Während der Dreharbeiten zu dem Actionfilm “Stratton” ergaben sich für das Kamerateam rund um DoP Felix Wiedemann einige Herausforderungen. Wieso der Kameramann auf ProRes anstatt auf ARRIRAW drehte und welchen Einfluss Wetter und Licht nahmen, lesen Sie in unserem zweiten Teil des Berichts aus dem Film & TV Kameramann 04/2016.
ProRes statt RAW
Da mit der ARRI Alexa gedreht wurde, gab es mit Ash Danyian einen DIT am Set und mit Alec Garner einen Digital Lab Technician. Danyian hatte Kenntnisse als Colorist. Die kleine Abteilung war zudem für die Aufbereitung der Muster zuständig.
Vor allem aber musste viel transkodiert und umgerechnet werden. Bei den Actiondrehs kamen unterschiedlichste Kameraformate zum Einsatz, die alle am Ende im selben Cinemascope-Format vorliegen mussten. Ungewöhnlich für ein solches Projekt: Die Produktion hatte aus Budgetgründen entschieden, nicht auf ARRIRAW zu drehen.
Stattdessen wurde auf ProRes 4444XQ aufgezeichnet. Ein Grund dafür war tatsächlich auch die kurze Vorbereitungszeit. Es war einfach nicht möglich, in der Preproduction-Phase ein gutes, RAW-fähiges Digital Lab auf die Beine zu stellen.
Am 15. Juli 2015 begannen die Dreharbeiten im italienischen Brindisi. Neben zahlreichen Stuntszenen, Studiodrehs mit gebauten Sets und einer Szene auf der Themse, stand eine Autoverfolgungsjagd im nächtlichen Rom auf dem Plan.
Das hieß für Wiedemanns Kamerateam: Kameras auf Autos, auf Russian Arms, auf Jetskis, auf Booten und natürlich reichlich Einsatz von Libra Remote Heads und Stabilisierungssystemen. Die Verfolgungsjagd durch Roms Nacht konnte aufgrund der lichtstarken Alexa-Kameras größtenteils bei „Available Light“ stattfinden.
„Zum Glück kam uns hier die Stadt Rom mit guten Straßenlaternen entgegen“, sagt Wiedemann. Das blieb nicht die einzige Herausforderung, die es zu bewerkstelligen galt. Der Dreh in Italien wurde von einer Hitzewelle begleitet. Als die Produktion nach Großbritannien umzog, folgten dort Regenfälle.
Zudem musste kurz vor der Verfolgungsjagd auf der Themse der Drehort auf dem Flussabschnitt gewechselt werden. Ursprünglich sollte diese Szene auf dem ehemaligen Olympiagelände gedreht werden. Dort wurde kurz vor Drehbeginn eine giftige Alge im Wasser entdeckt – zu groß die Gefahr für Taucher und Schauspielgrößen.
Also schwenkte man auf Canary Wharf um, drehte mitten im Bankenviertel. Diese Actionsequenz war schon früh eine der Schlüsselszenen des Films, da es sich bei John Stratton schließlich um einen Agenten bei einer höchst wasseraffinen Spezialeinheit handelt.
Die wenige Zeit, die das Team auf der Themse hatte, musste gerade von der Kameracrew bestmöglich genutzt werden. So schoss man oft mit zwei mobilen Kameras, eine auf einem Jetski, eine zweite auf einem Kameraboot und zusätzlich von einer statischen Position aus.
Die Actionszenen erwiesen sich auch als Herausforderung für die Optiken. Zu Beginn des Filmes schwimmen Taucher durch ein mit Wasser gefülltes Rohr auf ein Kraftwerk zu. Das Motiv stand als gebautes Set im Studio, musste aber eine gewisse Enge haben.
Hier gibt es keine natürliche Lichtquelle, es musste alles über Taschenlampen oder Glowsticks beleuchtet werden. Da die Optiken eine Anfangsöffnung von T2.3 haben, war das möglich. „Oft hört man ja, man solle mit Anamorphoten nicht auf offener Blende drehen, sondern eher 4, 5.6“, sagt DoP Wiedemann. Er fügt hinzu, er habe das schon sehr oft getan und auch der Focus Puller sei mit der Herausforderung sehr gut klargekommen.
Problematischer war in der Enge der Nahpunkt der Cooke Anamorphic/i. Wiedemann sprach die Szene mit West und dem Unterwasser-Kameramann Mark Silk durch. Am Ende entschied er, um im Look konsistent zu bleiben, die Cookes in dieser Szenen weiter zu verwenden und nicht auf die kleineren, sphärischen Optiken zu wechseln.
Look durch Licht
Hilfreich für einen konsistenten Look war auch Wiedemanns klares Konzept bei der Lichtsetzung. Sein Anspruch ist es, sehr natürlich zu leuchten. Das erreicht er immer über die klare Identifizierung einer Hauptlichtquelle und damit einer dominierenden Lichtrichtung im Bild.
„Wenn ich etwas drehe, wird man in einer Einstellung der Szene vermutlich immer die Lichtquelle sehen oder verstehen.“ Das kann eine Lampe oder auch ein Fenster sein, aber der Zuschauer muss unbewusst realisieren, aha, hierher kommt das Licht. „Alles, was ich dann mache, verstärkt dann vielleicht diese Lichtquelle, aber folgt immer diesem Konzept.“ Er vermeidet zwei gleichstarke Lichtquellen, vor allem auf den Gesichtern seiner Schauspieler.
Da lebt er lieber damit, wenn auch mal eine Gesichtshälfte im Schatten bleibt. Dadurch entstehen eher interessante Kontraste oder auch mal Silhouetten. Wiedemanns Herangehensweise ist es, den Raum auszuleuchten und nicht, die Schauspieler auf eine exakte Position festzulegen.
Die Hauptherausforderung besteht für Wiedemann bei so einem Projekt darin, einerseits die Logistik gut zu handeln, spannend und lebendig große, aufwändige Szenen mit Fahrzeugen und Stunts einzufangen, und gleichzeitig als Kameramann die Geschichte zu erzählen, nah bei den Figuren zu sein.
„Für mich ist wichtig, dass man sich voll und ganz mit der Figur identifiziert, auch deren Schwächen sieht und so dem Helden hinter die Maske blickt“, erläutert Wiedemann. Dabei treibe die Action die Handlung voran. „Wir haben versucht, in diesen Szenen psychologische Schlüsselmomente zu finden. An die haben wir geknüpft, wie sich die Kameraarbeit verändert.“
So filmte Wiedemann die Sequenz des Eindringens in das Kraftwerk statisch vom Stativ und in ruhigen Fahrten mit der Steadicam. Von dem Moment an, wo der Plan beginnt schief zu laufen, die Kommunikation abreißt und die Helden improvisieren müssen, wechselt er in die Handkamera.
Im Frühjahr wurde der Schnitt abgeschlossen, die Farbbestimmung auch, der Film ist laut Produktionsfirma GFM Films aus London “ready for delivery”. Angekündigt war er für die Kinos im November. Doch ein konkretes Releasedatum hat Simon Wests „Stratton“ leider noch nicht. Der Trailer (siehe unten) sieht schonmal ganz viel versprechend aus. Geht Felix Wiedemann uns hierzulande bei einem Erfolg des Films ganz verloren? Der Kameramann schüttelt den Kopf. „Ich habe jetzt auch eine Agentur in Deutschland“, sagt er. „Aber da warte ich noch auf das richtige Projekt.“
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