Anzeige
Anzeige
Wir stellen die Preisträger des 32. Deutschen Kamerapreises vor (9)

Für Qualität einstehen

Unsere Reihe mit den Gewinnerinnen und Gewinnern beim 32. Deutschen Kamerapreis neigt sich dem Ende zu – mit den Preisen für die beste Kamera in Dokumentarformaten. Den Preis für die beste Kamera in einer Dokumentation oder Doku-Serie bekamen Julian Krubasik und Markus Nestroy.

Filmstill aus "Dig Deeper"
„Dig Deeper“ (Foto: Netflix / Nestroy / Krubasik)

Julian Krubasik, geboren 1984 in München, studierte nach einem ersten Filmstudium in Schottland am Edinburgh College of Art  Bildgestaltung an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München und schloss dort 2017 mit seinem Diplomfilm „Luft“ ab, der für den First Steps Michael-Ballhaus-Kamerapreis nominiert wurde. Mit „Our Wildest Dreams“ gewann er 2017 den Best Cinematography Award auf dem Rhode Island International Film Festival. 2018 wurde „Alles ist gut“ mit einem Goldenen Leoparden in der Kategorie „Best First Feature“ auf dem Locarno Film Festival ausgezeichnet. 2019 gewann „Hi, Al“ den Max-Ophüls-Preis und wurde für den Deutschen Filmpreis nominiert. Zuletzt kam 2022 „Wir sind dann wohl die Angehörigen“ von Regisseur Hans-Christian Schmid ins Kino.

Markus Nestroy wurde 1979 in Graz geboren. Bevor er ein Kamerastudium an der Filmakademie Baden-Württemberg absolvierte, studierte er Psychologie, zeitgenössischen Tanz undFotografie in Graz sowie Schauspiel am Bruckner-Konservatorium in Linz. 2012 übernahm Nestroy erstmals die Bildgestaltung bei einem abendfüllenden Spielfilm: „Robin Hood“, der das Filmfestival Max Ophüls Preis eröffnete. 2016 wurde seine Arbeit am Dokumentarfilm „Above and Below“ mit dem Deutschen Filmpreis auch in der Kategorie „Beste Kamera“ ausgezeichnet. 2020 startete auf Netflix und im ORF die Serie „Freud“, an der Markus Nestroy mit Regisseur Marvin Kren gearbeitet hatte. 2022 kamen der Berliner „Tatort: Das Opfer“ ins Fernsehen und „Die Känguru-Verschwörung“ ins Kino.

Herzlichen Glückwunsch an euch beide für den Deutschen Kamerapreis in der Kategorie Dokumentation/Doku-Serie. Eure gemeinsame Arbeit an der True-Crime-Serie „Dig Deeper“ hat eine interessante Entstehungsgeschichte. Markus, wann hattest du den ersten Kontakt mit dem Projekt?
Markus Nestroy: Ich hatte Anfang 2019 zum ersten Mal mit dem Regisseur Nicolas Steiner, mit dem ich schon die Dokumentarfilme „Kampf der Königinnen“ und „Above and Below“ gedreht hatte, wegen „Dig Deeper“ gesprochen. Es hat sich dann allmählich herauskristallisiert, wie wir an das Projekt herangehen wollen und danach ging es eine Weile hin und her, wie es immer so ist. Ursprünglich sollte der Dreh im Dezember 2019 losgehen und bis Mai 2020 dauern. Das hätte aber bedeutet, dass wir keine Sommeraufnahmen gehabt hätten, die wir aber dringend brauchten für die Morde in der Lüneburger Heide. Ich hab dann zur Produktion gesagt „Organisiert mir einfach ein ein Hotel, ich kümmere mich um den Rest“ und bin dann mit dem Fahrrad, Fahrradanhänger und einer Sony F55 mit Canon Cabrio-Zoom losgezogen und habe Bilder gedreht. Einerseits war das total befreiend, einfach allein als Kameramann unterwegs zu sein und zu drehen, weil man das ja sonst eigentlich nie macht. Andererseits gab es aber noch keinen konkreten Auftrag, sondern eben nur die Gespräche mit Nicolas Steiner.

DoP Markus Nestroy
DoP Markus Nestroy war für das Konzept und den ersten Drehabschnitt verantwortlich. (Foto: privat)

Wie ging es danach weiter?
Markus Nestroy: Richtig los ging es dann mit der ersten Prep im September. Ich habe mich mit Nico in Hamburg getroffen und wir haben dort recherchiert. Es hatte eine sehr frühe Planung gegeben, dass es verschiedene Drehabschnitte mit Pausen dazwischen geben würde. Wir wollten erst die dokumentarischen Teile drehen und danach die szenischen. Dazwischen war eine Pause von mehreren Wochen geplant. Eigentlich wollten wir im Januar mit dem Dreh anfangen, aber dann war der erste Drehtag tatsächlich erst am 3. Februar und schon am 17. März wurde das Projekt wegen Corona gestoppt.

Du wolltest ja auch den szenischen Teil drehen, aber du hast nach dem Dreh im Frühjahr 2020 als DoP an Julian übergeben. Wie kam es dazu?
Markus Nestroy: Wir wussten im März 2020 nicht, wie lange die Drehpause dauern würde. Wir hatten den Dreh gestoppt und waren uns nicht ganz sicher, ob wir nicht vielleicht schon im Juni weiterdrehen könnten. Dann wurde aber klar, dass ich das Projekt nicht weitermachen könnte, weil im August unser Kind zur Welt kommen würde. Tatsächlich ist der Dreh dann erst Mitte August weitergegangen und es wurde dann irgendwann festgelegt, dass Julian von mir übernimmt.
Julian Krubasik: Nico hatte mich Mitte Juni kontaktiert. Ich hatte da gerade „Katakomben“ gedreht, was aber rechtzeitig fertig wurde, so dass ich von Markus übernehmen und bei „Dig Deeper“ einsteigen konnte. Es ging dann zuerst mit dem Dokuteil weiter, der aufgrund von Corona noch nicht abgedreht war. Das waren noch einmal 25 Drehtage und Anfang November kamen dann noch einmal zehn Tage Spielfilmteil, die sogenannten „Recreations“ dazu.

Wie habt ihr dann die Übergabe zwischen euch gemacht?
Markus Nestroy: Wir haben uns, glaube ich, ganz gut ausgetauscht, aber das war jetzt zeitlich nicht so unglaublich lang!
Julian Krubasik: Es war zwar nicht lang, aber du hattest deine Arbeit sehr gut dokumentiert, so dass ich zum Beispiel die Setups und Lichtaufbauten für Interviews gut übernehmen konnte. Ich fand das Briefing sehr genau und nachvollziehbar. Wir haben uns dann noch ein- oder zweimal getroffen. Für mich war es interessant, so intensiv in den Kopf und die Arbeit von einem anderen Kameramann hineinzublicken, normalerweise hat man dazu ja nicht die Chance! Das war bereichernd, auch das Material zu sichten, das ihr schon gedreht hattet und darüber zu sprechen, wie die Dreharbeiten bisher gelaufen sind. Das war wirklich sehr hilfreich, so einsteigen zu können.
Markus Nestroy: Es hat auch sehr geholfen, dass wir eine ähnliche Art und Herangehensweise haben. Wir sind ein ähnlicher Typus von Kameramann und beide auf dieser Spielfilm-Doku-Ebene unterwegs. Schon deswegen haben wir viel gemeinsam, was natürlich geholfen hat. Das Licht, das ich gewählt hatte, das war irgendwie für dich dann nicht „Crazy, wie macht der das?“, sondern „Klar, das ist auch eine Möglichkeit!“

DoP Julian Krubasik mit Lotta Kilian an der zweiten Kamera
DoP Julian Krubasik, hier mit Lotta Kilian an der zweiten Kamera, übernahm von Markus Nestroy. (Foto: privat)

Julian Krubasik: Für mich war es das erste Mal, einen so interviewlastigen Dokumentarfilm zu drehen. Bis jetzt hatte ich hauptsächlich beobachtende Dokumentarfilme gedreht und hier und da ein situatives Interview. Aber sich mal die Zeit nehmen zu können, ein Setup mit zwei Kameras ordentlich einzuleuchten und zu sehen, wie kann ich jetzt so ein Porträt interessant leuchten, das hat mir total Spaß gemacht.
Markus Nestroy: Mir hat das auch Spaß gemacht, aber es war schon etwas anderes. Also das ging schon sehr in Richtung „back to the basics“! Das fing damit an, dass ich die Planung für den Einbau des VW-Bus gemacht habe, über die Leihe und das Testen der kompletten Kamera- und Lichttechnik bis hin zum täglichen Einladen des Busses und des Auf- und Abbaus des Lichts. Die einzige Hilfe waren der Regisseur, der Tomann Bertin Molz und unser Data Wrangler. Das war anstrengend, hat aber auch großen Spaß gemacht, mal wieder so hands-on zu sein.
Julian Krubasik: Ich hatte da ein bisschen den Vorteil, dass ich von deiner Erfahrung lernen konnte. Ich habe dann bei den Verhandlungen mit der Produktionsfirma gesagt, dass wir, wenn wir mit B-Kamera arbeiten wollen, auch einen B- Kamera-Operator brauchen. Dieser konnte mir dann auch beim Aufbau helfen. Außerdem haben wir dann auch die ursprünglich benutzte Sony A7III gegen eine Sony FX9 getauscht. Deine Erfahrungen haben mir da sicher ein bisschen mehr Spielraum verschafft.
Markus Nestroy: Ich habe nachträglich das Gefühl, wir waren in sehr unterschiedlichen Projekten! Im ersten Drehabschnitt waren wir wirklich nur zu dritt! Es gab da noch einen Data Wrangler und eine Produktionsassistentin. Wir dachten bloß, das gibt es doch nicht, was wir hier gerade machen! Ich hatte ursprünglich auch mal über einen Kameraassistenten nachgedacht und dann hieß es, dass ich die Optiken nur haben könnte, wenn ich auf den Assistenten verzichte.
Julian Krubasik: Das ganze Projekt erforderte schon viel Verhandlung mit der Produktion und da hatte ich für den zweiten Teil sicher eine bessere Ausgangssituation als du im ersten. Als es dann an die „Recreations“ ging, gab es auch erst mal größere Differenzen zwischen dem, was die Produktion sich vorstellte – zum Beispiel einfache nahe Einstellungen auf Hände, hier ein Dokument, da ein Schattenspiel – und dem, was Netflix bei True-Crime-Formaten erwartet. Netflix will, dass die „Recreations“ wie ein klassischer Spielfilmdreh behandelt werden und da gab es dann anfänglich eben diese Diskrepanz zwischen dem, was geplant und budgetiert war und dem, was Netflix wollte. Wir konnten dann mit Unterstützung von Netflix den fiktionalen Dreh auf einer Sony VENICE mit Kowa Anamorphoten und vergrößertem Licht- und Kamerateam drehen und so den düsteren, schmutzigen Look der „Recreations“ umsetzen, den wir uns gewünscht hatten. [15303]

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.