Anzeige
Anzeige
Low-light-Baby

Panasonic Varicam35 im Praxistest

LUTs, LOOKs und CDLs

So genannte LUTs (Look Up Tables) sind Kontrast- und Farbanpassungen zwischen unterschiedlichen Medien, im Filmbereich meist zur Preview eines späteren Looks oder zur vereinfachten Konversion in einem anderen Farbraum. Damit können beispielsweise logarithmische Video-Signale von Kameras direkt am Set vorkorrigiert werden und ergeben als Preview einen Eindruck der späteren visuellen Umsetzung. Wie eine Logarithmentafel oder Zinstabelle wird zu jedem Input ein entsprechender Output definiert.

Jede Quantisierungsstufe des Videosignals erhält einen entsprechenden Zielwert. Generell unterscheidet man 1D-LUTs und 3D-LUTs: 1D-LUTs sind vereinfachte Konvertierungen, beispielsweise Kontrastverstärkungen für videotechnische Rec709-Wandlungen. Wer aber aufwendigere Farblooks erstellen will, kommt in der Regel nicht um eine 3DLUT herum. In drei Dimensionen wird der RGB-Farbraum aufgespannt und für einzelne Farbtöne sind Farbtonverschiebungen und Sättigungsänderungen möglich.

Panasonic Varicam
Die Rechenpower der Varicam 35 reicht aus, um 3D-LUTs und CDLs im Sucher, den Video ausgängen oder dem Recording je nach Wunsch einzubacken, das heißt, externe LUT-Boxen werden an dieser Kamera nicht benötigt (Bild: Panasonic)

Die Varicam unterstützt 3D-LUTs mit 17 x 17 x 17 Stützpunkten, dies aber nur im Panasonic eigenen *vlt-Format. Die DaVinci-Resolve-Gradingsysteme unterstützen dieses Dateiformat direkt, bei anderen Gradingsystemen muss der Export mit einem LUT-Creator entsprechend gewandelt werden. Neben 3D-LUTs kann die Varicam35 auch ASC CDLs verwalten (Parameter s.o.) und in Kombination mit 3D-LUTs oder jeweils einzeln darstellen.

Eine CDL (Color Decision List) ist eigentlich eine 1D-LUT mit Stättigungsregelung on top und beinhaltet dann drei Werte für Rot, Grün und Blau, nämlich eine Steuerung von Helligkeit, Kontrast und Lichtern jeweils für R,G,B sowie eine generelle Sättigungsregelung. Zehn Werte, die vereinfacht einen Look beschreiben.

Mitdefiniert vom ASC, der American Society of Cinematographers, hilft diese erweiterte 1D-LUT die Kommunikation über die Lookgestaltung zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Die Rechenpower der Varicam 35 reicht aus, um 3D-LUTs und CDLs im Sucher, den Videoausgängen oder dem Recording je nach Wunsch einzubacken, das heißt, externe LUT-Boxen, wie etwa HD-Link, Pandora-Pluto, ISmini oder Aja-LUT-Box werden an dieser Kamera nicht benötigt.

Für unseren Dreh nutzten wir das SUB-Recording als visuelle Referenz dessen, was wir am Set als Preview sahen und damit definierten. Das MAIN-Recording blieb weiter als V-Log Stream unangetastet von LUTs, CDLs und Looks. Nur der Weißabgleich (warm/kalt) und die Color Correction (magenta/grün) sind ähnlich wie im Workflow mit einer Alexa im flachen Datenstrom enthalten und schaffen die Basis für alles weitere. Wobei in den Unterordner der P2-Datenstruktur 3D-LUT Infos und CDLs als Metadaten mitaufgezeichnet werden.

Wir nutzten allerdings ein manuelles Muster-Grading am Baselight, um das spätere finale Grading mit dem Baselight beschleunigen zu können und dann direkt auf die Daten der Muster-Farbkorrektur zugreifen zu können. Dies gewissermaßen als ein Tribut an die nur maximal zwei bis drei Tage Farbkorrektur, die man heutzutage für eine Tatort-Folge zugestanden bekommt. Das SUB-Recording kann auf Wunsch auch mit eingeblendeten Kameradaten, Letterbox-Kasch oder gar einem Wasserzeichen versehen werden. Ich verzichtete aber auf all das, um im 2nd-Stream neben der Funktion als Referenzstrom auch ein Backup-Recording mit Look zu haben.

Grading am Set

Die Münchner Firma Pomfort präsentiert mit Live Grade Pro ein Farb- und Lookmanagement-Tool für die Prävisualisierung von Kamera-Looks am Set. Damit wird die Gestaltung, Bearbeitung und Verwaltung von Kamera-Looks am Drehort möglich, was einerseits der Prävisualisierung am Motiv dient, andererseits auch als Grundlage für die Mustererstellung und das finale Grading dienen kann.

Bisher nutzt man die Pomfort-Software mit einem Laptop, der wiederum eine externe LUT-Box wie den HD Link von Blackmagic Design oder IS-Mini von Fujifilm steuert. Mit der Varicam wird nun, wie bereits gesagt, die zusätzliche LUT-Box überflüssig und die Pomfort-Software kann so direkt mit der Kamera kommunizieren und deren CDL-Grading interaktiv steuern.

Varicam-7

Dies ist sowohl per LAN als auch via WLAN möglich. Zudem veröffentlichte Pomfort im April 2015 mit LiveGrade Air eine erste iOS-Versionder Mac-Software, so dass diese nun auch mit einem iPad nutzbar ist. Dies ermöglicht gerade mit der Steuerung über Wi-Fi eine bis dahin nicht gekannte Flexibiltät ohne Kabel und stationäre Computer-Hardware. Auch kann man so im Vorfeld Looks ohne Posthouse kreieren und in der Kamera abspeichern, so dass man im rauhen Drehtag dann schnell zwischen den vorgefertigten Presets wechseln kann.

LiveGrade Air wird als Free-App mit zahlreiche Funktionen vertrieben, zur Steuerung der Varicam ist ein In-App-Kauf nötig: Varicam look control kostet 99 Euro.

Tipps und Tricks für die Arbeit mit der Varicam

Eine viermal erhöhte Lichtempfindlichkeit von 5.000 ASA gegenüber 800 ASA bedeutet einen neuen Umgang mit Schattenführung und Kontrastkontrolle.

Ein anderes Leuchten wird für Low-light-Motive mit 5.000 ASA zwangsläufig: Die schon erwähnten Negative Fills, Fahnen und Floppys helfen Schatten gezielt zu modellieren. Der Sucher der Kamera ist gut gelungen. Es ist ein OLED-Viewfinder mit optischem Zoom und einem feststellbaren Dioptrinausgleich am Okular. Gerade die frei wählbare optische Vergrößerung schafft auf Wunsch eine immersive Bildbetrachtung. Allerdings sollte die Abschaltautomatik des Viewfinders im Suchermenü auf eine Minute verlängert werden, damit das Okular bei verrutschtem Auge nicht ungewollt im Take ausgeht.

Das Tally sollte im Sucher standardmäßig ausgeschaltet werden, ansonsten wird die rote LED-Leuchte bei 5.000 ASA ungewollt zum Fill Light. Monitoring: Die Integration von LUTs und CDLs für Recording und Preview ist durchdacht. Ideal wäre es aus meiner Sicht gewesen, einen offenen 3D-LUT-Standard wie *cube zu wählen, aber auch das Panasonic-eigene *vltfile ist herleitbar.

Performance und Handling: Die Kamera bootet in rund 20 Sekunden, das Bild ist nach sechs Sekunden da. Das ist gut. Wichtig: Die Userbuttons funktionieren nicht bei geöffnetem Menü (Software-Version 2.X), erst nach einem Druck auf HOME sind dann auch die Usertasten wieder nutzbar. Auch der Record-Knopf braucht etwas Zuwendung: Um eine Aufnahme zu beginnen, sollte man ihn nicht nur antippen, sondern circa 1/4 Sekunde lang gedrückt halten. Das Kontrollpanel am Rekorderist abnehmbar und lässt sich hot-swopable auch auf der Assi-Seite anbringen.

Auf Wunsch lassen sich Kamerakopf und Rekordereinheit, wie bei einer Alexa M, trennen und mit einen Verbindungskabel absetzen. Die Kamerakonfiguration kann auf SD-Kartengespeichert und somit schnell auch auf weitere Kameras übertragen werden. Aber auch für einen schnellen Wechsel zwischen unterschiedlichen Auflösungen und Framerates kann die SD-Card wirklich hilfreich sein und mehrere Re-Startvorgänge der Kamera vermeiden.

Das Schulterpad mit 15mm-Rohraufnahme ist an sich sympathisch, weist aber in Kombination mit schwergängigeren Optiken und stärken Schärfenmotoren etwas Spiel auf. Da scheint der inzwischen erhältliche Arri-Unterbau für die Kamera fast zielführender. Fazit: Alles in allem kommt Panasonic ziemlich spät auf dem Markt der szenischen High-End-Kameras an, dafür aber mit etwas Bedacht und Überblick über inzwischen Bewährtes.

Neue Funktionalitäten wie die Dual-Native-ISO geben der Kamera aktuell ein Alleinstellungsmerkmal. Dennoch, im Arri-Stammland wird es die Kamera wohl zunächst nicht ganz einfach haben, aber dafür hat die Marke aus München einen ernsthaften Konkurrenten an die Seite bekommen.

 

Tatort: Himmelfahrt, 2015 A NDR Red Donald Kraemer P Wüste Medien GmbH B Florian Öller R Özgür Yildirim K Matthias Bolliger 2U Florian Kirchler KA Mario Loibl G Benjamin Anton L Thorsten Kosellek T Maarten van de Voort D Wotan Wilke Möhring, Franziska Weisz, Marie-Lou Sellem, Christoph Letkowski SzB Tamo Kunz S Sebastian Thümler Sendetermin Frühjahr 2016

 

 

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.