„Das schönste Paar“ ist nicht nur der Titel der letzten Zusammenarbeit von Regisseur Sven Taddicken und seiner DoP Daniela Knapp, die damit ihren bisher persönlichsten Film gedreht haben, sondern kann auch für die bereits mehr als 20 Jahre andauernde kreative Partnerschaft der beiden hinter der Kamera stehen. Wir sprachen für unser Heft 12.2019 mit der Kamerafrau.
Der sechste Langspielfilm von Sven Taddicken, der erstmals auf einem eigenen Originaldrehbuch basiert, fühlt sich an wie ein Befreiungsschlag. Eine intimes, rohes, präzise beobachtetes Drama, das sich gerade in seiner dargestellten Alltäglichkeit weit von üblichen „Rape-and- Revenge“-Erzählungen abhebt. Einmal mehr kann der Regisseur dabei blind auf seine Bildgestalterin Daniela Knapp an der Kamera vertrauen.
Die überraschendste Szene war für mich Livs beiläufiger Albtraum, der gleichzeitig schockiert und als „Comic Relief“ funktioniert.
Ja, das hat auch viel Spaß gemacht Leo (Leonard Kunz) in die Schulbank zu setzen, das war wirklich sehr lustig. Es war auch eine Szene, die im Buch ab und zu drin und mal draußen war, weil Sven den Anspruch hatte, das wirklich sehr realistisch und glaubwürdig zu machen. Da stand die Frage im Raum, ob ein Albtraum, der aber so realistisch beginnt, wirklich seinen Platz in so einem Film findet. Ich bin wahnsinnig froh, dass es drin gelandet ist. Und der Leo musste diese Gleichung auswendig lernen, das war so ziemlich der böseste Text des ganzen Films.
Die schlimmste Szene des Films muss man dafür sehr früh über sich ergehen lassen. Obwohl ihr insgesamt eine andere Perspektive einnehmt, und bei der Verarbeitung des Geschehenen als Paar bleibt, zeigt ihr zunächst die sexuelle Gewalt. Wie seid ihr an die Darstellung herangegangen? Wir haben im Vorfeld schon jahrelang darüber gesprochen, dass es eben wichtig ist, diese Szene zu zeigen, um da- durch wiederum den Alltag dieses sehr normalen Lehrer-Ehepaars aufzuladen. Luise Heyer war schon sehr früh dabei und Maximilian Brückner kam spät dazu, ein bisschen durch einen Zufall, und es war wirklich ein großer Glücksfall. Denen war auch immer klar, was wir da machen wollen und dass wir das machen müssen. Wir haben für diese Szene viel geprobt und vorbereitet, die Kamera war von Anfang an wie ein weiterer Darsteller, es war sehr choreographiert. Dadurch, dass wir wirklich zusammen viel erarbeitet haben und jeder so seine Sache sagen konnte, hatte ich das Gefühl in einem geschützten Raum zu sein, in dem man das jetzt machen und zugucken kann, ohne voyeuristisch zu sein. Das war natürlich trotzdem noch schlimm und anstrengend genug, große Hochachtung an unsere Darsteller. Aber es gab nie das Gefühl, okay, jetzt entgleitet uns hier irgendwas.
Ich fühlte mich so unangenehm wie seinerzeit in „Funny Games“ von Michael Haneke.
Natürlich hatten wir uns den auch angeguckt. Das legt man dann wieder weg, vergisst es wieder und macht sein eigenes Ding. Viel ist uns auch von den Darstellern geschenkt worden: zum Beispiel dieses Bild, wo sie nach diesem Ereignis Rücken an Rücken sitzen – das war jetzt gar nicht so geplant, obwohl wir viel geprobt haben, war das wirklich aus dem Moment heraus, so ein starkes Bild. Das war ganz besonders, ganz toll.
Du hast ja anamorphotisch gedreht – wie hast du diese Szene geleuchtet, ohne es am Set zu hell zu machen? Das Thema stand bei uns tatsächlich auch im Raum, wie machen wir das, damit es überhaupt noch stimmungsvoll am Set bleibt. Es war ein gutes Motiv, mit diesem zwei Ebenen, und wir haben da ausstattungsmäßig schon ein bisschen was verändert. Es war klar, dass wir sehr viel Practicals einsetzen müssen, weil wir einfach in viele Richtungen gucken wollten, und Thomas von Klier, mein Oberbeleuchter, der war ja schon immer so ein Fummler, dass man da irgendwie noch ein Birnchen, hier noch mal irgendwas dahinter versteckt – das war für ihn ein gefundenes Fressen. Heutzutage wäre es noch viel einfacher gewesen, die Entwicklung bei den Lampen schreitet ja so extrem voran, vieles ist nur noch mit Akku. Vor zweieinhalb Jahren war es schon noch komplizierter, aber wir haben einfach wirklich alles verkabelt, verstärkt, vorbereitet, vorgeleuchtet. Für die Schärfentiefe war das echt anspruchsvoll, aber wir hatten halt auch den Anspruch zu sagen, wir kaufen etwas Unschärfe für mehr Beweglichkeit, dass man einfach nicht den Anspruch hat, dass alles scharf ist, und selbst wenn mal was in einem Supermoment unscharf ist, dann werden wir das auch unterbringen. Deswegen hatten wir natürlich auch offene Blende, ich glaube das war eine 2,1. Ich finde auch, dass der Handkamera-Look verzeiht, wenn es manchmal weich ist, aber es war natürlich der Albtraum für die Fokuspullerin Anne Lindemann, die es natürlich so gut machen wollte und auch gemacht hat, aber das war ein bisschen Teil des Deals.
Ich freue mich immer, wenn ich Handkamera von dir sehe.
Es gibt eine Energie, es gibt so einen Energiefluss, dass man weiß wo man hin muss, das war wirklich gut so. Und ich glaube wir haben zwei Tage daran gedreht.
Digital?
Ja, auf der ALEXA MINI, und eben anamorphotisch. Wir haben uns auch einen kleinen Wunsch erfüllt, und zwar haben wir alles mit einer Brennweite gedreht. Irgendwie wollte ich das schon immer mal machen. Wir haben öfter darüber gesprochen, der Sven und ich, und dann hat er gesagt, na ja, wenn es bei einem Projekt passen würde, dann bei diesem. Weil es ja doch sehr um eine Subjektivität und einen Standpunkt geht. Das hat wahnsinnig viel Spaß gemacht. Ich weiß nicht, ob es irgendeinen Unterschied gemacht hat, wir waren jedenfalls happy. [11027]