Bei einer Produktion am Berg kann man sich getrost von all seinen lieb gewonnen Gewohnheiten verabschieden. Erschwerter Zugang zum Produktionsort, Auswirkungen auf die physische Konstitution, Wetterwechsel sowie besondere Anforderungen an die Sicherheit verlangen bei einem Dreh in den Bergen nicht nur eine umfassendere Planung, sondern auch ein höheres Budget. In unserer Ausgabe 10/2016 gaben wir Tipps, worauf zu achten ist.
Berge haben ihre ganz eigenen Tücken, die mit etwas Vorbereitung jedoch leicht zu meistern sind. Als Bonus erhält man einen atemberaubenden Arbeitsort gratis dazu. Wie etwa in Südtirol. Dort hat sich auch Dank der 2010 gegründeten Film Fund & Commission der IDM Südtirol/Alto Adige (vormals: BLS – Business Location Südtirol) eine breite Infrastruktur an Dienstleistungen entwickelt, die auf die Filmproduktion in den Bergen spezialisiert ist. Entstanden sind dadurch Filme oder Teile von ihnen wie “Nanga Parbat” von Joseph Vilsmaier, “Das Finstere Tal” von Andreas Prochaska, “Everest” des Isländers Baltasar Kormákur oder zuletzt der Arthouse-Film “Monte”, des in den USA lebenden iranischen Regisseurs Amir Naderi, der in Italien im September in die Kinos kommt.
WETTER & SCHNEE
Gedreht werden kann in Südtirol zwar das ganze Jahr über, doch muss jederzeit mit unkalkulierbaren Einschränkungen durch das Wetter gerechnet werden. “Das größte Problem am Berg ist immer das Wetter”, sagt Arnold Kuntner, der drehbegleitende und -vorbereitende Aufgaben organisiert und durchführt sowie für kleine Produktionen auch die Special Effects wie Wind, Schnee oder Nebel macht. “Gerade im Winter ist es schwierig einen Zeitplan einzuhalten, weil man sich den Schnee- und Wetterverhältnissen anpassen muss. Dabei hilft nur ein dynamisch- flexibler Drehplan, ein Coverset und ein paar Tage mehr einzuplanen.”
Das man in den Bergen flexibel sein muss, erlebte auch die Produktion von “Monte”. Am ersten Tag des Set-Visits Mitte Oktober war noch klarer Himmel. Am Tag drauf fing es nachhaltig an zu regnen. Die Temperatur sank und der erste Schnee fiel auf etwa 2.500 Meter Höhe. Ein paar Wochen zuvor brachten 50 Zentimeter Schnee den Drehplan unerwartet durcheinander. Aber das ist normal. Auch im Mai/Juni kann es in höheren Lagen noch zu Schneefall kommen beziehungsweise zu einer verspäteten Schneeschmelze.
“Das Wetter ist eine echte Herausforderung”, fasst es Carlo Hintermann, Service-Produzent von “Monte”, zusammen. “Man kann es nie vorhersagen und es kann zehn Mal am Tag wechseln. Das ist ein Albtraum für die Kontinuität. Besonders bitter ist es, wenn das Wetter in jede Richtung schön ist, außer in diejenige, in die man drehen möchte.” Noch am letzten Drehtag wurde “Monte” ausgebremst. Aufkommender Regen und Nebel ließen das Drehen am Fuß des Latemar-Gebirges nicht mehr zu.
Selbst Großproduktionen wie “Everest”, dessen Set in 30 Zentimeter Schnee verschwand, müssen sich der Natur beugen. “Aber mit einem eingespielten Team, auf das man sich hundertprozentig verlassen kann, lässt sich jede Situation meistern”, weiß Kuntner aus Erfahrung. Auch sollten die Teammitglieder in der Lage sein, vor Ort Reparaturen an der Technik auszuführen, da ein Austausch mit hohem Zeitverlust verbunden ist. Aber auch der Sommer bietet nicht nur Sonnenschein. Hier muss mit lokalen Wärmegewittern gerechnet werden, die für Dreharbeiten gefährlich werden können. Während der Saison im Juli/August ist es zudem sehr voll und es gibt kaum Hotelkapazitäten. Gleiches gilt für die Ski-Saison.
LOGISTIK & EQUIPMENT
Die Logistik in den Bergen ist selbst an leicht erreichbaren Sets mit einem besonderen Aufwand verbunden. “Das führt dazu, dass man mit einem höheren Budget von 20
bis 25 Prozent rechnen muss”, sagt Peter Trenkwalder. “Und da der Erfolg einer Produktion in den Bergen ganz wesentlich von einer effizienten Logistik abhängt, ist es unerlässlich mit einem eingespielten Team zu arbeiten, das sich am Berg auskennt.” Trenkwalder führt einen Spenglerbetrieb, ist aber auch als Bergführer unterwegs. Zuerst war er im Kulissenbau tätig, jetzt bietet er produktionsbezogene Dienstleistungen aus einer Hand an. Dafür hat er T&P Filmpool gegründet, in der sich eine Reihe von Handwerksbetrieben, Logistikunternehmen und Bergführer zusammengeschlossen haben. Darunter auch Trenkwalders Bruder Pauli.
Ist ein Drehort nicht über normale Straßen erreichbar, kommen Quads, Pistenwalzen, Schneemobile, Seilbahnen oder Hubschrauber zum Einsatz. Letzteres ist die teuerste Lösung auch deshalb, weil die Traglast auf 700 bis 800 Kilo begrenzt ist. “Je nach Gelände, Produktionsanforderungen und Budget müssen die richtigen Fahrzeuge für den Transport ausgewählt – oder wie die Schlitten in ,Everest‘ – gebaut werden“, sagt Arnold Kuntner. “Das komplette Equipment muss bergtauglich sein”, unterstreicht Kuntner. “Um das sicher zu stellen, bauen wir vieles selber.”
Extra für den Einsatz am Berg hat der Kölner Filmgeräteverleih Maier Bros. GmbH, der in Meran eine Niederlassung unterhält, mehrere Geräte entwickelt, die speziell für das Arbeiten in den Bergen angepasst sind, wie etwa einen mobilen Stromerzeuger. “Im alpinen Bereich ist ein hervorragend gewarteter Equipmentpark immens wichtig”, sagt Niederlassungsleiter Hannes Hofer dazu. “Ein Ausfall am Berg bedeutet lange Wege, verlorene Zeit, und somit auch zusätzliche Kosten.”