„Bildende Kunst kann man nicht erklären! Wenn man das erklären könnte, dann bräuchte man es nicht zu malen!“ sagt Bernt Engelmann, der zusammen mit Gisela Wunderlich Filmessays über Künstler realisiert. Was aber können Filme über bildende Künstler und ihre Werke überhaupt leisten? Auf der Suche nach Antworten besuchte Gerdt Rohrbach für unser Heft 6.2023 die beiden in ihrer Film-Werkstatt in München.
Wie ist es dazu gekommen, dass Sie vorwiegend Filme über Kunst und Künstler realisieren? Dabei müssen Sie ja statisches Material wie Gemälde und Zeichnungen von einem simultanen in einen diachronen Code, das bewegte Filmbild transferieren. Wie überwinden Sie diese Differenz? Gisela Wunderlich: Bei unseren Filmen über Künstler und ihre Werke hilft uns der Umstand, dass wir beide aus der bildenden Kunst kommen und jahrzehntelang in der Kunstvermittlung tätig waren. So können wir leichter Aspekte fokussieren, die so spannend sind, dass der Betrachter hinschaut. Das sind Dinge, bei denen wir uns immer überlegen müssen: Unterstützt das einen Betrachter dabei, sich die Mühe zu machen, hinzuschauen?
In dieser Hinsicht bietet der Film fantastische Möglichkeiten – schon durch die Bildauswahl, durch starke Vergrößerung, durch Details, durch Schwenks. Der Film kann einen anderen Sehprozess inszenieren, als es ein flüchtiger Museumsbesucher vermag, der im Stehen Bilder rezipiert und oft von der schieren Menge überfordert ist. Insofern ist die filmische Umsetzung alles andere als statisch. Entscheidender ist aber, dass der Film – jedenfalls unsere Filme – sich nicht damit begnügt, das Bildmaterial raffiniert zu inszenieren. Vielmehr geht es uns von Anfang an darum aufzuzeigen, dass bildende Künstler nicht im luftleeren Raum arbeiten, sondern immer in einem bestimmten Kontext. Der Kontext von bildender Kunst ist unser Hauptanliegen. Den kann ein Museum kaum liefern, allenfalls als Texttafel, die im Stehen gelesen werden will.
Im Film lassen sich die zeitgenössischen Bezüge eines Künstlers sehr lebendig vermitteln: Wo ist eine Künstlerin oder ein Künstler aufgewachsen, mit welchem Bildungshintergrund, was waren die Erwartungen der Eltern, hat sie oder er eine künstlerische Laufbahn mit Unterstützung angetreten oder gegen den Widerstand der Eltern oder anderer gesellschaftlicher Erwartungen? Welche großgesellschaftlichen Ereignisse haben ihre oder seine Lebenszeit geprägt? Hat ihre oder seine Arbeit öffentliche Resonanz gefunden oder eher Ablehnung? Welche Rolle spielen die Orte, an denen Künstlerinnen oder Künstler tätig sind, welche künstlerischen Vorgänger oder Zeitgenossen beeinflussen die Arbeit? Wie war oder wie sind die Ateliers beschaffen, in denen gearbeitet wurde?
Sobald man solche Kontexte in der filmischen Realisierung fokussiert, bezieht man unendlich vielfältiges dokumentarisches Material ein, wie Fotografien, dokumentarisches Filmmaterial oder Interviews mit Personen, die sich dazu kompetent äußern können. Die Frage von statischem oder bewegtem Bild wird fast obsolet, wenn es sich um eine noch lebende Person handelt. Dann kann sie sich nicht nur selbst zum eigenen Oeuvre äußern und wird für den Betrachter unmittelbar erlebbar. Im Film kann sie in unterschiedlichsten Umgebungen auftreten und so vielerlei Be- züge schaffen.
In anderen mir bekannten Filmen wird ein Maler gezeigt, wie er irgendwelche Farben an eine Wand wirft, was recht spektakulär ist, aber was erklärt das? Bernt Engelmann: Wir haben gerade den Film über Daniel Richter von Pepe Danquart angeschaut … Gisela Wunderlich: Technisch ist der toll. Bernt Engelmann: Was hier und überhaupt in den journalistischen Kunstfilmen ganz wichtig zu sein scheint, ist, dass die zeitgenössischen Künstler ziemlich rumsauen. Beim Daniel-Richter-Film muss Jonathan Meese in eine Dispersionsfarbenflasche einen Pinsel reinstecken und dann „prrrr“ und sagen, er sei der Daniel Richter. Er gibt den kompletten Spinner, was nebenbei auch die Arbeit eines Daniel Richter entwertet. [15339]