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Produktion zu "Nur ein Augenblick"

Kameramann Sören Schulz dreht Syrien in Deutschland

Randa Chahoud hat sich mit „Ijon Tichy – Raumpilot“ sowie der Serie „Bruder – Schwarze Macht“ einen Namen gemacht. Demnächst übernimmt sie gemeinsam mit Soleen Yusef die Regie für die dritte Staffel der Spionage-Serie „Deutschland 89″. Gemeinsam mit Kameramann Sören Schulz hat sie für „Nur ein Augenblick“ in Deutschland den syrischen Bürgerkrieg nachgestellt. Wir haben über das Projekt für unser Heft 7-8/2019 berichtet.

Foto: Noah Hähnel

Bei der Kamera entschied sich Schulz für eine ALEXA Mini mit einem Cooke-S4-Satz, gelegentlich gemischt mit einem ARRI-Alura-Zoom und zwei Optimos von Angénieux. „Ursprünglich wollte ich mehr mit zwei Kameras drehen“, erzählt Schulz, letztendlich wurden es dann aber nur vier Tage. An den anderen schwenkte meist Operator Conrad Lobst, mit dem Schulz über Bluetooth in Kontakt stand. „Die Kampfszenen waren durchchoreografiert – aber meistens Handkamera“, sagt Schulz: „Es gibt auch viele Dolly-Fahrten an anderen Stellen des Films. Generell ist die Kamera oft in Bewegung.“ Etwa ein Drittel des Films spielt in Syrien, doch dieses „Syrien“ befand sich komplett in Deutschland: In Ham-burg, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Nur für eineinhalb Tage reiste die Regisseurin mit Camera Operator Conrad Lobst und Hauptdarsteller Mehdi Meskar für einen dokumentarischen Dreh in den Süden der Türkei. Hauptfigur Karim verlässt in diesen Szenen den Flughafen in Antalya, läuft durch Stadt und die Berge, bis er schließlich an ein Café gelangt. „Die Locations in der Türkei haben Sören und ich über Google Maps gesucht“, erzählt Chahoud. Ein türkischer Produktionsleiter koordinierte den Dreh. „Wir wollten, dass man einmal die Landschaft und die ganzen türkischsprachigen Schilder sieht.“ Chahoud, die ja selbst Kamerafrau ist, und Lobst drehten jeweils mit einer Kamera, wegen der kleinen Größe fiel die Wahl auf zwei Panasonic GH5 in 4K. „Die GH5 lässt sich auch gut mit der ALEXA des Hauptdrehs kombinieren“, sagt Schulz. Nach langen Überlegungen entschied sich die Regisseurin noch für einen Establisher aus Stock-Footage für den An-fang des Films: „Wir müssen zeigen, wo wir uns befinden. Und wie eine normale, syrische Großstadt vor dem Krieg so aussah.“

Foto: Kathleen Zellmann

SYRIEN IN DEUTSCHLAND
Ansonsten wurde „Syrien AUSSEN“ hauptsächlich am Truppenübungsplatz Altengrabow in Sachsen-Anhalt gedreht. Randa Chahoud war vom großen Engagement der Bundeswehr als Motivgeber sehr überrascht, zehn Tage drehten sie dort: „Ich hatte Angst, dass die Bundeswehr den Stoff inhaltlich nicht gut findet. Aber jetzt bin ich überzeugt, die unterstützen jeden Film, der Krieg als etwas Schreckliches zeigt.“ In einer früheren sowjetischen Kaserne entstand das Hauptquartier der Rebellen, acht Handwerker der Bau-Crew bereiteten dort drei Wochen vor. „Die Elektriker der Bundeswehr unterstützten uns in beträchtlichem Maße“, erzählt Szenenbildnerin Juliane Friedrich. „Die halfen uns sogar mit der Grundverkabelung.“ Der DoP betont: „Wir hatten ja immer das Vertrauen, dass wir den syrischen Bürgerkrieg in Deutschland erzählen können – aber für das Szenenbild war das natürlich eine große Aufgabe!“ „Wenn man anfängt, nach diesen Lost Spaces zu suchen, findet man eine ganze Menge“, erzählt die Regisseurin: „Wir mussten den Punkt finden zwischen dem, wie Syrien wirklich ist – und dem, was der Zuschauer von uns erwartet. Mit dem Konzept haben wir versucht wahrhaftig zu sein.“ Und das ist kein leichtes Unterfangen, wie die Regisseurin an folgender Szene erklärt: Zu Anfang des Films gibt es ein kleines Untergrund-Konzert im Restaurant von Karims Eltern in Syrien. Der 3. Regieassistent und der Dialogcoach Sulaiman Tadmory ist erst während des Krieges geflohen und hatte die Regisseurin während des Drehs beraten. Kostümbildnerin Katrin Aschendorf wollte wissen, ob die Frauen Kopftuch tragen. „Sulaiman meinte: Auf gar keinen Fall läuft da jemand mit Kopftuch rum“, erzählt Chahoud: „Aber das würde uns niemand glauben.“ Letztendlich tragen so zwei der Komparsinnen im Hintergrund Kopftuch.

DRAMA UND HUMOR
Für Randa Chahoud ist „Nur ein Augenblick“ eine „absolute Herzensangelegenheit“. Als Tochter eines Syrers und einer deutschen Politikwissenschaftlerin beschäftigt sie sich seit Ausbruch des Bürgerkriegs immer wieder mit dem Thema Gewalt und recherchierte innerhalb ihrer Familie, bei hochrangigen Oppositionellen, langjährigen politischen Gefangenen, Mitgliedern der Syrischen Befreiungsarmee und auch Verfechtern der Assad-Regierung. „Der Film kann und soll nicht den Syrienkrieg erklären“, betont die Regisseurin: „Aber ich möchte zeigen, wie nah wir jemandem sein können, der nicht anders ist als wir – und trotzdem viel Blut an den Händen hat.“ Das wirkt auf den ersten Blick wie eine große Tragödie, trotzdem findet Chahoud für ihren Film auch leichtere Momente. „Ich versuche immer einen Kontrast zum Düsteren herzustellen“, sagt die Regisseurin, also tragen Karims Eltern beispielsweise in schwierigen Momenten ihre Ehekonflikte aus. Das passt für Chahoud auch durchaus zur Geschichte: „Von den Syrern, die ich kenne, lässt sich keiner den Humor nehmen. Der Humor stirbt zuletzt.“

Hier können Sie nachlesen, wie Szenenbildnerin Juliane Friedrich auf einem deutschen Truppenübungsplatz die Eindrücke des syrischen Bürgerkrieges kreieren konnte.

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