Qualitätsfragen: HDR und 3D-Ton: neue Standards im linearen Fernsehen?
Qualitätsfragen
von Bernhard Herrmann,
Bernhard Herrmann hat sich mit der technischen Qualität des linearen Fernsehens in Deutschland beschäftigt und für unser Heft 3.2022 bei den Sendern nachgehört, wann sie planen, in UHD und 3D-Ton auszustrahlen.
Die TV-Produktion alle Wintersport-Wettbewerbe der Olympischen Winterspiele 2022 in Peking erfolgte durch die China Media Group (CMG) in UHD HDR 4K und 8K sowie Dolby Atmos, wahlweise auch in Dolby 5.1 und Stereo, und lieferte so für die Fernsehsender der Welt eine Bild- und Tonqualität nach den derzeit besten Standards. Daran sind auch europäische Dienstleister beteiligt. Doch davon ist bei der deutschen Fernsehgemeinde nur wenig angekommen.
Denn ARD und ZDF übertrugen zwar die Winterspiele im Fernsehen und Internet, doch verzichteten sie zum Beispiel auf ein eigenes Studio vor Ort und fuhren ihre Berichterstattung vom Mainzer Lerchenberg aus – wie gewohnt lediglich in 720p. UHD HDR und Dolby Atmos gibt es auf keinem der Verbreitungswege, auch nicht über HbbTV, obwohl auch ARD und ZDF die aktuell beste Bild- und Tonqualität als Quelle zur Verfügung stand.
Wer die zumindest ansatzweise sehen wollte, musste sich privaten Anbietern wie etwa Discovery zuwenden. Dort waren die Olympischen Winterspiele 2022 bei Eurosport 1 und 2 immerhin in Full HD und bei „Eurosport 4K“ und „HD+“ in Deutschland sowie bei simpliTV in Österreich auch in UHD HDR (4K) zu sehen.
Fehlende Vorgaben, vorhandene Hardware
Außenübertragungen werden bei ARD und ZDF aktuell als HD-Signal in 1080i produziert. Alle privaten TV-Sender geben dieses Signal in 1080 in die HD-Distributionswege ab. Nur ARD und ZDF beharren auf dem im Jahr 2010 eingeführten HD-Ready-Signal in 720p, in welches das im Original produzierte 1080i-Signal erst noch herunterkonvertiert werden muss.
Im Oktober 2021 haben ARD und ZDF über deren SportA Sportrechte- und Marketing-Agentur GmbH, die Übertragungsrechte an 200 Wintersportevents der FIS bis zum Jahr 2026 erworben. Die Agentur bestätigte, dass es für den Einkauf seitens ARD und ZDF keine technischen Vorgaben für die Bild- und Tonqualität gab. Somit gilt für die Veranstalter das „Broadcast Manual General“ der FIS, in dem die Bild- und Tonqualität für TV-Produktion in High Definition nach dem „Standard des Landes“, in dem das Event stattfindet, entsprechen, also bei ARD und ZDF in 720p mit Stereoton (ohne Kommentare) am Heck des Ü-Wagens anliegen soll. Als „Option für den Host Broadcaster“ wird „5.1 Surround Sound“ angegeben. Genaue Angaben zu den geforderten technischen Standards der Kameras und Objektive gibt es in dem Dokument nicht.
Dabei wäre auf Seiten der Zuschauer die Möglichkeit für technisch besseres Fernsehen gegeben. Aktuell stehen in Deutschland nämlich bereits 23,8 Millionen UHD-Fernseher in den Wohnzimmern, wie die Deutsche TV-Plattform im Januar 2022 mitteilte. Der Marktanteil der aktuell verkauften Smart-TV UHD-Fernseher ist auf 94 Prozent gestiegen. Diese Empfangsgeräte sind ohne Weiteres in der Lage, über HbbTV und eine Internetverbindung TV-Programme der Mediatheken in UHD HDR und Dolby Atmos wiederzugeben.
Doch diese Qualität steht derzeit nur bei ausgewählten Showcase-Produktionen zur Verfügung. Im Mainstream-TV lässt sie auch bei Empfang über das Internet noch auf sich warten.Auch Anfang des Jahres 2022 war beim ZDF nicht bekannt, wann der Sendebetrieb generell auf UHD HDR und 3D-Audio umgestellt werden soll. Auch bei der ARD wird es in den nächsten Jahren keinen Sendebetrieb in UHD HDR geben. „Eine Distribution in UHD und UHD HDR ist im Moment im Sende-Regelbetrieb der ARD nicht vorgesehen“, so ein ARD-Sprecher zu dem Thema.
Der Westdeutsche Rundfunk in Köln verantwortet als größter öffentlich-rechtlicher Sender der ARD mit einem Haushalt von 1,63 Milliarden Euro im Jahr 2022 die Sportrechte für die Fußball-Bundesliga bis zum Jahr 2025. „Der WDR übernimmt auf allen Ausspielwegen die Federführung für die Fußball-Europameisterschaft 2024 als größte Einzelproduktionen für die ARD. Die ARD berichtet zudem umfangreich von der im Jahr 2022 in Katar stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft; außerdem bietet Das Erste regelmäßige Liveübertragungen von Spielen im DFB-Pokal. Daneben ist bis 2024 die Liveberichterstattung von den Olympischen Sommer- und Winterspielen gesichert“, steht im Haushaltsplan 2022.
„Zur EURO 2024 kann neben dem HD- bzw. Full-HD-Signal über die klassischen Broadcastwege auch UHD HDR ein mögliches Szenario sein. Die ARD baut ihr Online-Angebot aus, das wird sich auch in der angebotenen technischen Qualität zeigen. Konkrete Entscheidungen bezüglich der EURO 2024 sind noch nicht getroffen. Details zu anderen sportlichen Großveranstaltungen können wir derzeit nicht bekanntgeben, da solche Entscheidungen erst im Rahmen der konkreten Planungen getroffen werden“, erläutert eine WDR-Sprecherin. Voraussichtlich wird es also bis mindestens Mitte Juni 2024 kein UHD HDR beim Westdeutschen Rundfunk geben.
Der WDR „Tatort“ aus Münster gilt mit jeweils den meisten Zuschauenden als „Flaggschiff-Tatort“ der ARD. Die Ausgabe am 16. Januar 2022 sahen zum Beispiel 10,16 Millionen Zuschauer. Zu hören gab es Stereoton. Warum der WDR-„Tatort“ nicht, wie andere auch, in Dolby 5.1 wiedergegeben wurde, beantwortet der Sender so: „Die Tatorte des WDR sowie alle anderen fiktionalen Formate werden mit Blick auf die gebotene Wirtschaftlichkeit im Sinne der Beitragszahlerinnen und -zahler ohne Dolby-5.1-Ton produziert und beauftragt.“ Angaben zu etwaigen Mehrkosten des qualitativ besseren Tons gibt es nicht. [15062]