Anzeige
Anzeige
Künstler und Regisseur David Aufdembrinke über visuelles Drehbuchschreiben

Mit dem Stift denken

Manchmal reicht Text nicht aus, um eine Idee niederzulegen. Der Hamburger Künstler und Regisseur David Aufdembrinke hat uns für das Heft 5.2024 erläutert, wie er den Prozess des visuellen Drehbuchschreibens angeht, grenzt ihn vom Storyboard ab und erklärt uns am Beispiel seines Kurzfilms „DREAM/LIFE“, wie aus einem assoziativen Vorgang ein Narrativ entsteht.

Filmstill aus DREAM/LIFE
Foto: David Aufdembrinke

Einer der meistgehassten Menschen unter angehenden Drehbuchautorinnen und -autoren ist vermutlich Syd Field. Der Begründer der Drei-Akt-Struktur des Hollywoodkinos wird aus zwei Gründen zur Hölle gewünscht: Einerseits, weil er eine scheinbar rigide Struktur vorzugeben scheint, der sich viele angehende Autorinnen und Autoren aus künstlerischen Gründen verweigern wollen. Andererseits, weil er Recht hat. Denn die Struktur ist nicht ausgedacht, sondern beobachtet, und sie funktioniert in so vielen Ausformungen, Genres und selbst in kausalchronologisch so innovativ erzählten Filmen und Drehbüchern wie „Reservoir Dogs“ oder „Memento“, dass spätestens mit dem Ende des ersten Semesters Bewunderung übrig ist. Oder immerhin ein Waffenstillstand.

Zwischen den Welten

David Aufdembrinke hat es sich zur Aufgabe gemacht, Strukturen aufzubrechen, sie zu dekonstruieren und mit ihnen zu spielen. Der Hamburger Künstler, Werbefilm- und Musikvideoregisseur realisierte unter dem Pseudonym DAVI.IN Projekte für Jan Delay, die Beginner, Afrob & Samy Deluxe sowie Red Bull, Kaufland oder Pizza Hut. Dabei steht immer im Mittelpunkt, wie er überraschen und wo er abbiegen kann, damit es spannend bleibt. Seine Mittel lässt er sich nicht diktieren. Oft nutzt er digitale Banalitäten wie Memes oder GIFs und setzt sie in neue Kontexte, füllt sie mit Bedeutung – aber manchmal sind sie eben auch nur ein Meme. Den Sprung zwischen den Welten beherrscht er traumwandlerisch sicher.

David Aufdembrinke in seinem Atelier
David Aufdembrinke in seinem Atelier (Foto: privat9

Schon früh legt David Aufdembrinke den Grundstein dazu. Er ist Jahrgang 1985 und malte und zeichnete schon als Kind gerne und viel. Für viel relevanter als Ausgangspunkt seiner heutigen, künstlerischen Tätigkeit hält er jedoch die Tatsache, dass er auch früh mit Computern in Berührung kam. Seit den frühen 1990er Jahren brachte er sich so Programmieren und Bildbearbeitung selbst bei und stieß dann über Internet und Photoshop auch komplexere Ideen an.

In der Schule kamen die ersten filmischen Erfahrungen dazu. „Da fing das so an, dass ich diese beiden Welten verband, Grafikdesign auf der einen Seite, Film auf der anderen“, sagt David Aufdembrinke. Ab 2010 begann dann die Produktion von YouTube-Videos und der Gedanke, die digitale Kunst in Form von Memes und ähnlichen Ausformungen auch in die Produktionen einfließen zu lassen.

Nach der Schule ging Aufdembrinke in die Praxis und arbeitete lange Zeit in der Multimedia-Agentur Elephant Seven, wo er den Großteil seines kommerziell-kreativen Knowhows erwarb. Danach machte er sich schon mit Anfang 20 selbstständig mit dem Fokus auf selbstständiger Filmemacher, aber auch VFX und Postproduktion, was auch in seiner späteren Regiearbeit starken Einfluss auf die Projekte und seine Vorlieben hatte. „Da habe ich mich das erste Mal damit auseinander gesetzt: Wie entwickle ich denn so einen Film?“, erinnert sich Aufdembrinke. „Was ich über die Musikvideos, die Werbung und beim Entwickeln meiner Regiehandschrift lernte war, wie viel Spaß es mir macht, hyperlinked zu denken und mit abstrakten und humorvollen Elementen zu spielen.“

Ein Projekt entwickelt David Aufdembrinke in einer Mischung aus verschiedenen Medien. „Viel entwickle ich auf dem Papier, sowohl beim handschriftlich Schreiben als auch beim Zeichnen“, so der Regisseur. „Das Ausformulieren mache ich mittlerweile viel beim Sprechen über Diktate, die ich dann über verschiedene Apps mitschneide. Das kam aber auch erst in den letzten Jahren.“ Das Handschriftliche bezeichnet Aufdembrinke als „Turbobooster“ für das Gehirn. „Ich merke, da kommen noch mal andere synaptische Verbindungen zustande und neue Gedanken, wenn ich vom Skizzieren, vom Schreiben, von den Stichworten, Assoziationen, wie man ein Wort schreibt, wenn man einen Stift in derHand hat und mit dem denken kann.“  Daraus entwickelte sich die Erkenntnis, dass durch die Form des handschriftlichen Aufschreibens und Aufzeichnens auch eine neue Ebene hineinkommt, Gefühle stärker hervortreten und schon hier klare Gestaltungsmomente sichtbar werden, ohne diese nur wie im Drehbuch beschreiben zu müssen.

Filmstill aus DREAM/LIFE
1:1-Umsetzung: Die Aufhebung der Grenzen zwischen visuellem Bildinhalt und auditiver Erzählebene, aus der später der Voice-Over-Kommentar wird (Foto: David Aufdembrinke)

Kein Storyboard

Das visuelle Drehbuchschreiben grenzt sich also klar vom reinen Storyboard ab. Im Storyboard gibt es eine Begrenzung auf das Screenformat von etwa 16:9. Dialoge kommen nicht vor, dafür sind Bewegungen, sowohl von Subjekten und Objekten im Frame als auch der „virtuellen“ Kamera bereits angelegt. Storyboards dienen der Planung und Kalkulation komplexer Sequenzen. Für Stuntsequenzen sind sie wichtig, um größtmögliche Sicherheit planen zu können, bei naher Umsetzung der Vision von Regie und DoP. Für die Kalkulation teurer Setpieces und VFX-lastiger Szenen werden Storyboards ebenfalls und hier oft sogar Frame für Frame eingesetzt.

Aufdembrinke hatte schon für Werbeprojekte zur Planung Storyboards gezeichnet. Diese ließ er meist nachzeichnen, weil er seinen Stil für das jeweilige Projekt nicht angemessen fand. Auch war für ihn spannend, herauszufinden, was passiert, wenn er die Begrenzung des Stoyrboardframes von 16:9 wegfallen lässt. „Ich wollte meine Storyboards so instinktiv entwickeln, dass ich gucke: Welche Geschichte ist dann da? Was entwickelt sich daraus, wenn ich den Stift einfach mal was machen lasse und in innere Fragen gehe, die ich dann auf der Seite beantworte.“

Das ist übrigens eine hervorragende Technik, um sich von einem Writers Block zu befreien. Die Rückbesinnung auf das Instinktive, das einfach Drauflosmalen, kann Ideen in den Fluss bringen. Das war auch das Ziel von Aufdembrinke. „Ich wollte mich auf diesen Prozess einlassen, was ich entwickle, wenn es frei läuft.“

Das hieß auch, dass der Prozess auf einer ganzen Seite stattfinden würde. Bekamen die Ideen eine narrative Struktur, merkte Aufdembrinke, dass er Dialog und Beschreibung, ja sogar Off-Kommentar im Voice Over mit in die Bilder einbaute. Diese Erkenntnisse erwarb Aufdembrinke bei unterschiedlichen Projekten, Anwendungen und beim Ausprobieren. So richtig an durchgehend kam das visuelle Drehbuchschreiben für ihn erst beim Kurzfilm „DREAM/LIFE“ zur Anwendung.

Filmstill aus DREAM/LIFE
Erweiterung: Im Buch noch getrennte Ebenen, im fertigen Film wird die
E-Mail über den schreibenden David Aufdembrinke gelegt. (Foto: David Aufdembrinke9

Kurzfilm: DREAM/LIFE

Die Ideen zu dem Projekt hatte der Regisseur schon über eine ganze Weile entwickelt. Ursprünglich war Aufdembrinke in die Werbung gegangen, um zum Spielfilm zu kommen. Darüber sprach er mit Regisseur Fatih Akin, mit dem er da gerade an einem anderen Projekt zusammenarbeitete. Der gab ihm den letzten Kick Motivation, jetzt einen Film zu machen. „Plötzlich stand ich vor der Riesenaufgabe, was mache ich denn, was nicht einfach nur versucht, das Alte nachzumachen, sondern etwas, das aus mir herauskommt.“

Die Idee zu dem Kurzfilm „DREAM/LIFE“ entstand aus dieser Überlegung, eine Liste von allen Stilmitteln zu machen, die Aufdembrinke benutzen könnte. „Und dann habe ich geguckt: Was erzähle ich denn jetzt damit?“ so der Regisseur. Narrativer Ausgangspunkt war für ihn dann eine Reise mit ein paar Freunden nach Thailand und der Ansatz, einen ­ Travelblog zu machen.

Den Prozess des Drehbuchschreibens ging Aufdembrinke deshalb auch als eine Art Tagebuch an, um einen natürlichen Fluss herzustellen. „Das hieß dann, ich sitze hier nachts auf dem Sofa, also skizziere ich mich doch nachts auf dem Sofa“, erinnert sich Aufdembrinke. Das entlarvte auch seine anfängliche Zaghaftigkeit mit dem Subjekt seiner Erzählung. Zu Beginn lässt er eine Voice Over seinen fiktionalisierten Lebensweg beschreiben. Im zweiten Kapitel bemerkte er, dass es hier ja um ihn geht. Dass er seine Geschichte erzählen will. Also wechselt er die Erzählperson und spricht fortan selbst den Off-Kommentar in der ersten Person. Das alles geschieht on screen im Film, wird Teil der Geschichte:„Wenn ich mit der Figur auf diesen ehrlichen Weg gehe: Was passiert denn dann da drin?“ ]15446]


Möchten Sie mehr über visuelles Drehbuchschreiben erfahren und Tipps von David AufdemBrinke bekommen? Hier geht es zum Artikel!


Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.