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Corona-konformes Musikvideo für Jan Delay mit durchgedrehter Animation

Genauigkeit im Spielerischen

Wie dreht man ein Partymusikvideo in Coronazeiten? „Gar nicht“ war keine Option. Also schufen DoP Felix Storp, Regisseur David Aufdembrinke sowie ihr Team um Oliver Krupp von Mookwe und Felix Paul von Paul’s Boutique für Jan Delays neueste Singleauskopplung eine verspielte Hommage an Lieblingsplattencover, Retromusikvideos und Internetzitate. Wir haben in unserer Ausgabe 4.2021  gefragt, wie sie das gemacht haben.

Wer auch nur einen Hauch übrig hat für deutschen Rap und Zeuge werden möchte, wie schnell fünf Minuten an einem vorbei brettern können, sehe sich das Musikvideo zum Beginner-Song „Es war einmal“ an. Das Werk von 2016 versammelt vor der Kamera eine schier unendliche Liste von Musikerkollegen, Medienleuten und Hamburger Originalen in einer Art Zapping-Tour-de-Force durch fiktive TV-Trashformate. Verantwortlich für den Riesenspaß war Regisseur David Aufdembrinke. Die Idee dazu kann man schon mal haben. Oft kommt dann irgendwer und fragt: „Echt?“ und man sagt, „Ja, nee, mal sehen.“ David Aufdembrinke antwortet dann immer: „Ja, echt!“ Das schätzt auch Jan Delay an ihm und engagierte den Hamburger auch für die aktuelle Singleauskopplung seines vierten Studio-Albums „Earth, Wind & Feiern“ namens „Intro“. Hier begibt sich Delay auf eine Art LSD-Trip durch sämtliche musikalischen und popkulturellen Zeichensysteme des Internetzeitalters mit vielen Zitaten und intertextuellen Referenzen, die gar nicht entschlüsselt werden wollen, sondern – wie so manches Meme – einfach Spaß machen sollen.

Ideen bouncen

Regisseur und Art Director David Aufdembrinke brachte sich schon im Jugendalter selbst Macromedia Flash bei und etablierte sich schnell im Grafikdesign und in der Animation. Über die Arbeit bei einer Agentur kam er ins Multimedia-Design und bog schließlich Richtung Film ab. Sein erstes Musikvideo kam 2011, mittlerweile dreht er Werbung für LIDL, Esprit, Jimdo, McDonald’s oder den FC St. Pauli. Und vor allem holen ihn immer wieder Bands mit an Bord, denen etwas anderes vorschwebt als das x-te Bling-Bling-Angeberfilmchen. So schuf er für den Track „Legendär/Populär“ von Afrob und Samy Deluxe stylisch-präzise Hyperlapses in hochkontrastigem Schwarz-Weiß oder erfand kurzerhand eine sich nahtlos in das „Tschick“-Universum des Fatih-Akin-Films integrierende Story für „French Disko“ von den Beatsteaks und Dirk von Lowtzow.

Jan Delay und DoP Felix Storp beim Dreh im Plattenladen Groove City in der Hamburger Innenstadt (Bild: Johnny Johnson)

Insofern war es kein Wunder, dass Jan Delay Aufdembrinke Anfang 2020 zum Pre-Listening der Platte lud und die beiden in ein Ideen-Ping-Pong zum Intro der Platte starteten. „Jan hat ein sehr gutes Visualisierungsvermögen“, sagt Regisseur Aufdembrinke. „Wenn ich ihm einen Satz hinwerfe: ,Du stehst da, trägst das und machst das‘, kann er das Bild sehen und es sehr gut bewerten. Das hilft sehr bei der frühen Abstimmung und wir können so sehr viele Ideen bouncen.“

Eigentlich entstand das Video zu „Intro“ zweimal. Im Frühjahr 2020 jedoch mussten die Macher ihr Konzept stark von den damals gültigen Corona-Beschränkungen anpassen. Heraus kam ein Partyvideo, dessen Elemente letztlich nur in der Post zusammenfanden. Das Einzige, was aus diesem Briefing in der zweiten Version übrigblieb, war die Vorgabe, alles in einer langen Bewegung zu erzählen. „Hauptsache, das ist ein One-Take, organisch, wie eine lange Kamerabewegung, alles ist im Fluss“, so David Aufdembrinke. Dieser Fluss wird jedoch auch durch rein in der Animation entstandene Elemente umgesetzt, es ist also keine Live-Action-Plansequenz – obwohl es teilweise wie eine geplant werden musste.

Hier kam DoP Felix Storp ins Spiel. Der ausgebildete Weinbauer kam über die Hausbesetzerszene zum Film, begann hier beim Kranhersteller MAT und wechselte schnell zur Kamera hinüber. Hier spezialisierte er sich auf die Steadicam und wurde Mitgründer des Hamburger Steadicam-Verleihs Xinetix. Mit David Aufdembrinke arbeitete er erstmals 2011 zusammen. „David war extrem gut vorbereitet, damals schon“, sagt DoP Storp. „Der plant akribisch jeden Drehtag, ist aber auch bereit, das umzuschmeißen, wenn es eine bessere Idee gibt!“

Steadicam für den Fluss

Für die Postproduktion des Videos war es wichtig, hochauflösend drehen zu können. Gleichzeit musste die Kamera flexibel bleiben, da die Motive teilweise sehr eng waren, wie etwa das Musikstudio und der Plattenladen. Das Setup durfte zudem nicht zu viel Team nötig machen, denn zur Drehzeit im November 2020 ging gerade der zweite Lockdown in die dritte Woche. Immerhin war der Dreh im Rahmen der Corona-Beschränkungen erlaubt. DoP Storp wählte die Blackmagic Design Pocket Camera 6K, um flexibel und leicht zu sein. Er drehte in voller 6K-Auflösung und hoher Farbtiefe für die Postproduktion. Um die fließende Bewegung leicht hinzubekommen, wählte er ein klassisches Steadicam-System. Die Wahl der Objektive war anspruchsvoll. „Wir brauchten sehr präzise Optiken, weil wir wussten, dass David in der Post viel Rotoscoping machen würde“, so Storp. „Allerdings sollten sie auch schöne, cinematische Bilder machen.“ Storp entschied sich schließlich für seine eigenen Leica R mit EF- Mount. „Die sind 40 Jahre alt, aber technisch extrem gut“, sagt der Kameramann. Auch sein Regisseur war glücklich mit der Wahl: „Die sind nicht zu weich, aber haben auch nicht die Durchgeschärftheit heutiger Objektive für digitale Kinokameras“, sagt Aufdembrinke. „Klares Bild, gut für die Post und trotzdem schöne Lichtbrechungseigenschaften, die das Bild romantischer machen.“ [14413]

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