da innerhalb von drei Stunden ein Top-Set aufzubauen und einzurichten. Abgesehen davon ist es natürlich auch eine Herausforderung, 90 Drehtage mit einem Team konfliktlösend durchzustehen. Das haben wir wirklich gut gemeistert, obwohl es am Anfang sicherlich auch krasse Schwierigkeiten und Gefechte gab. Letztendlich haben wir uns sehr gut eingegroovt.
Was hast du für dich persönlich aus der Arbeit an „Art Crimes“ mitgenommen?
Ich habe auf jeden Fall extrem viel gelernt. Dazu gehört besonders, noch schneller zu arbeiten und noch schneller Entschlüsse und Entscheidungen zu treffen. Von dem, was ich bei diesen sechs Drehblocks gemacht habe, kann ich wirklich sagen, das habe ich jetzt gemacht und das muss ich nicht wiederholen. Das habe ich ausgefeilt bis zur letzten Nuance und deshalb möchte ich bei den nächsten Projekten Kamera und Licht komplett anders gestalten. Ich habe auch große Lust darauf, im fiktionalen Bereich mit einem großen Team zu arbeiten. Das würde mir große Freude machen. [15375]