Anzeige
Anzeige
65.000 Arbeitsschritte

Live-Action-Dreh “Loving Vincent”

Hier der zweite Teil zum Biopic “Loving Vincent”, der ab dem 28. Dezember im Kino zu sehen ist. Für unsere Ausgabe 1-2/2018 sprach Gisela Wehrl mit dem Team hinter der aufwendigen Produktion.

Die Gemälde- Animatoren an den eigens gebauten Tricktischen, genannt PAWS (Panting Animation Work Stations).
Die Gemälde- Animatoren an den eigens gebauten Tricktischen, genannt PAWS (Panting Animation Work Stations). (Bild: Foto: Loving Vincent Ltd./Weltkino)

LIVE-ACTION-DREH

Bevor das Drehbuch allerdings animiert wurde, wurde es von realen Schauspielern in einem Live-Action-Dreh dargestellt. Obwohl diese Aufnahmen im Film gar nicht vorkamen,waren die Schauspieler voll kostümiert: “Ich glaube, dass Kostüme die Wahrheit einer Zeit transportieren, selbst, wenn sie dem Animationsfilm dienen”, betonte die Kostümbildnerin Dorota Roqueplo. Die Schauspieler agierten dann entweder in Sets, die speziell nach den Gemälden nachgebaut worden waren, oder vor Green- beziehungsweise Bluescreen.

Dabei machte van Goghs Malstil die Arbeit des Teams nicht einfach. “Was wir drehen, ist physikalisch korrekt, denn wir benutzen schließlich reale Kameras und einen realen Raum”, beschrieb es Krzysztof Hrycak, Visual Effects Producer, während des Drehs: “Aber in Vincents Gemälden gibt es keine wirkliche Perspektive, daher mussten wir immer antizipieren, wie jetzt die Distanz zwischen zwei Personen sein könnte und die reale Größe der gemalten Objekte.” Die Kamera bei den Realdrehs in den Londoner 3 Mills Studios und im CETA Studio in Breslau übernahmen Lukasz Žal (“Ida”) sowie Tristan Oliver (“Chicken Run”).

Van Gogh porträtierte Marguerite Gachet, hier gespielt von Saoirse Ronan.
Van Gogh porträtierte Marguerite Gachet, hier gespielt von Saoirse Ronan. (Bild: Foto: Loving Vincent Ltd./Weltkino)

ÖL AUF LEINWAND

Da der Live-Action-Dreh als Grundlage für die Animation dient, drängt sich der Vergleich zu einer weiteren Animationstechnik auf, der Rotoskopie. Das Verfahren bei “Loving Vincent” war aber grundsätzlich anders, erzählt Welchman, auch, wenn die Schwarz-Weiß-Aufnahmen manchmal fast wie Rotoskopien wirken: “Das liegt aber daran, dass unsere Animationen so großartig waren. Generell hatten sie aber nichts, was sie einfach kopieren konnten.” Zwar gab es zunächst die Idee mit Öl auf Glas zu malen, die Oberfläche eigne sich aber nicht dafür.

So war für Kobiela und Welchman schnell klar, dass der Film auf Leinwand gemalt werden muss. “Und durch eine Leinwand kann man nicht hindurchsehen”, sagt Welchman: “Unsere Animatoren sahen die Szenen zwar vor ihnen auf einem Bildschirm, aber mussten sie in van Goghs Stil auf der Leinwand neu erfinden.” Dabei half zwar Tracking-Software, aber nur im Sinne einer gewöhnlichen Animationstechnik. “Selbst wenn das, was die Zuschauer schlussendlich auf der Leinwand sehen, 65.000 Fotografien von 65.000 Gemälden sind, sind sehr viele andere Techniken und Technologien in deren Vorbereitung geflossen”, betont Welchman. So benutzte das Team auf Grundlage des Realdrehs 2D- und 3D-Animationen, um Referenzmaterial für die finalen Animationen herzustellen.

Dieses Referenzmaterial nutzten die 125 speziell ausgebildeten Gemälde-Animatoren, um das jeweils erste Frame der Einstellung in dem vorgegebenen Stil in Bezug auf Pinselstrich, Farbe oder Farbauftrag auf der Leinwand zu übermalen und nach und nach zu animieren. Für diese Arbeit entwickelte die Produktionsfirma BreakThru Films, Firmengründer ist Regisseur Welchman, eine eigene Art von Tricktischen, die “Painting Animation Work Stations” (PAWS).

Adeline Ravoux, verkörpert von Eleanor Tomlinson.
Adeline Ravoux, verkörpert von Eleanor Tomlinson. (Bild: Foto: Loving Vincent Ltd./Weltkino)

Diese Arbeitsstationen verfügen über Monitore, auf denen sich die Maler das Referenzmaterial ansehen können. Licht- und Kameratechnik sind fest installiert, so dass sich die Künstler voll auf die Animationen konzentrieren konnten. Zudem gewährleisteten die PAWS die Einheitlichkeit der Aufnahmen, da die Produktion in drei unterschiedlichen Studios durchgeführt worden ist, in Danzig und Breslau in Polen sowie in Athen in Griechenland. Im Anschluss mussten lediglich einige Korrekturen vorgenommen werden, um beispielsweise das Flackern zu entfernen, das durch die Temperaturveränderungen der Glühlampen während der Aufnahmen entstanden war.

“Ich glaube, dass Filmemacher heute viel mehr Optionen haben, wie sie Techniken kombinieren können”, sagt Welchman. Der sieht aber leider eine Tendenz darin, dass Neuerungen wie 3D-Technologie scheinbar alles in der Filmindustrie verändern: “Dann fängt jeder an, Filme nur noch in einem Stil zu machen und vergisst all die anderen Möglichkeiten. Als Filmemacher sollten wir uns immer wieder herausfordern.” Und Kobiela ergänzt: “Es ist sinnlos, bestimmte Dinge zu wiederholen. Aber du kannst ein ganz altes Medium eben wie das Ölgemälde in einem ganz neuen Kontext benutzen.” Leider kann man im Anschluss an den Kinobesuch von “Loving Vincent” nun kein Museum besichtigen, das all diese 65.000 Ölgemälde nun einzeln ausstellen würde.

[3412]

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.