Tod einer Kadettin 2/2: Interview mit Kameramann Dominik Berg
von Bernd Jetschin ,
DoP Dominik Berg setzte den Dreh der Leys mit dem zweiten Kameramann Resa Asarschahab in konkrete Bilder um. Welche Herausforderungen dabei bestanden, erfragte Bernd Jetschin. In unserer Ausgabe 5/2017 war ein gekürztes Interview bereits zu lesen. Hier nun die komplette, ungekürzte Fassung.
Kameramann Dominik Berg ist filmisch in allen Gattungen zu Hause: Spielfilm, Dokumentarfilm und auch Werbespots. Für die erste Kamera bei dem Raymond Ley Spielfilm „Tod einer Kadettin“ kam ihm jetzt auch seine maritime Erfahrung zugute. Mit mit Resa Asarschahab hatte er einen erfahrenen zweiten Kameramann an der Seite.
Wie sind die Bedingungen für Dreharbeiten eines Spielfilms auf einem fahrenden Schiff? Sie haben einmal auf dem Schiff Cap Anamur der gleichnamigen Hilfsorganisation gedreht. Hat Ihnen das geholfen?
Auf der Cap Anamur war ich ein halbes Jahr und hatte damals eine sehr kleine Kamera dabei, mit der ich mich frei auf dem Schiff bewegen konnte. Ich weiß, wie ein Schiff funktioniert, wie es sich bewegt und auch wie man sich der Crew gegenüber verhält. Diese Erfahrung hat mir jetzt sehr geholfen in der Vorplanung. Denn das Nadelöhr hier war, mit der Technik auf das Schiff zu gehen und direkt mit dem Drehen anzufangen. Dass die Schiffscrew und unser Team zusammen auf diesem Schiff funktionieren, musste vorbereitet werden. Deshalb hat der Regisseur mit uns eine kurze Testfahrt mit dem Schiff unternommen, um abschätzen zu können, wie wir mit den Bedingungen und der Crew zurecht kommen und wie wir uns auf dem Schiff bewegen können. Unsere Aufgabe war, unter diesen Bedingungen in vier Drehtagen viele Szenen zu bewältigen.
Wie genau lassen sich die Einstellungen vorbereiten auf einem Segelschulschiff bei voller Fahrt auf dem offenen Meer?
Wir haben versucht, die Kamera so frei wie möglich sein zu lassen. Das bedeutet, dass wir auf diesem Schiff wenig bis gar nicht mit festen Auflösungen gedreht, sondern das spontan umgesetzt haben. Die Innenräume sind auf einem Museumsschiff entstanden. Dort konnten wir nicht bis ins letzte Detail leuchten, weil die Blickrichtungen nicht festgelegt waren.
Sie haben viel von der Schulter gedreht?
Dadurch haben wir relativ viel von der Schulter gedreht, aber nicht nur. Wir haben schon auch geleuchtet, aber meist von außen. Die Freiheit, in alle Richtungen zu drehen, ermöglichte es uns, kurzfristig den Blickwinkel zu ändern. Das kam auch der Authentizität zugute, denn wir konnten schnell mal mitnehmen, wenn sowieso ein Manöver passierte von der echten Crew oder wir haben reagiert, wenn die Sonne unterging und dann die Szene vor diesem Hintergrund aufgenommen.
Es gab zwei Kamerateams. Wie lief die Zusammenarbeit?
Die Produktionstage auf dem Schiff fanden am Schluss der Dreharbeiten statt. Resa Asarschahab und ich hatten schon 16 Drehtage, an denen wir uns gegenseitig kennen und verstehen lernen konnten. Meistens war es so, dass er mit am Set war und für weitere Einstellungen gesorgt hat, die wir mit einer einzigen Unit zeitmäßig nicht hätten realisieren können. Ganz oft konnte er einen eher ungewöhnlichen Blickwinkel einnehmen, beispielsweise ganz unter der Treppe. Unter dem enormen Zeitdruck wäre das für mich so nicht möglich gewesen. Wir hatten schon ein ordentliches Pensum auf diesem Schiff abzudrehen. Die Bilder der Second Unit sind super für die Kür. Der Film sollte schneller geschnitten werden und vor allem lebendig sein. Hierzu war es sehr hilfreich, dass wir nicht nur Schuss und Gegenschuss zur Verfügung hatten, sondern noch drei weitere Einstellungen von der Szene.
Das heißt der zweite Kameramann konnte weitgehend selbständig agieren?
Ja, es gibt zum Beispiel die Szene mit dem Rettungsboot, das ausgesetzt wird mit Crew, die in der Dunkelheit nach der Lilly suchen; diese Szene stand so ursprünglich gar nicht im Drehbuch, doch der Regisseur Raymond Ley und auch ich wollten sie unbedingt hineinnehmen. Es war uns wichtig, dass das Boot auf dem Wasser ist, und die Crew kann nichts sehen und auch nichts hören. Dadurch kann auch der Zuschauer spüren, dass diese Rettungsaktion scheitern wird. Ein Boot mit Besatzung auszusetzen und dort auf dem Meer zu drehen, nimmt mindestens einen halben Drehtag in Anspruch. Diese Szene hat dann der zweite Kameramann gedreht, der dafür rund vier, fünf Stunden unterwegs war, bis er die Szenen im Kasten hatte. Aber wir waren froh, dass wir sie hatten.
Welche Kamera-Technik kam zum Einsatz?
Wir haben mit der ARRI Amira gedreht, und ich wollte für die zweite Kamera eigentlich eine Alexa Mini einsetzen, dies war aber am vorhandenen Budget gescheitert. Wir haben dann die wesentlich günstigere Sony FS-7 Kamera verwendet, ein guter Kompromiss. Das hat auch gut funktioniert, allerdings haben wir den Unterschied teilweise beim Grading gemerkt. Wir hatten bei diesem Dreh nicht so viel gestalterische Möglichkeiten, einmal wegen der Zeit und zweitens vom Aufwand her. Das Lichtteam war sehr klein. Wir konnten und wollten die Sets nicht vollständig kontrollieren. Für solche Bedingungen ist die ARRI-Kamera am stärksten. Sie ist am meisten belastbar, ob nun Fehlbelichtungen oder nicht ausgewogene Kontraste und vielleicht auch Farben, die nicht so ganz sauber sind, alles das steckt sie weg; sie reagiert im Grading noch am besten und funktioniert noch am filmischsten.
Sie haben viel mit Zooms gearbeitet?
Wir haben viel mit Zoomobjektiven aufgenommen, dem Compact Zoom von ARRI. Der Regisseur wollte nicht konventionell drehen und vor allem Druck ausüben auf die Figur und auch auf die Zuschauer. Deshalb sind wir mit relativ vielen Einstellungen sehr nah, wir zoomen, und die Kamera ist unruhig. Wir haben Druck erzeugt mit einer Unruhe, durch Zooms und sogar Zooms, die nach Fehler aussehen, wie ein kurzes Heranrucken, dazu mit starken Kontrasten sowie mit Unruhen im Bild. Es sollte lebendig sein und nicht wie ein cleanes statisches Bild wirken.
Und bei den Nachtaufnahmen?
Für die Nachtaufnahmen hatten wir Festbrennweiten dabei mit einer besseren Blende, die musste ich nehmen, wenn wirklich zu wenig Licht für die Zooms vorhanden war. Bei den Zooms mit Blende 2.9 kamen wir da nicht mehr weit und mein Eindruck war, dass sie noch etwas lichtschwächer waren.
Wie entstehen diese dokumentarischen Bilder, etwa wenn die Lilly ihre Höhenangst schildert?
Bei unserem Testdreh auf dem Schiff waren auch zwei Schauspieler dabei, eine davon war die Hauptdarstellerin Maria Dragus. Ich hatte eine kleine Fotokamera, mit der wir diese Szene gedreht hatten. Und das wirkt gleich ganz anders. Das war praktisch eine dokumentarische Situation nur mit der Schauspielerin, die dann dafür wieder in ihrer Figur war.