Anzeige
Anzeige
Echtzeit-Rundgang für Hospiz mit LiveU-Streaming

Tag des Offenen Streams

Jetzt erst recht, dachte sich Constantin Müller, als das Bärenherz-Hospiz auf ihn zu kam und nach einer Videolösung als Ersatz für den wegen des Coronavirus ausfallenden Tag der Offenen Tür fragte. Flugs erstellten er und seine Produktionsfirma Stackfilm ein Konzept, das einen echten Rundgang mit Kamera und Ton per LiveU-Einheit möglich machte – inklusive Livefragen aus dem Chat. Wir haben für den Streaming-Schwerpunkt in unserem Heft 7–8.2020 nachgehört, wie das funktionierte.

In der Corona-Krise müssen wir auf viel Liebgewonnenes verzichten. Der Großteil der vermissten Dinge ist temporär und kommt wieder, wie die Olympischen Spiele in Tokio oder die ja mittlerweile wieder gestartete Bundesliga. Schade wird es, wenn Veranstaltungen ausfallen müssen, die über den Zeitvertreib hinaus einen wichtigen Wert haben. Das Kinderhospiz Bärenherz in Wiesbaden veranstaltet einmal im Jahr im Frühsommer seinen Tag der Offenen Tür. Wie viele Veranstaltungen dieser Art ist dies eine Möglichkeit für Besucher und Familienmitglieder oder auch Sponsoren und Unterstützer, sich die Räumlichkeiten anzuschauen und das Personal und die private Stiftung kennenzulernen. In diesem Jahr musste die Leitung die Öffnung der Institution absagen. Die Abstands- und Hygieneregeln wären nicht einhaltbar gewesen. Hinzu kommt, dass ein Hospiz zudem eine medizinisch äußerst sensitive Institution ist.

Live-Rundgang

Die Leitung der Stiftung trat deshalb auf Constantin Müller von Stackfilm in Wiesbaden zu. Müller engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich bei Bärenherz und kennt die Räume und die Menschen dort sehr gut. Die Frage war also, ob man den Tag der Offenen Tür mit einer Videolösung auffangen könne. „Grundsätzlich war die Aufgabe, das Haus den Leuten draußen bestmöglich präsentieren zu können, weil die nicht kommen können. Es war keine Wahl, das ganz ausfallen zu lassen“, so Constantin Müller. Der Filmemacher überlegte und kam auf drei grundsätzliche Möglichkeiten, das zu bewerkstelligen. „Entweder könnten wir eine Art Imagefilm drehen, der kurz und spannend die Räumlichkeiten zeigt“, so Müller. „Die zweite Möglichkeit wäre, per Virtual Reality die Räume zu zeigen. So kann sich jeder selbst in jedem Raum umschauen.“ Mit 360-Grad-Kamera wäre diese Möglichkeit leicht umsetzbar gewesen. Doch es wäre bei beiden auch der Veranstaltungscharakter verloren gegangen, das Gefühl, dass gleichzeitig viele Menschen dabei sind. „Die dritte Idee war dann, tatsächlich in Echtzeit durch die Räume zu gehen und das Ganze live zu zeigen“, erklärt Müller. „Dann können wir auch den Zuschauern die Möglichkeit geben, Rückfragen zu stellen.“ Dieser Livestream kam für Stiftung und Filmemacher der Idee eines Tages der Offenen Tür am nächsten. Ähnlich wie auch Müllers Engagement sollte auch dieses Projekt maßgeblich durch ehrenamtliche Mitwirkung der Beteiligten entstehen.

Da Constantin Müller die Gegebenheiten vor Ort kannte, konnte er vorab schon Umsetzungsformen ausschließen. Das typische Streaming-Setup aus festem Setting, statischer Kamera mit Bildmischer war ausgeschlossen. Auch über Kabel war das weitläufige Gelände unmöglich zu erschließen. Es blieb also nur eine kabellose Lösung. „Wir wollten so tun, als sei die Kamera selbst ein Besucher und wir folgen ihr durch die Räume, treffen Menschen, die dort arbeiten, zeigen wichtige Orte.“ Die Frage der Hospizleitung, ob das per Smartphone über das WLAN-Netz der Einrichtung machbar wäre, musste Müller verneinen. „Ein WLAN ist nicht zuverlässig genug, vor allem beim Wechsel von einem Netzknoten zum anderen“, so der Filmemacher. Zudem hätte er mit dem Smartphone eine geringere Videoqualität und nahezu keine Optionen, die Bildparameter zu kontrollieren, geschweige denn guten Ton einzuspeisen.

Höchst flexibel: Die LiveU 200 ist etwa 560 Gramm schwer und misst 95 × 160 × 43 Millimeter ohne Tasche und Akku.

LTE macht’s möglich

Schnell lag daher für Constantin Müller die Umsetzung über eine LiveU-Einheit auf der Hand. Mit den mobilen Sendeeinheiten, die über LTE Audio- und Videosignale verschicken können, war ein flexibler Rundgang, wie er Müller und dem Hospizteam vorschwebte, umsetzbar. Der Einsatz von mehreren Kameras schied aus, da diese vor Ort über einen Bildmischer hätten laufen müssen. Das hätte das gesamte Setup wieder statischer und fehleranfälliger gemacht.

Ursprünglich war eine LiveU 600 geplant. Doch das Signal war beim Test einen Tag vor dem Broadcast so zuverlässig und stabil, dass eine LiveU 200 mit ihren zwei 4G-LTE/3G- Modems ausreichte. Um eine stabile Leitung zu ermöglichen, sind bis zu zehn Sekunden Verzögerung an der LiveU-Einheit einstellbar. Diese dienen zur Pufferung. Allerdings ginge so auch der direkte Rückkanal verloren. Um so also auch den Livechat einbinden zu können, ging Constantin Müller auf die broadcastüblichen eine bis zwei Sekunden zurück. Das funktionierte seiner Aussage nach hervorragend.

Die Blackmagic Design URSA Mini Pro 4.6 G2 mit Sigma Highspeed Zoom 18-35/T2.0, Sennheiser Funkmikro ew100 und LiveU-Einheit im Hintergrund.

Zur LiveU-Einheit stieß dann eine Blackmagic Design URSA Mini Pro 4.6K G2 hinzu. Constantin Müller wählte dazu den Sigma Highspeed Zoom 18-35/T2.0. „Wir hatten vor Ort dunkle und helle Räume, das konnte ich aber mit manueller Blende und ND-Filtern ganz gut ausgleichen“, so Müller. Außerdem war ein Zoom-F4-Fieldrekorder dabei, der den Ton per Funk direkt in die Kamera gab. Für die Tonakquise kamen ein Sennheiser MKH416 an der Tonangel sowie zwei EW100- und EW300-Funkstrecken mit einerseits einem MKE-2-Lavalier- und einem SKM100-Handmikrofion zum Einsatz. „Auch in einfachen Setups verwenden wir eigentlich nur Sennheiser-Mikrofone“, erläutert Constantin Müller. „Bei der Zuverlässigkeit machen wir keine Kompromisse.“ Das Signal ging aus der Kamera als 1080p mit dem ein- gebetteten Ton, der per Funk aus dem F4 kam, in die LiveU-Einheit, die sich im Rucksack auf dem Rücken des Kameramanns befinden sollte. Zwar passt die kleine Ein- heit mittlerweile auch auf eine Kamera. Doch es war geplant, zwischen 45 und 60 Minuten unterwegs zu sein. Insofern war jede Ausrüstung, die nicht auf der Kamera saß, willkommen. Von der LiveU-Einheit ging das Signal als H.264-Encoded-Stream mit AVC-High-Profile und AAC- Audio über RTP-Standard an den Server in Wiesbaden, der das Ganze dann direkt auf YouTube streamte. Die Tests verliefen gut, das Team stand.

45 Minuten Plansequenz

Dann war der Tag des Offenen Streams gekommen. Am 17. Mai 2020 traf sich das kleine Team in den Räumen der Stackfilm und bereitete Kamera sowie Ton einsatzfertig vor. Eigentlich hatte Müller für den Rundgang einen Kameramann gebucht. Dieser war jedoch kurz zuvor erkrankt, weshalb Müller den Job selbst übernahm. „Im Nachhinein die beste Entscheidung, weil ich die Räume sehr gut kenne. Das war beim halbblinden Rückwärtslaufen von A nach B sehr von Vorteil“, so Müller. Um 9 Uhr kam das Team im Hospiz an. Neben Müller an der Kamera waren das Fabian Weber als Kamera- und Ton- Assistent, Regisseurin Priska Metten sowie Luca Schmidli als LiveU-Operator. Im Schaltraum in Wiesbaden überwachte Rainer Ballentin die technische Unversehrtheit von einkommendem Signal und ausgehendem Stream.

Vor Ort hatte das Team des Hospizes bereits Vorbereitungen getroffen. Stiftungsleiterin Anja Eli-Klein sollte den Livestream beginnen und dann an Hospizleiterin Magdalene Schmitt übergeben, die als Moderatorin vor der Kamera durch die Übertragung führen sollte. Ihr Stellvertreter Michael Knoll sollte ihr von Zeit zu Zeit zur Seite stehen und sie mit den im Chat gestellten Fragen versorgen. Zunächst folgte ein Rundgang, bei dem das gesamte Team erstmals einen kompletten Einblick in das vom Hospiz vor der Kamera geplante Programm erhielt. Das war zwar vorher vom Umfang der etwa zehn Stationen abgesprochen worden. Doch die Ausgestaltung lag in den Händen der Hospizmitarbeiter. Die hatten sich sehr gut vorbereitet. An jeder Station hatten die medienunerfahrenen Personen Texte vorbereitet und auswendig gelernt. So weit, so gut. Doch viele der Beiträge waren zu lang. So mussten die Mitarbeiter spontan ihre Texte kürzen. Regisseurin Priska Metten sollte im Durchlauf die Zeiten mitstoppen und im Zweifel per Handzeichen ein Ende des Beitrags einläuten. Beim ersten Rundgang stellten Müller und sein Team zudem fest, dass einige der Räume zu dunkel waren. Das war bereits abzusehen gewesen, daher hatte er mehrere LED-Panels dabei, die den Motiven immerhin eine Grundhelligkeit gaben und vor allem schnell installiert waren. [12823]

Anzeige

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.