In Südtirol und Franken entstand im Frühjahr 2015 der Märchenfilm „König Laurin“ unter Regie von Matthias Lang. Das Team um DoP Kaspar Kaven wollte absichtlich weg von den adretten Märchen des ARD-Nachmittags. Ab heute ist der Film auf Blu-ray und DVD erhältlich. Für uns ein Anlass, den ersten Teil unseres Artikel aus unserem Film & TV Kameramann 7-8/2016 hier zu veröffentlichen.
Dreharbeiten in den Bergen sind toll. Es gibt frische Luft, die Crew ist stets in der Natur, und für den Kameramann ist es ein wahres Fest. In welche Richtung er auch schwenkt, überall fantastische Panoramen. Jeder Schuss ein schönes Bild. Nur einen Haken hat die Sache: Das Wetter kann hier oben innerhalb von Minuten umschlagen.
Dabei muss es nicht mal der Schneesturm sein, der das Set tief friert, alle Anschlüsse in den Orkus fahren lässt und ein Weiterarbeiten unmöglich macht. Schon das Verschwinden der Sonne – oder deren plötzliches Auftauchen, wenn der Anschluss keine hatte – kann für das Licht- und Kamerateam zu einem unüberwindbaren Problem werden. Große Produktionen stellen sich einfach so viel Lichtausrüstung hin, dass sie gegenleuchten oder Sonne spielen können. Handelt es sich um einen abendfüllenden Abschlussfilm der Hochschule für Fernsehen und Film München, ist dafür – trotz diverser Fördertöpfe – selten das Geld da.
Auf „König Laurin“, Abschlussarbeit der HFF-Absolventen Kaspar Kaven, Kamera, und Matthias Lang, Regie, traf genau das zu. Beide Filmemacher fingen ihr Studium 2006 an der Hochschule an, Kaven studierte Dokumentarfilm mit Schwerpunkt Kamera. Sie lernten sich beim ersten Kurzfilm „In Formatiker“ kennen, den auch schon „König Laurin“-Produzent Felix von Poser produzierte.
Kaven kam nach dem Abitur erstmals professionell mit Film in Kontakt. Eigentlich wollte er Surf- und Snowboardfilme drehen, wurde bei den Firmen jedoch stets aufgrund mangelnder Erfahrung abgelehnt. Also machte er Praktikum nach Praktikum – vergeblich. Doch er gab nicht auf und absolvierte ein 10-monatiges Studium an der Bayerischen Fernsehakademie, auf das ein Durchlaufen der ARRI-Abteilungen folgte. „Denn das Kamerafeuer hatte mich gepackt“, sagt Kaven.
Schließlich begann er zu assistieren und bewarb sich 2005 an der HFF München. Es folgte ein 5-jähriges Studium, während dem er Matthias Lang zusagte, dessen Abschlussfilm zu fotografieren. Das brauchte weitere fünf Jahre, da beide bereits zum Ende des aktiven Studiums arbeiteten. Zudem entwickelte Lang seinen Film und stellte die Finanzierung auf die Beine.
Authentischer Look
„Mich hat an ,König Laurin’ sehr gereizt, dass es ein Fantasyplot und historischer Stoff ist“, sagt Kaspar Kaven. „Es war für mich eine Herausforderung, ein sehr aufwändiges Fantasydrehbuch mit verhältnismäßig geringen Mitteln umzusetzen.“ Kaven macht im Alltag viel Werbung und hatte das Glück, in den letzten Jahren je einen abendfüllenden Spielfilm pro Jahr drehen zu können. „Ein Entwurf, der für mich viel Reiz hat, weil ich gerne vielseitig arbeite“, so Kaven. Bei „König“ Laurin kam ihm die dokumentarische Arbeit zugute, aber auch die Erfahrung mit großen Teams und Spezialausrüstung.
Im Herbst 2014 war es dann soweit. Die Vorproduktion startete. Regisseur Matthias Lang war laut Kaven durch den sechsjährigen Entwicklungsprozess hervorragend vorbereitet. Er hatte ganze Datenbanken angelegt, in denen er Filmausschnitte sammelte, die den Szenen ihres Films ähnelten. Diese analysierte das kreative Team schließlich.
„Es klingt immer so abgedroschen, aber wir wollten einen authentischen Look haben“, sagt Kaven. Sie wollten nicht wie viele deutsche Kinderfilme partout darauf achten, brav zu bleiben, sondern ihren jungen Zuschauern etwas zutrauen. Das hieß echte Motive mit Patina, die denen im Mittelalter nachempfunden waren, keine kitschigen Thronsäle in Kaugummifarben. „Diese Filme haben absolut ihre Berechtigung, ich habe ja selbst mit ,Das Märchen von der Prinzessin, die unbedingt in einem Märchen vorkommen wollte’ so einen gedreht.
“ Es ist also keine generelle Ablehnung dieser Machart. Doch wie bei anderen Filmen auch, gibt es unterschiedliche Weisen, sich einem Stoff zu nähern. Hier wählte das kreative Team in der Vorproduktion die der authentischen Schilderung der Handlungsorte. Die Sage vom König Laurin, dessen Rosengarten für das Alpenglühen verantwortlich ist, ist ein mittelhochdeutsches Heldenepos aus dem 13. Jahrhundert und hat daher – trotz Fantasy-Einschlag – eine grobe zeitliche Verortung, an der sich Kostüm- und Szenenbild orientieren konnten.
Im November und Dezember 2014 stießen immer mehr Department Heads zum Team. Bereits früh war auch Szenenbildner Maike Althoff eingebunden worden. Auch Oberbeleuchter Martin Niklas stand schnell fest. Bei einem Debütfilm ist es ja oft so, dass viele Positionen mit von der Assistentenfunktion aufrückenden Filmschaffenden besetzt werden.
Kaven war es wichtig, an Schlüsselpositionen erfahrene Leute zu haben. Niklas gehörte dazu, auch Key Grip Bastian Huber arbeitet schon länger auf dieser Position. „Da brauchte ich Leute mit einer gewissen Berufserfahrung, allein wegen der Gefahren im Hochgebirge“, sagt Kaven. „Wenn man da einen Kran auf einem Felsen aufbaut, muss das sicher sein!“
Keine flachen Bilder
Während dieser Zeit festigte sich das visuelle Konzept. „Wir haben schon immer darüber geredet, dass unsere Motive eine Tiefe haben mussten, dass wir viel mit Anschnitt arbeiten werden und wir daher Vordergründe brauchen“, erläutert Kaven. Das wurde früh mit der Szenenbildabteilung besprochen, damit hier zusammengearbeitet werden konnte.
Dabei gab es keine besonderen Wünsche Kavens an Maike Althoff. Es war letztlich so, dass jedes Motiv durch die frühe Kommunikation fast 360 Grad bespiel- und filmbar war. Lang und Kaven war zudem wichtig, dass die Kamera stets in Bewegung sein sollte, beide wollten statische Tableaus vermeiden. „Im Königssaal sieht man das ganz gut, auch die Patina“, erklärt DoP Kaspar Kaven. „Die Wände waren nicht verputzt, überall sind Strukturen drin. Wir haben diesen Tisch im Vordergrund und der Shot ist sehr bewegt.“
Die letzten zwei, drei Monate vor dem Dreh, wurde dann sehr intensiv nach eben diesen Motiven gesucht. Das stellte sich als große Herausforderung heraus. Zwar ist Matthias Lang selbst Südtiroler, kennt also die Gegend sehr gut. Und auch Kaspar Kaven hatte dort bereits Dreherfahrung gesammelt und so einige Burgen und Schlösser besichtigt.
Aufbau für das Turnier am Sellajoch.°
Dennoch mussten sie mit dem gesamten Kreativteam noch mal alle in Frage kommenden Orte abklappern. Es galt, die beste Kombination zu finden, um einerseits in den Lieblingsmotiven zu drehen, und andererseits nicht ständig große Umzüge veranstalten zu müssen. Kurz vor Drehbeginn hatte Kaven dann noch ein besonderes Erlebnis, als er die Lager- und Werkstatthalle der Ausstattungs- und Szenenbildabteilung betrat.
„Ich kam so zwei Wochen vor dem ersten Drehtag in Südtirol an und betrat diese alte Halle. Überall standen die Requisiten und Props, die die über Wochen gebaut hatten. Das war umwerfend!“ Insgesamt waren es zwischen 20 und 30 Mitarbeiter, die zu verschiedenen Zeitpunkten in der Szenenbildabteilung mitarbeiteten. Vom Requisitenfahrer bis zum Bühnenmaler. Kaven ist sich sicher: „Ich bin Maike Althoff und ihrem Team wahnsinnig dankbar, weil sie einen großen Anteil zu diesem Ergebnis beigetragen und sich richtig reingehängt haben.“
Textur
Kaven drehte auf der ARRI Alexa. Der DoP unternahm jedoch einiges, um gegen deren sauberen Digitallook anzukämpfen. Kaspar Kaven wählte Leica Summicron-Objektive. „Die haben von Natur aus einen schönen, weichen Schärfeverlauf“, sagt der Kameramann. Ihm ging es darum, Textur ins Bild zu bekommen. „Wir haben viel mit Filtern gearbeitet, ,Hollywood Black Magic’, also die ganz leichten 1/8 und 1/4, die dem Bild eine gewisse Softness geben, die grad einem historischen Stoff gut tut.“
Weitere Textur brachte Kaven direkt am Set ins Bild, indem er häufig die Nebelmaschine einsetzte. Oft war ohnehin echtes Feuer mit Rauch und Rußentwicklung im Bild. „Oft hätten wir nicht mal die Chance gehabt, das Bild sauber zu halten“, scherzt Kaven. Für sämtliches Feuer, ob Kamin oder Fackel, gab es den gesamten Dreh über einen SFXler, der sich nur darum kümmerte. Das war bereits eine frühe Lichtüberlegung Kavens gewesen: „Was war überhaupt in der Zeit an Lichtquellen möglich? Sonne, Mond und Feuer – mehr nicht. Das haben wir auch so verwendet.“
Beratung zwischen den Kameras: Kaspar Kaven prüft das Bild.°
Rund die Hälfte des Filmes drehte Kaven mit A- und BKamera, je einer Alexa, manchmal war diese B-Cam eine Amira. Hinzu kam bei VFX-lastigen Sequenzen eine C-Kamera. Hier kam eine RED Dragon zum Einsatz. Diese wurde dann passenderweise auch gleich von VFX Supervisor Holger Neuhäuser geführt und war dabei, wenn aufwändige Keys auf der Dispo standen.
Das Team drehte in 2K und Apple ProRes 4444, das Format des Filmes ist Cinemascope, gecroppt. Kaven hatte kurz überlegt, sich für anamorphotische Linsen einzusetzen. Die Crew entschied sich dagegen, aufgrund der vielen VFX-Shots. „Wir wussten, was man sich in der Postproduktion mit Anamorphoten einhandeln kann. Das wäre noch mal viel aufwändiger geworden“, so Kaven.
Am 27. April starteten die Dreharbeiten. Dieser Termin hatte einen ganz besonderen Grund. Der lag in der Geschichte begründet. „König Laurin“ spielt in einem Königreich, dessen gesamte Pflanzen nach dem Vertreiben des Zwergenvolkes abgestorben sind. Wer die Alpen Südtirols kennt, weiß, im Winter gibt es Schnee, im Sommer blüht und grünt es an jeder Ecke.
Das Team hatte sich also genau das Zeitfenster für den Dreh ausgesucht, das zwischen Schneeschmelze und Sommerausbruch lag. „Da hatten wir eine ganz schöne Hürde zu nehmen, Motive zu suchen, wo wir das im Ansatz erzählen konnten.“ Ganz ohne VFX ging es dann nicht, doch auch das war bereits vorab geplant.