Holobay aus Hamburg leistet Entwicklungsarbeit in der Virtual Production
Virtuelle Pioniere
von Timo Landsiedel,
Virtuelle Produktion ist längst keine Zukunftsmusik mehr. Mit digital erstellten Inhalten und einer LED-Wand oder Greenscreen erlebte die Produktionstechnologie gerade zur Coronakrise einen Boom. Producer Dan Weigl, DIT Fabian Schmid und Pipeliner Simon Kebeiks gehen noch einen Schritt weiter und bieten mit ihrem Holobay-Kollektiv Know-how, Workflows und eine Pipeline für interaktive Inhalte – mit vor allem für szenische Einsätze spektakulären Ergebnissen.
Als die Produktionen im Frühjahr 2020 herunterfuhren, kamen aus der Branche lauter werdende Rufe nach virtuellen Studios und neuen Produktionswegen. Diese Appelle hörten auch Werbefilmproduzent Dan Weigl, DIT Fabian Schmid und Post-Pipeliner Simon Kebeiks. Sie hatten bereits eine Vision für die Nachfrage der Branche: Virtual Production. Eine höchst interessante Entwicklung dieser Produktionssparte ist die Kombination von LED-Wand und fotorealistischen Inhalten aus der Unreal-Game-Engine.
Überraschend mag sein, dass keiner der drei Holobay-Macher an der Game-Engine sitzt. Denn die ist nur ein mögliches Mittel zum Zweck, wenn auch ein aktuell stark gefragtes. Das Team sieht sich viel mehr als ein Unternehmen für Virtual Production Services, das sämtliche Elemente von Virtual Production anbietet. „Das allerwichtigste ist die Prüfung auf Umsetzbarkeit“, so Dan Weigl. „Eignet sich das Konzept des Kunden überhaupt für Virtual Production oder fährt die Produktion nicht besser mit echten Drehorten oder Greenscreen?“ Für Weigl ist der wichtigste Faktor ihrer Leistung die Beratung. Hier werden die Weichen gestellt, ob eine kostenintensive Virtual Production zur Umsetzung der Idee das geeignete Tool ist. Für die einzelnen Bestandteile holt das Team dann weitere Spezialisten dazu oder mietet sich in Produktionsstudios ein. „Die LED-Wand gehört nicht uns, sondern einem Partner. Die Artists sind nicht bei uns angestellt, aber wir können sie hinzuholen. Bei jedem Projekt entscheidet sich dann individuell, ob das Unreal Artists sind oder klassische CGI-Artists“, so Weigl.
Was heißt Virtual Production?
Die Aufgabenteilung der drei Gründer ist hier klar abgegrenzt. Dan Weigl bekommt über seine Werbeproduktion die Anfragen der Kunden und spricht initial mit ihnen über ihr Vorhaben und kann erste Kostenfragen klären. Fabian Schmid ist der Ansprechpartner für technische Fragen am Set oder bezüglich der Dreharbeiten. Er achtet auch gegebenenfalls am Set darauf, dass eine dort gefasste Idee auch umsetzbar ist. Simon Kebeiks wiederum stellt sicher, dass die gesammelten Assets angemessen aufbereitet für die Bespielung der Wand und für die Postproduktion zur Ver- fügung stehen und die Artists bekommen, was sie brauchen.
Der aktuelle Virtual-Production-Trend bringt zwei Aspekte vorangegangener Entwicklungen zusammen. Das ist einerseits die bereits mögliche Einbindung von Inhalten in einen 3D-Raum, der sich über optische Trackingsysteme auch in Relation zur Kamera setzen ließ. Der zweite Aspekt ist einer der ältesten Filmtricks der Welt: die Rückprojektion. Auf eine durchscheinende Leinwand wird von hinten Bewegtbild oder auch ein Dia projiziert. Der Effekt ist seit jeher immersiv, da durch die Bewegung eine Echtzeitkomponente vorgegaukelt wird. Die gegenwärtige Entwicklung bringt Kameratracking und Echtzeit-Manipulation zusammen. Völlig neue Möglichkeiten bietet hierbei die Unreal-Game-Engine, die von Spieleentwickler Epic Games entwickelt wurde. „Das Besondere an einer Spieleengine ist: Alles wird in Echtzeit berechnet, im Gegensatz zur klassischen Postproduktion, wo wir immer über Nacht rendern müssen.“ Mittlerweile ist die Echtzeitberechnung in Unreal so gut geworden, dass sie kaum noch von den in der Postproduktion generierten CGI-Bildern zu unterscheiden ist.
Die vorherrschend angefragte Kombination aus LED-Wand, Kameratracking und fotorealistischer Welt aus der Unreal Engine ist aus gutem Grund solch ein Renner. Faktisch kehrt die kreative Kontrolle über das Bild ans Set zurück. Wurde bei CGI-lastigen Szenen viel in die Post geschoben, kann nahezu alles wieder in-camera stattfinden. Mit der LED-Wand als Drehort kann frei kadriert und visuell gearbeitet werden. Schauspieler und Crew müssen sich nicht vorstellen, was später auf der grünen Wand entstehen wird. Zudem finden die Dreharbeiten in der kontrollierbaren Studioumgebung statt. Die Produktion ist so unabhängig von natürlichem Licht- und Wetterumschwüngen. Das macht diese Produktionen auch verlässlicher in der Kalkulation. [14515]