Hinter den Kulissen beim Streaming-Sender Rocket Beans TV
von Redaktion,
In unserer Ausgabe 12/2017 besuchten wir den Hamburger Streaming-Sender Rocket Beans TV. Der Sender streamt 24/7 ins Netz und stellt dabei Interaktivität und Teamwork in den Mittelpunkt.
SENDETECHNIK FROM SCRATCH
Zusätzlich gibt es eine PMW-200, die manchmal als siebte Studiokamera fungiert sowie für Außeneinsätze eine Canon 5D, eine Canon Cinema EOS C100 und eine Sony FS5. Diese Geräte können von Redakteuren und Moderatoren ausgeliehen werden, um damit MAZen zu produzieren. Technikpartner für Kameras und alles drumherum ist der Hamburger AV-Partner VideoData. Hier findet auch die Wartung statt.
Petrescu ist mittlerweile am Ende des Morning Calls angelangt. Der heutige Tag ist voll. Die Dispo zeugt davon, gelbe Einträge für Voraufzeichnungen, Live-on-Tape, rote Einträge für Live-Sendungen, Graues steht für Aufbau. Die heutige Dispo sagt auch, dass heute Timo Bornheim am Bildmischer sitzt, auch bei den späteren Voraufzeichnungen “Kino+” und “Almost Daily”.
Gleich um 10:30 Uhr läuft das Talk- Format “MoinMoin” mit Moderator Etienne Gardé, einem der Ur-Gründer, deren Vor- und Spitznamen das Wort B.E.A.N.S. ergeben, nämlich Budi, Etienne, Arno, Nils und Simon. Arno ist der Geschäftsführer, die vier anderen sind Gesellschafter und moderieren teilweise seit Zeiten des Senders GIGA zusammen.
Max Zelass baute die Sendetechnik auf. Alles fing 2014 an mit einem Blackmagic-Design-Bildmischer und einem Mischpult. Die Desktoprechner für die Streams zu Youtube und Twitch plus deren Back-Up standen im heutigen Serverraum auf einem Tisch. “Es ist immer mehr Technik angeschafft worden, gerade aus dem Blackmagic Ökosystem”, erklärt Zelass. Als schließlich die Technik sich zu stapeln begann, bekam der Raum zwei schöne Serverrack- Türme und etwas mehr Struktur. Hier sitzen jetzt in Reih’ und Glied ATEM 2 MVE Production Switcher, ATEM 1 MVE Production Studio 4K und Blackmagic Design Universal Videohub.
Die Videostrecken laufen über SDI und sind durch alle Räume und Studios hindurch selbst verlegt. Allein die Strecke vom Serverraum in der Nummer 11 ins Studio in der 9 sind 80 Meter! “Die Bildmischer sind per Netzwerk miteinander gekoppelt, um auch mit Automatisierungen reingreifen zu können”, sagt Zelass. Das System wurde größtenteils von ihm programmiert und ist daher offen für Tweakings, die spontan für neue Projekte gemacht werden müssen. Alles im Haus läuft auf einer Kreuzschiene im Video-Hub zusammen, um alles im Haus, Monitore in der Deko oder in den Studios zur Bildüberwachung, auch mit jedem Signal versorgen zu können. Der Ton läuft jeweils über Funkstrecken per XLR auf eine Studiobox in den einzelnen Studios zusammen und wird von dort gebündelt per Netzwerk in die Regie geschickt.
25P VERSUS 60P
Rocket Beans TV entsprang der Redaktion hinter dem Format “Game One”. Der Schwerpunkt blieb. Viele der heutigen Formate beschäftigen sich mit Videospielen. Hier tritt ein Problem auf, das vermutlich nur wenige TV-Sender kennen. Das Sendeformat der Rocket Beans ist Full HD 1080 bei 25p. Videospiele jedoch haben teilweise dramatisch höhere Frameraten. Von den Gaming-PCs oder Konsolen wird das Signal per HDMI-Konverter abgegriffen.
Auch dann ist noch nicht sicher, ob auch etwas Brauchbares in der Regie ankommt. Die Konverter liefern höchst unterschiedliche Ergebnisse. Der Teuerste ist nicht immer der Beste. “Wir müssten eigentlich in 60p senden, um an einen Bildeindruck heranzukommen, wie die Spieler ihn von zuhause kennen”, sagt Max Zelass. Der Großteil der Sendetechnik ist aktuell auf 25p ausgerichtet. Zwar wird jedes neue Teil schon mit dem Hinter gedanken ausgewählt, nach und nach auf eine 60p-Infrastruktur umzurüsten. Doch das dauert.
Mittlerweile hat Etienne Gardé seine „MoinMoin“-Stunde hinter sich gebracht und sitzt auf dem “Kino+”-Sofa. Gleich findet die Voraufzeichnung der Sendung statt. Mit Kino+-Moderator Daniel Schröckert geht er noch mal die Themen durch. Im Hintergund verdecken die Kollegen das Fenster mit der formateigenen Leinwand.
Formate brauchen bei den Rocket Beans nicht lange, um auf den Sender zu finden. Das ist ein großer Vorteil der flachen Hierarchien. Es ist nicht selten so, dass Ideen auf dem Flur angestoßen werden. Zu den ersten, die dann zum Kick-Off-Meeting geholt werden, gehören Max Zelass und Timo Bornheim, aber auch Kollegen aus dem Szenenbild oder der Redaktion. Am Anfang stehen oft Fragen, ob etwas technisch funktionieren würde. Häufig ist das zu Beginn noch nicht klar. Immer jedoch herrscht die Einstellung: “Probieren wir’s!”
So auch beim “Chatduell”. Die Prämisse der Quizshow ist der des legendären “Familienduells” auf RTL ähnlich. Die zwei dreiköpfigen Rateteams müssen schätzen, was das Publikum zu bestimmten Fragen geantwortet haben könnte. Der Clou ist, dass die Rocket-Beans-Community live während der Sendung befragt wird. Die Ergebnisse werden dann ich Echtzeit erfasst und mit einem Versatz von etwa zwei Minuten, für Auswertung und Aufbereitung, in die Sendung gespielt.
INTERAKTIVITÄT
Hier kommt ein Trumpf zum Tragen, der die Rocket Beans von linearen Fernsehangeboten deutlich absetzt: die Interaktivität! Der Chatstream begleitet jede Sendung, Abstimmungen können live und in Echtzeit zu den Machern der Sendung zurückflie.en. Das geht soweit, dass schon Moderatoren mit Kamerateam zum Einkaufen geschickt wurden und die Zuschauer live über die Backzutaten abstimmen konnten.
Wichtig ist dem Team dabei, dass diese Interaktivität organisch in die Sendung einfließt. Sie darf weder nerven, noch für Längen sorgen, weil alle auf den Computer warten. Timo Bornheim beobachtet in der Community zwei Einstellungen: die einen sagen, cool, da mache ich mit, die anderen möchten einfach nur die Sendung gucken. Beides ist beim “Chatduell” möglich.
Auch das Anschauen der Sendung in der Mediathek ist später möglich – auch wenn der Zuschauer dann nicht mehr mitmachen kann. Da mittlerweile nur noch knapp eine halbe Stunde vergeht, bis eine Live-Sendung nach der Ausstrahlung verfügbar ist, beginnt sich die Nutzung vom Livestream auf das Video-on-Demand zu verlagern. Doch die Rocket Beans wollen Anreize schaffen, damit der Stream live gesehen wird. Denn die Qualität und das Innovationspotential ihrer Live-Produktionen ist ihr Alleinstellungsmerkmal, gegenüber anderen Content-Produzenten auf Youtube und dem linearen TV.
So entstehen neue Formate, die diese Interaktivität nutzen, wie der “Final Table”, eine Pokerrunde mit eigens dafür gebautem Pokertisch. In diesen wurden 8 GoPro-Kameras eingelassen. Die Spielkarten haben RFID-Chips, in den Tisch wurden Antennen verbaut. So gehen die Informationen über die Karten der Spieler direkt an den Rechner in der Regie und können eingeblendet werden. Auch hier können die Zuschauer zwischen dem kommentierten Stream und der reinen Pokerrunde wählen, sowie selbst Chips auf ihre Favoriten setzen.
So offen, wie das Team für solche neuen Ideen ist, so offen muss auch das System sein. Viel von den Anwendungen und der Infrastruktur wurde von Zelass programmiert. Es gibt Schnittstellen, um anzudocken. So etwas wäre in geschlossenen Systemen bei klassischen TVSendern nicht möglich. In Zukunft will Zelass noch mehr Inhalte von sozialen Medien in den Sendeablauf integrieren. “Wir haben mitgekriegt, dass durch unsere Aktivitäten in Social Media – mit Instagram-Stories und so weiter – unsere Zuschauer das Gefühl haben, uns dort viel näher zu sein”, so Max Zelass. Diese Nähe aber will das Team auf dem Sender herstellen. Wie genau das aussehen wird, wird gerade entwickelt.
Am späten Nachmittag tauscht die Schicht in der Regie durch. Eine weitere Voraufzeichnung ist gerade über die Bühne gegangen. Um 22 Uhr steht noch eine Live-Sendung an “Wir müssen reden”. Die Gänge leeren sich ein wenig. Was nicht heißt, dass nicht vielleicht irgendwo eine neue Idee ausbaldowert wird, die schon im nächsten Monat auf Sendung geht.
Hallo,
wieso ist das Sendeformat von Rocketbeans eigentlich in 25fps ?
Die meisten Geräte mit denen es geschaut wird (PC-Monitore, Tablets, Smartphones) laufen doch auf 60hz. Also würden doch 30 fps besser sein um ein ungraden Pull Down zu vermeiden?
Hallo,
wieso ist das Sendeformat von Rocketbeans eigentlich in 25fps ?
Die meisten Geräte mit denen es geschaut wird (PC-Monitore, Tablets, Smartphones) laufen doch auf 60hz. Also würden doch 30 fps besser sein um ein ungraden Pull Down zu vermeiden?