Wir stellen die Preisträger des 33. Deutschen Kamerapreises vor (6)
Gesichter als Landschaft
von Sven Kubeile,
Die Reihe mit den Gewinnerinnen und Gewinnern beim 33. Deutschen Kamerapreis geht weiter mit Aleksandra Dyja, die den Nachwuchspreis Kamera für ihre Arbeit als DoP beim Projekt „Ich bin nur scheintot“ erhielt.
Aleksandra Dyja wurde 1993 im polnischen Racibórz geboren. Nach ihrer Ausbildung zur Fotografin studierte sie an der Akademie der Bildenden Künste in Krakau und schloss das Studium 2019 ab. Im selben Jahr begann sie das Studium der Kinematografie an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Im Rahmen ihrer Ausbildung drehte sie zahlreiche Spiel- und Dokumentarfilme, die auf deutschen und internationalen Festivals gezeigt wurden. Aleksandra Dyja lebt und arbeitet in München.
Wir gratulieren dir ganz herzlich zum Deutschen Kamerapreis in der Nachwuchs-Kategorie. Was bedeutet der Preis für dich?
Es ist für mich eine Art Bestätigung, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Es hat sich zumindest so angefühlt. Ich habe mir immer wieder auch verschiedene Fragen auf meinem Weg gestellt. Das Jahr vor dem Kamerapreis war für mich nicht so einfach und ich habe an meinem beruflichen Werdegang gezweifelt. Das Studium ist nicht das einfachste Studium und als Frau in der Filmbranche ist es auch nicht wirklich einfach. Ich wusste nicht, ob ich genügend Kraft besitze, um daran weiterzumachen. Ich habe eine Art Bestätigung gebraucht. Dann kam plötzlich und unerwartet der Kamerapreis und das war eine Erleichterung für mich. Wirklich schön. Das hat mir geholfen. An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal herzlich bei der deutschen Kamerapreis-Jury und dem Preisstifter ARRI bedanken.
Es ist ja ein Problem in unserer Branche, dass immer noch zu wenige Frauen hinter der Kamera arbeiten. Haben es Frauen da wirklich schwerer?
Ja. Ich habe den Eindruck, dass es einfach eine männliche Welt ist, in der sich unsere Branche bewegt. Sie ist einfach nicht wirklich auf Frauen vorbereitet. Und wir Frauen sind teilweise auch nicht gut genug vorbereitet, um uns in dieser männlichen Welt zu profilieren. Das hat auch viel mit Konkurrenz zu tun. Man muss sich da erst mal finden. Das ist für mich schon deutlich besser und einfacher geworden, seitdem ich den Preis bekommen habe, aber der Anfang war nicht einfach. Ich wusste vielleicht auch einfach nicht, wie ich vorankommen soll. Wir haben da allgemein im Moment noch keine richtigen Werkzeuge entwickelt, wie wir damit umgehen. Ich musste mich selbst darin finden und das hat Zeit gebraucht.
Wie würdest du Frauen dazu ermutigen, in die Richtung DoP und Bildgestaltung zu gehen?
Das Wesentliche ist, dass es eine sehr schöne und kreative Arbeit ist und das ist ein Feld, in dem wir Frauen auch wirklich stark sind. Wenn wir zeigen, dass die Arbeit als DoP viel aus künstlerischer Arbeit besteht, dann ist es auch zugänglicher. Es geht nicht um physische Kraft, um beispielsweise eine Kamera zu tragen. Die Kameras sind zwar kleiner geworden, aber es ist auch immer möglich, einen Operator dabei zu haben. Der Beruf verlangt viel mehr als nur das.
Was für ein Projekt war dein Gewinner-Film?
An der HFF dreht man nach dem ersten und dem zweiten Jahr Filme, die sogenannten Filme 01 und 02. Wir Kameramenschen müssen uns mit einem Regiestudierenden aus dem gleichen Jahrgang zusammenfinden und wir dürfen dann gemeinsam diese Übungsfilme erstellen. Das war auch bei uns so. Ich habe zusammen mit Mira-Belle Rose Bryld gedreht. Wir haben uns getroffen, dann habe ich ihr Drehbuch gelesen und mich total darin verliebt. Es war eine sehr schöne kreative Mitarbeit. Wir haben dann angefangen daran zu arbeiten.
Wie bist du vorgegangen? Hattest du direkt die Bilder im Kopf, die dann letzten Endes auch gedreht wurden?
Tatsächlich hatte ich als Erstes ein Lied im Kopf. Dieses Lied hat mich dann kreativ in eine Richtung gelenkt. Es war ein rituelles Lied von einem Trio aus Südtirol, das in Ladino singt, das auch ein wenig beängstigend war. In diesem Lied habe ich dann auch einen Rhythmus für mich gefunden und das Lied hat mir dann geholfen, die Brücke zwischen Drehbuch und Kameraarbeit zu schlagen. Ich habe ver- sucht, den Vibe auf das Visuelle zu übertragen. Eine weitere wichtige Inspiration war der Film „Mother!“ von Darren Aronofsky und dabei besonders die krassen Bewegungen, die Libatique in diesem Film mit der Kamera gemacht hat. Ich habe es natürlich nicht geschafft, es so krass zu machen wie er, aber es war ja auch erst unser Film 02. Auch von der Auflösung des Films haben wir uns inspirieren lassen.
Wie würdest du dein visuelles Konzept bei diesem Film beschreiben und was hat eure Location dazu beigetragen? Es gab für uns ein Symbolbild für das visuelle Konzept, bei dem ein Darsteller die Hände in braune Erde eingetaucht hat. Die Einstellung war im Drehbuch, aber letztendlich haben wir sie nicht gedreht. Sie war jedoch ein wichtiger Aspekt für die Farbgebung. Wir haben echt Glück mit der Location gehabt. Sie war perfekt für unser Vorhaben. Da war eine gute Recherche und viel Glück erforderlich. Wir hatten zum Glück auch keine weißen Wände, was uns sehr geholfen hat. Die Location hat auch mit der farblichen Mischung aus Erde, braun und dazu passenden Farben zu meinem visuellen Konzept geführt.
Welche Technik habt ihr verwendet und warum?
Das ist eine gute Frage, denn genau bei diesen Filmen dürfen wir keine Technik aussuchen, sondern wir bekommen eine feste Ausrüstung gestellt. Mein Kamerabudget habe ich dann für Licht ausgegeben. Wir haben mit der Canon C300 Mk III gedreht. Dazu hatten wir lediglich ein ZEISS Compact Prime 35 mm. Die Kamera hat schon eine sehr schöne Hautton- und Farbwiedergabe. Daran hatte ich nichts auszusetzen. Wenn ich mir aus der großen Kamerawelt eine für das Projekt hätte aussuchen dürfen, dann wäre es eine Amira.
Welches Equipment hast du dir noch dazugeholt?
Ich wollte unbedingt die M18 von ARRI haben. Mir war es super wichtig, dass ich diese Lampen bekomme. Mit diesen Lampen habe ich auch das Rehearsal mit der mitwirkenden Theatergruppe gedreht. Wir haben zwar auch noch etwas dazu gesetzt, aber im Prinzip haben wir Licht, das schon da war, einfach nur von außen verlängert. Den Rest haben wir überwiegend mit Kinoflo-Röhren beleuchtet und ab und an etwas gebounced, um Teile aufzuhellen. Auf der Performance-Bühne hingen ARRI-Scheinwerfer von der Decke. Es war wichtig, dass diese Szene an Bühne erinnert und es sich wie Bühne anfühlt.
Du hast einen Background in der Fotografie. Wie hilft dir das Thema Fotografie und deine Ausbildung in dem Bereich für deine Arbeit als Kamerafrau?
Das hat mir schon viel geholfen. Durch die Fotografie habe ich die ganzen Grundlagen der Bildgestaltung kennengelernt, denn vieles im Film basiert auf der Fotografie. Die Komposition, die Farben, Kunstgeschichte haben mir schon viel weitergeholfen. In meiner fotografischen Ausbildung musste ich viele unterschiedliche Bereiche durchlaufen und viele unterschiedliche Aufgaben machen. Das System in Polen ist aber auch in wenig anders als hier. In jedem Modul musste ich mit einer Fotoserie abschließen, damit ich weiterkam. Zwei Jahre lang habe ich super viele Serien in unterschiedlichen Bereichen fotografiert: Landschaften, konzeptuelle Fotografie, Dokumentar. Ich mochte vielleicht nicht alles und ich konnte auch keine Fotografin werden, weil es schon eine sehr andere Arbeit war als DoP. Das hat mich aber trainiert. Ich denke noch immer stark in Fotoserien. Auch die Arbeit mit Licht hilft mir jetzt sehr. Ein weiterer Punkt, den ich nicht missen möchte, ist die Bildwirkung, also welche Mittel ich verwenden muss, um eine gewisse Wirkung zu erzeugen. Da sind auch die Grundlagen der Malerei wichtig.
Du siehst dich eher nicht im Dokumentarbereich. Brauchst du die Bühne, auf der du etwas spielen lassen kannst?
Auf jeden Fall. Ich arbeite sehr gerne mit Schauspielern zusammen. Michael von Au, der die Hauptrolle in „Scheintot“ gespielt hat, hat ein tolles Gesicht. Ich schaue mir generell gerne Gesichter an. Aus ihnen kann man viel über eine Person lernen. Je interessanter das Gesicht vor der Kamera ist, desto besser ist das Bild. Im Allgemeinen ist ein Gesicht eine Landschaft, und es macht mir viel Freude, es zu erkunden und zu sehen, was es aus welchem Blickwinkel tut. Je fotogener es ist, desto einfacher ist es, die Person gut aussehen zu lassen und ein gutes Bild zu machen. Wenn ich mich auf einen Film vorbereite, mache ich viele Fotos von den Drehorten, aber auch von allen Schauspielern. Ich lerne ihre Gesichter kennen, um zu wissen, was sie tun können. Ich fotografiere die Leute aus verschiedenen Blickwinkeln, mit unterschiedlicher Beleuchtung und lasse sie verschiedene Emotionen zeigen. Diese analysiere ich dann im Detail. Das hilft mir, die Kamera an der richtigen Stelle zu positionieren, aber auch, das richtige Licht im Voraus zu planen. Wenn es um den Drehort geht, geht es zum einen um die Stimmung, aber auch um rein technische Dinge wie die Höhe der Decke. Die Decke im Schweinestall, wo wir „Scheintot“ gedreht haben, war sehr niedrig, was wir nicht beeinflussen konnten. Alles andere war genau richtig. [15397]