Interview mit Team von Kurzfilm „Escaping Damascus“
von Redaktion,
Der Erstjahresfilm „Escaping Damascus“ entstand an der Filmakademie Baden-Württemberg. Der 13-Minüter erzählt von zwei Brüdern, die aus der syrischen Stadt fliehen. In seiner sehr subjektiven Darstellung der Spannungen in dem kleinen Raum entwickelt der Film eine starke Intensität. Aktuell nimmt er am LaCie-Push&Play-Contest teil, wo für ihn abgestimmt werden kann. Wir sprachen mit Regisseur und Autor Lorenz Piehl sowie Kameramann Dominik Moos über die Dreharbeiten.
Wie war Euer Weg an die Filmakademie Baden-Württemberg?
Dominik Moos: Ich war nach einem Volontariat und einem abgeschlossenen Medienproduktions-Studium für ein Jahr in Kalifornien. Ich hatte zwar schon immer nebenher als freier Kameramann gearbeitet, aber die amerikanische Begeisterung Filme zu produzieren, hat mich so überwältigt, dass ich mich anschließend an der Filmakademie beworben habe, um die selbe Begeisterung zu erleben.
Lorenz Piehl: Ein spiritueller Tänzer in Alaska auf hat mich zum Film gebracht. Kein Scherz. Ich bin 2008 nach Alaska wegen dem Film „Into the Wild“. Wegen einem Film, bis ans Ende der Welt. Schon verrückt, was so ein Film auslösen kann. Das wollte ich auch! Als ich von meinem Trip zurück kam, wusste ich, dass ich jetzt erstmal lernen muss, was Film alles sein kann. Daher dann erstmal eine Ausbildung zum Mediengestalter bei der ariane-film in Leipzig. Aber ich wollte ja in erste Linie selbst Geschichten erzählen und daher der Plan anschließend Regie zu studieren. Dann habe ich meinen ersten Kurzfilm gemacht und wurde damit auch direkt an der Filmakademie angenommen. Das war natürlich alles sehr viel aufwändiger. Aber dass es beim ersten Versuch direkt geklappt hat, lag wohl daran, dass ich allen klar gemacht habe, dass ich es unbedingt will. Und zwar jetzt.
Wie habt Ihr Euch dort getroffen und kennengelernt?
Lorenz Piehl: Wir fanden unsere Bewerbungsfilme gegenseitig cool. Es sind beides sehr stimmungsvolle Filme. Die Entscheidungen der Bildgestaltung, wie auch die des Storytellings lagen in beiden Filmen dicht beieinander. Wir haben also anhand unserer Filme gewusst, dass wir uns verstehen werden. Naja und studieren in Ludwigsburg, dass ist wie in einer großen WG wohnen. Dass man sehr viel Zeit gemeinsam verbringt, ist klar. So haben wir super schnell zueinander gefunden. Gleichgesinnte im schwäbischen Exil.
Wie kam es zur Idee von „Escaping Damascus“? Gab es einen persönlichen Bezug?
Lorenz Piehl: Ich hatte bereits zwei TV-Beiträge zum Thema Flucht aus Syrien gemacht. Stand im engen Austausch mit einem syrischen Künstler, der politisch verfolgt wurde. Kannte also die Schicksale aus erster Hand und die Relevanz des Themas stieg ab 2013 immer schneller. Mir war klar, dass noch viele, viele Schlagzeilen folgen werden, die aus den schrecklichen Schicksalen unschuldiger Menschen, unmenschliche Zahlenmassen machen würden. „Escaping Damascus“ sollte mit dem klassischen Erzählen in Filmen brechen und dich als Zuschauer daran erinnern, dass du selbst emotional in dieser Situation steckst, in der geflohene Menschen waren und immer noch sind.
Jetzt ist es aber so, dass der Rahmen des ersten Studienjahres vorgibt, dass wir in einer Studiowohnung drehen müssen. Das ist natürlich schwierig bei so einer Idee. Als wir dann gemeinsam über eine erste Filmidee sprachen, entstand die Umsetzungsidee einer Raum im Raum Lösung. Deshalb haben wir schließlich einen Anhänger ins Studio gerollt.
Lorenz, wie hast Du Dich auf den Dreh vorbereitet? Die Situation an sich?
Lorenz Piehl: Ramo Ali und Rezan Ferman hatten bereits vor ihrer Flucht gemeinsam am Theater in Syrien gespielt. Die Vorbereitung bestand für mich vor allem aus Gesprächen und dem Überprüfen, wie tief ich in die erlebten Gefühle eindringen darf. Für mich war das als unerfahrener Regisseur eine Herausforderung. Einerseits ein Team mit einer Vision zu leiten und gleichzeitig die echten Menschen, hinter den Figuren des Buches am Set zu haben. Mein Respekt vor den, zum Teil noch unausgesprochenen Erlebnissen meiner Darsteller, war sehr groß. Zumal sie sich am Set zum ersten Mal nach einer Ewigkeit wieder gesehen haben. Die Geflohenen einen gesamten Tag in einen Anhänger zu stecken und ihre Vergangenheit zu spielen – dass habe ich oft hinterfragt und natürlich auch uns, als die dafür verantwortlichen Filmemacher. Die gesamte Crew war am Drehtag sehr ruhig und besonders respektvoll. Es war eine beeindruckende Stimmung. Ich glaube, deshalb ist es ein so intensiver Film geworden.
Dominik, wie hast Du Dich vorbereitet? Hattest Du ein klares gestalterisches Konzept? Wie hast du auf die räumliche Situation vor Ort reagiert, wie diese beleuchtet?
Dominik Moos: Gemeinsam mit Robin Jünkersfeld, der mich im Kameradepartment unterstützt hat, stellte ich mich der größten Herausforderung, nämlich, dass man dem Zuschauer das Gefühl gibt, dass unsere Kulisse tatsächlich in der Wüste fährt. Durch mehrfache Tests mit einer alten LKW-Plane im Klassenraum haben wir schnell herausgefunden, dass durch das Wackeln an der Plane und ein paar Soundeffekten, der Plan schon relativ gut aufgeht.
Die nächste Frage war dann, wie bekommen wir in diesen Wagen Licht. Ich hab dann überlegt, wie es aussehen würde, wenn man wirklich in der Wüste unterwegs wäre. Im Wagen wäre nur Licht, wenn die Plane locker wäre und hin und wieder Licht, reflektiert durch den Wüstenboden hineinfallen würde. Deshalb habe ich den Wüstenboden mit Nesselstoff simuliert und über Schlitze in der Plane hinein gebounced. Die Plane ist beweglich, so konnten wir das Licht regulieren und durch verschiedene Öffnungen sehr kontrolliert gestalten. So brauchte ich am Set circa sechs Beleuchter, die während des Takes zuständig waren die Plane zu öffnen, zu schließen und an dem Wagen zu wackeln. Wahrscheinlich hätte es da noch einfachere Möglichkeiten gegeben, aber diese Lösung hat den Eindruck zu Fahren am besten verstärkt.
Auf welcher Kamera habt ihr gedreht und welche Objektive habt Ihr genutzt?
Dominik Moos: Gedreht habe ich auf der Sony F3, aufgenommen auf einem AJA Ki Pro Mini, da wir ProRes 4:2:2 erhalten wollten. Auf der Kamera waren Zeiss Compact Primes CP2 mit einem Black Pro-Mist und Glimmer Filter, um ein staubigeres Wüstengefühl zu erzeugen.
Vielleicht ist noch kurz zu erwähnen, dass die eine Außenaufnahme durch den Schlitz auf eine Rückprojektion geschossen ist. Das Material, das zu sehen ist, sind Urlaubsaufnahmen von Lorenz aus Nevada.
Wie war die Situation mit den Schauspielern, die ja Fluchthintergründe haben. Gab es Situationen, die eine Drehunterbrechung, ein Auffangen der Emotionen erforderten?
Lorenz Piehl: Ramo Ali konnte schon gut deutsch und hat so neben der Hauptrolle auch noch den Dolmetscher gegeben. So sind möglicherweise hin und wieder Komplikationen in der Verständigung entstanden. Insgesamt lief das aber sehr gut. Außer einmal, da mussten wir einen Take abbrechen. Es war in der Szene, als der Bruder stirbt. Als wir Abbruch gerufen haben, blickte Ramo zu uns und der Blick schmerzte so sehr. Kann man gar nicht beschreiben wie sehr. Jedenfalls wollten wir uns gleich dafür entschuldigen, dass wir abbrechen mussten. Was natürlich Quatsch ist. Es waren also, wie du dir denken kannst, sehr viele echte Emotionen am Set. Auffangen konnten das zum Glück die Crew und auch die anderen Schauspieler. Wir beide hingen eigentlich den ganzen Tag im Anhänger, bei wenig Licht, wenig Sauerstoff, Hitze und einer Menge Heilerde in der Luft rum. Also Method Acting für uns beide. Was sich aber fair anfühlte, für das was wir abverlangten.
Das heißt, ihr wart auch beide die gesamte Zeit im „Lastwagen“ drin. Wie genau habt Ihr den Aufbau der Ladefläche und das Fahrgefühl denn gelöst?
Lorenz Piehl: Wie schon erwähnt, haben wir in einem Anhänger gedreht. Über Rütteln, Anheben und Fallenlassen der Deichsel haben wir versucht, so gut es geht, die Anfahrt und Fahrt zu simulieren. Im Laufe des Tages hat sich allerdings gezeigt, dass die Kameraarbeit selbst den Eindruck der Fahrt verstärken muss. Zum Beispiel setzten sich erst die Schauspieler synchron in Bewegung und dann mit einer kleinen Verzögerung die Kamera.
Welche Postproduction-Workflows gab es? In welcher Zeit musste die Post erfolgen? Das ist ja traditionell knapp bei Erstjahresfilmen.
Lorenz Piehl: Wir hatten wirklich wenig Zeit für die gesamte Produktion. Das ist aber auch gut, da wir deshalb nur das Wesentliche machen konnten. Jan Robin Weiland, der als technischer Regisseur am Set und damit Bindeglied zwischen Regie und Kamera agierte, hatte den Film in einer Woche geschnitten. Kurz darauf entstand in wenigen Tagen das Sounddesign und schließlich hat Robin Jünkersfeld den Film dann noch coloriert.
Welche Festivals hat „Escaping Damascus“ schon besucht? Und was bedeutet der LaCie-Contest jetzt für Euch?
Das unser kleiner Film aus dem ersten Studienjahr seine Premiere in Hof 2014 feiern durfte war krass. Anschließend hatten wir uns dadurch Großes erhofft. Die erwartete Resonanz blieb aber leider aus. Letztes Jahr fragte mich dann das Göthe Institut in Rom, ob sie den Film zeigen können, was uns alle sehr gefreut hat. Naja und schließlich erfuhr ich von dem LaCie-Contest und dachte mir, warum nicht. Kann man ja nichts verlieren.
Dass wir jetzt in die Top20 gekommen sind ist natürlich super geil. Mit so einem Wettbewerb generiert sich neue Aufmerksamkeit einerseits für den Film und andererseits für das angesprochene Thema. Wenn wir das gewinnen sollten, wäre das echt der Hammer. Natürlich kann jeder so tolles Equipment gebrauchen. Das ist ja mal klar. Für den Fall dass ich gewinne würde ich gern etwas zurückgeben und mit dem gewonnenen Equipment einen tollen Spot für eine soziale Einrichtung oder eine gemeinnützige Organisation produzieren. Aber in erster Linie sehe ich es als Chance, um meinen ersten Kinofilm, was gleichzeitig mein Abschlussfilm an der Filmakademie sein wird, zu realisieren. Der Film soll 2019 in Europa gedreht werden.
Es geht um eine menschenähnliche Spezies auf einem riesigen fremden Planeten, die wie ein Phönix ständig wieder-geboren wird, sich allerdings nie an das Leben davor erinnern kann. Dies haben sich ihre Widersacher zu Nutzen gemacht, zumal die Träne des Phönix alle Wunden heilt und deshalb sowieso jagt auf sie gemacht wird. Deshalb leben sie wie Beduinen, versteckt in den sandigen Bergen einer riesigen Wüste. Trotz vieler Gefahren und dem Unbekannten begibt sich die Hauptfigur auf die Suche nach seiner verstorbenen Frau und beginnt ein spannendes, actiongeladenes und oft skurriles Fantasy-Abenteuer.
Ich werde das wahrscheinlich ab jetzt bis zur Premiere hören müssen, daher nehme ich das schonmal vorweg. Ja, es ist sehr ambitioniert, aber bis 2019 ist noch viel Zeit!