Die „Nachts baden“-Regisseurin Ariane Zeller im Gespräch
Hart erkämpft
von Uwe Agnes,
Ende Juli hatte die TV-Spielfilmproduktin „Nachts baden“ mit Maria Furtwängler Premiere auf dem Filmfest München. Regisseurin und Autorin Ariane Zeller wirft im Gespräch einen Blick auf ihren Werdegang als erfolgreiche Filmemacherin in einer Männerdomäne.
Ariane Zeller arbeitete nach einem Schauspielstudium als Regieassistentin für unter anderem Helmut Dietl und Ian McDonald. Danach ging sie zu Premiere, wo sie als Regisseurin Dokumentationen realisierte und wechselte sie im Anschluss ins fiktionale Regiefach bei der Daily Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Danach baute sie als Producerin mit „Schloss Einstein“ die erste Weekly Soap im deut- schen Fernsehen auf. Zwischendurch widmete sie sich als Regisseurin Projekten wie „Die Rote Meile“. Ihr aktueller Film „Nachts baden“ hatte auf dem Münchener Filmfest Premiere.
Wie sind Sie nach der „Roten Meile“ an die Regie von fiktionalen 90-Minütern gekommen? Im Anschluss an „Die Rote Meile“ hatte mich Tanja Ziegler angesprochen und die Möglichkeit gegeben, meinen ersten 90-Minüter zu machen. Dabei bin ich dann auch geblieben und habe in der Folge sehr viel Auftragsarbeit gemacht, hauptsächlich Komödien für den Freitagabend in der ARD, aber es waren auch Dramen für den Mittwochabend dabei. Zum Beispiel „Der zweite Blick“ für den NDR. Das war der erste Film, für den ich zusammen mit meinem Mann das Drehbuch geschrieben habe. Ein Lieblingsprojekt von uns, nämlich „Zwei“, haben wir dann für den WDR entwickelt. Der Film war 2017 für den Grimme- Preis nominiert. Das hat uns sehr gefreut!
Parallel dazu haben wir aber schon „Nachts baden“ entwickelt. Durch eine glückliche Fügung habe ich Maria Furtwängler kennengelernt. Die war ganz begeistert von der Rolle der Pola, dadurch ging es dann relativ schnell voran.
Maria Furtwängler habe ich in „Nachts baden“ ja mit dieser Frisur auf Anhieb gar nicht erkannt. Da musste ich zweimal hinsehen.
Wirklich? Wir haben versucht, so selbstverständlich wie möglich die Figur zu entwickeln, damit es nicht verkleidet oder fremd wirkt und ich finde, das ist ganz gut gelungen und sie kommt sehr natürlich rüber. Ich fand es auch ganz toll, dass sie so begeistert war von der Rolle. Sie hatte einfach auch mal Lust, auszubrechen und etwas anderes zu spielen. Und hat sich richtig in diesen Charakter reingegeben, das war beeindruckend. Und glücklicherweise stellte sich heraus, dass sie wirklich fantastisch singen kann! Das war ja auch wichtig.
„Nachts baden“ war nach „Zwei“ Ihr zweiter Film mit dem DoP Florian Emmerich.
Wir hatten bei „Zwei“ wirklich extreme Bedingungen, weil es für diesen 90-Minüter nur 16 Drehtage gab. Wir hatten zwar nur zwei Schauspieler, aber das ist trotzdem ein absoluter Wahnsinn und eine echte Herausforderung. Das haben wir aber gemeinsam richtig gut durchgezogen und es hat sogar noch Spaß gemacht – und das Ergebnis war toll! Wir haben jetzt also zum zweiten Mal zusammengearbeitet, denn wenn es einmal so gut funktioniert: Warum soll man das ändern? Ich würde mir wünschen, immer mit ihm zu drehen!
Was schätzen Sie besonders an seiner Arbeitsweise?
Wir legen wirklich beide großen Wert auf die Vorbereitung. Wenn wir dann am ersten Drehtag an das Set kommen, müssen wir eigentlich gar nicht mehr viel reden. Jeder weiß, was der andere tut und was er will. Florian ist auch mental eine extreme Stütze. Er trägt meinen Druck mit, ist sehr loyal und achtet auf die Stimmung im Team. Wir sind wirklich ein Team und das ist großartig. Das Anstrengendste ist wirklich die Vorbereitungszeit. Dann sitzt man zusammen, wälzt Bildbände, um zum Beispiel ein Farbkonzept zu erstellen. Wohin geht die Reise und wie gehen wir das an? Wie bewegen wir die Kamera, verzichten wir auf einen Dolly und nehmen stattdessen eine Steadicam? Ich will das wirklich alles sehr detailliert im Voraus wissen, weil die Zeit beim Drehen so knapp geworden ist. Am Set will ich mich ganz auf meine Schauspieler konzentrieren. Deswegen ist die Zusammenarbeit mit meinem Kameramann sehr wichtig.
Welches Farbkonzept haben Sie denn verfolgt?
Wir wollten grundsätzlich erst einmal sehr viel mit Blau arbeiten. Ansonsten wollten wir zurückhaltend mit Farben umgehen und nur einzelne starke Akzente mit einer kräftigen Farbe setzen. Mir war auch ganz wichtig, dass man bei den Mallorca-Bildern gar nicht erkennt, dass man auf Mallorca ist. Es gibt ja diese typischen Mallorca-Filme. Dieses Klischee wollten wir unbedingt vermeiden.
Was waren die größten Herausforderungen bei diesem Film?
Technisch gesehen gab es keine allzu schwierigen Herausforderungen. Wir hatten 21 Drehtage und dabei durchgehend zwei Kameras. Dadurch war der zeitliche Druck nicht so schlimm wie bei „Zwei.“ Das Hauptmotiv der „Finca“ wurde auch noch rechtzeitig gefunden, so dass wir die Chance hatten, uns vor Drehbeginn direkt am Motiv mit der Auflösung zu beschäftigen. Von daher lief der Dreh ziemlich glatt und ohne Überraschungen. Langweilig, oder?
Keineswegs. Das ist doch der Traum eines jeden Filmemachers: ein Projekt, bei dem alles glatt läuft!
Wir hatten wirklich Glück bei dieser Produktion. Sogar mit dem Wetter. Genau am Tag, nachdem wir die Finca abgedreht hatten und nach Palma umgezogen waren, fingen im Osten der Insel, wo die Finca lag, diese sehr heftigen Unwetter an! Ein Glück war es auch, dass wir für diesen Film Maria Furtwängler mit an Bord hatten. Sie hat sich sehr stark mit eingebracht und auch für das Projekt gekämpft. Dadurch ging die Finanzierung schneller. Es ja auch wichtig, wenn man so ein Buch entwickelt hat, dass man nicht endlos warten muss, bis man es endlich drehen und realisieren kann.
Haben Sie etwas von Ihren Dokumentarfilmen für die fiktionale Arbeit mitgenommen?
Ich bin krankhaft neugierig. Das ist für den Dokumentarbereich vielleicht ganz gut. Für Premiere habe ich Porträts von großen Persönlichkeiten gemacht. Dafür hatte ich eine damals neue und ungewöhliche Bildsprache entwickelt, mit drei verschiedenen Kameras, Super 8, Hi-8 und DigiBeta. Das war eine neue Entwicklung und ein neues Format, mit dem ich auch für den Grimme-Preis nominiert war. Vor vier Jahren habe ich mal wieder eine Dokumentation gemacht, „Rio Spezial“ für Arte, ganz normal 90 Mi- nuten. Das hat mir wirklich wieder Spaß gemacht. Wir haben da sehr rasch gearbeitet, viel improvisiert. Da muss man sich selbst auch überraschen lassen, und das ist vielleicht eine ganz gute Vorbereitung auf die fiktionale Arbeit. Man weiß, man kann improvisieren, selbst wenn ich im fiktionalen Bereich wie gesagt eine genaue Vorbereitung bevorzuge. Bei der Arbeit mit den Schauspielern habe ich den Anspruch, dass Figuren möglichst authentisch rüberkommen sollen. Ich probe viel mit ihnen, aber ich bemühe mich, ihnen Raum zu geben. Eine Plattform, wo sie sich bewegen können. Ich möchte, dass die Inszenierung leichthändig wirkt. Das ist vielleicht auch etwas, wo man von der dokumentarischen Erfahrung profitieren kann.
Im Dokumentarbereich haben Sie ja auch den Schritt von der Assistenz ins Regiefach gemacht.
Rudi Clausnitzer, der die Eigenproduktionen von Premiere aufbaute, wollte mich ursprünglich als Regieassistentin für ein Projekt haben. Zu dem Zeitpunkt wussten sie aber noch gar nicht, wer Regie führen sollte. Ich hatte also zunächst abgesagt, aber ich hatte mich lange mit Rudi Clausnitzer unterhalten und gut mit ihm verstanden. Am nächsten Tag rief er mich an und hat mir die Regie ange- boten. Dafür habe ich gar nicht kämpfen müssen.
Das war für eine erfolgreiche weibliche Filmemacherin in der damaligen Männerdomäne sicher die Ausnahme.
Ja, das ist wirklich so. Als ich bei der „Roten Meile“ angefangen habe, da war ich die einzige Frau. Selbst bei „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“ war das so. Ich fand das schon schwierig. Man wurde am Set häufig vom Team „getestet.“ Was sie so draufhat. Das spürte man sehr deutlich. Aber da habe ich mich dann immer durchgesetzt. Ich kann ziemlich resolut sein. Bei der Auftragsarbeit hieß es auch immer na ja, die Zeller, das ist ja eine Frau, die macht halt die Familienthemen. Das fand ich schon mühsam. Es ist toll, was sich da inzwischen bewegt hat und dass die jungen Frauen heute ganz andere Möglichkeiten haben, als ich das damals hatte.
Was genau war anstrengend und mühsam?
Das kann ich gar nicht so konkret beschreiben. Es ist ein- fach so, dass man natürlich auch für andere Themen gekämpft hat oder auch einmal etwas anderes umsetzen wollte, aber letztendlich immer nur in einer bestimmten Schublade war. Und das ist natürlich schade, denn so sieht ja dann auch irgendwann die Vita aus. Dann hat man seinen Stempel: die leichte Unterhaltung oder so. Und dann blieb mir eigentlich nur noch die Alternative zu sagen: Wir entwickeln jetzt selbst etwas! Ich habe mich da mit meinem Mann an meiner Seite mit ganz viel Kraftaufwand herausgeboxt. Das ist einfach so. Es kommt keiner auf die Idee zu sagen, die Zeller hat jetzt 15 Filme gemacht, die kann jetzt auch mal dies oder jenes machen. Das ist mir nicht begegnet. Ich habe mir wirklich alles hart erkämpft.
Bemerken Sie da einen Wandel?
Absolut. Das merke ich zwar bei mir selbst nicht, aber ich bekomme das ja mit und freue mich darüber. Ich finde toll, was die jungen Regisseurinnen jetzt für Möglichkeiten haben und dass es diese Diskussion überhaupt gibt. Dass Frauen mitunter genauso toll sind wie ihre männlichen Kollegen.
Aber das ist ja eigentlich gar nicht die Frage.
Nein, eben, das ist gar nicht die Frage. Aber die stand doch trotzdem immer im Raum. Manches wurde den Regisseurinnen doch eher nicht so zugetraut. Mal einen Krimi zu machen oder einen Tatort. Es geht um die Möglichkeiten. Gibt es diese Möglichkeiten, werden solche Projekte an einen herangetragen – oder eben nicht? [9828]