Nach der RTL-Serie “Deutschland 83” folgt nun “Deutschland 86” für Amazon Prime. Wir sprachen für die Ausgabe 6/2018 mit den beiden DoP Matthias Fleischer und Kristian Leschner über die Herausforderungen, die sich bei den Dreharbeiten ergaben.
FÜNF LÄNDER IN SÜDAFRIKA
“Die HVA, für die Martin Rauch arbeitet, ist ja der Außendienst der Stasi”, beschreibt Anna Winger, Creator und Executive Producer. “Daher wussten wir schon früh, dass wir mit dem mittleren Teil der Serie Martin Rauch zu den Stellvertreter-Kriegen zwischen Ost- und Westblock schicken werden.” Creator Jörg Winger ergänzt: “Der Sozialismus wollte sich retten, indem er sich in mafiösem Kapitalismus versucht hat.”
Matthias Fleischer kam im Mai zu den ersten Motivbesichtigungen nach Kapstadt, ab Juli begann vor Ort die Vorbereitung. “Es war ein bunter Strauß an Motiven, Wetterund Lichtstimmungen. Allein Südafrika zu entdecken, war sehr reizvoll”, sagt Fleischer. Bei der Crew stammten neben Fleischer nur Produktions- und Herstellungsleitung, Script/Continuity, der Tonangler und Szenenbild aus Deutschland.
Südafrika hat sich in den letzten Jahren als beliebter Drehort für deutsche Film- und Fernsehproduktionen entwickelt, zum Beispiel für “Jim Knopf & Lukas, der Lokomotivführer” oder für den ARDFernsehfilm “Der Weg zum Kilimandscharo”, weil sich dort vielfältige exotische Motive finden lassen, die dann oft als Vietnam, Chile oder Neuseeland herhalten. Außerdem gibt es für die Produzenten durch die sogenannten “Tax Incentives” eine gute Fördermöglichkeit in einer funktionierenden Filmindustrie. Um die Förderung zu nutzen, musste das Team allerdings etwas mehr als 50 Prozent in Südafrika drehen. Daher war von vornherein klar, dass dort neben Südafrika, Angola, Libyen und Frankreich auch Berliner Motive gedreht werden würden. Fleischer drehte so mehrere Versatzstücke, “die dann in Berlin aufgefüllt wurden”, wie zum Beispiel die Innenaufnahmen der US-Botschaft in Ostberlin oder des Clubs “Paradise”.
Schon durch die Auswahl der Motive, später auch im Grading, wollte Fleischer die unterschiedlichen Länder visuell unterscheiden. Gleichzeitig vermieden Fleischer und sein Regisseur Florian Cossen weitgehend die “touristischen Establisher”, sagt der DoP: “Wir sehen also am Anfang keinen Eifelturm, der uns sagt: Wir sind in Paris. Manchmal weiß die Hauptfigur gar nicht, wo er ist und wir entdecken das mit ihm.” Und dann zeigt er doch auch mal den Tafelberg, aber durch ein weitwinkliges Objektiv eben in einer Einstellung zusammen mit der Hauptfigur.
WÜSTE UND ÖLRAFFINERIE
“Eine große Herausforderung war für uns, dass wir innerhalb einer Stunde Fahrzeit um Kapstadt herum die libysche Wüste finden mussten”, erzählt Fleischer. Das Team drehte schließlich auf einer etwas größeren Düne inmitten eines Schutzgebiets, die aber nicht die Ausdehnung einer echten Wüste hatte: “Trotzdem wollten wir dort in der Eintönigkeit von verwehtem Sand Strukturen zeigen.” Fleischer musste sich beschränken, zudem wollte und konnte er aus finanziellen Gründen nicht viel auf Visual Effects zurückgreifen.
Darüber hinaus konnten sie sich auf dem Sand der Düne nicht mit schwerem Gerät bewegen. Deswegen beschränkte Fleischer sich bis auf ein zwölf Meter hohes Gerüst mit zwei 9 kWs in 600 Meter Entfernung als Mond für den Nachtdreh – in Kombination mit der Spezialkamera Canon ME20FSH (Lichtempfindlichkeit ISO 4 Millionen). “Wir haben kaum die Hand vor Augen gesehen, im Film kann man dadurch sogar die Sterne sehen”, sagt Fleischer.
Durch den schwierigen Untergrund fanden auch nur die nötigsten Außendrehs auf der Düne statt. “Wir mussten fuür die Aufnahmen in den Zelten die Natur dann im Studio nachempfinden“, sagt Fleischer. Zusätzlich zur künstlichen “Sonne” wurde der Nesselstoff mit großen Butterflys hinterleuchet, die 9 kWs und 12 kWs reflektierten. Dort zerrt der Wind am Stoff, das Sonnenlicht ist gleißend. “Studiobauten sind auch in Südafrika teuer”, erzählt Fleischer. “Wir mussten genau abwägen, was wir uns leisten können.” Neben dem Zelt wurden unter anderem das BND-Field-Office und die US-Botschaft dort gebaut.
“Nicht nur aus finanziellen, auch aus praktischen Gründen, haben wir so viel wie möglich versucht in-camera zu lösen”, erzählt Fleischer. “Vor allem mit Hilfe des Art Departments.” Das verwandelte ein altes Stahlgelände in eine angolanische Ölraffinerie und baute dafür in ein altes Walzwerk einen kompletten Kontrollraum ein. Draußen entstand ein kompliziertes Rohrgeflecht, wo schließlich eine Bombe gelegt wird. Insgesamt sechs Drehtage fanden dort statt. Große Explosionen gab es zwar von Seiten der SfX-Abteilung nicht zu stemmen, sagt Fleischer. “Aber es gab viel Kleinteiliges – allein ein Ölfass, das von Schüssen durchlöchert werden und auslaufen soll, dauert seine Zeit.”
Morgen bringen wir für Sie den dritten und letzten Teil des Drehberichts zu “Berlin 86” aus der Film & TV Kamera 6/2018.