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Dreharbeiten für zwei Dokumentationen in Feuerland

Vorbereitung und Rahmenbedingungen: Reise ins/mit Glück 1/2

Flexibilität setzt oft ausreichende Vorbereitung voraus. Vor allem, wenn man als Kamerateam in Südamerika unterwegs ist und nicht mal eben Zusatzausrüstung dazu mieten kann. Uwe Agnes und Bernd Siering erzählen in der Ausgabe 4/2016 von ihrem Dreh in Feuerland. 

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(Bild: Uwe Agnes & Bernd Siering)

Auslandsdrehs sind keine Vergnügungsreisen, obwohl bei Unbeteiligten manchmal dieser Eindruck aufkommt und auch geäußert wird. In Wirklichkeit ist es das wahre Vergnügen, sich am Ende der Reise im Sessel an Bord einer hoffentlich zuverlässigen und angenehmen Fluglinie zurückzulehnen, sich am ersten Gin-Tonic zu erfreuen, und zwar im Bewusstsein, dass wieder einmal alles gut gegangen ist. Denn Exposé, Treatment, E-Mails und Telefonate mit kenntnisreichen Kontaktpersonen vor Ort und schließlich ein Drehplan über zwei Seiten im A6-Projekt-Notizheft dienen eher der eigenen Beruhigung und dem Gefühl, gut vorbereitet loszufliegen, als dass sie eine auch nur halbwegs verlässliche Vorwegnahme des Geschehens während der Dreharbeiten wären. Denn unterwegs ist sowieso immer alles ganz anders als wir es uns vorgestellt haben. Bis also alles wieder einmal gut gegangen ist, hat man nichts anderes als eine Wette mit dem Schicksal auf einen Erfolg der Dreharbeiten abgeschlossen, nämlich in Höhe der Brutto-Produktionssumme. Deshalb ist es eigentlich fast immer so, dass man sich erst im Nachhinein so richtig klar darüber wird, was eigentlich alles hätte schiefgehen können, und sich dann im Team eine große Erleichterung breitmacht und die Erkenntnis dämmert: wir haben dieses Mal richtig Glück gehabt!

Double Feature

Zwei Wochen vor diesen Gedanken sitzen wir im Linienflug nach Feuerland, um dort innerhalb von nur 14 Tagen den größten Teil von gleich zwei 45-minütigen Dokumentationen im Auftrag von ZDFinfo zu drehen. Die erste befasst sich mit Kap Hoorn, dessen Entdeckung genau 400 Jahre her ist. Damals entdeckte eine von niederländischen Kaufleuten finanzierte Expedition den neuen Seeweg nach Asien, der nicht wie die Route um Afrika oder durch die Magellanstraße unter der Kontrolle der Ostindien- Kompanie VOC stand, und benannte den letzten Zipfel Land nach der Heimatstadt Hoorn. Noch heute ist die Umrundung von Kap Hoorn eine der gefürchtetsten Passagen der Seefahrt, geprägt von Kälte, miserablen Sichten und endlosen Stürmen.

Im zweiten Projekt geht es um den Abenteurer und Piloten Gunther Plüschow, der Ende der Zwanziger Jahre in Patagonien mit einem Heinkel-Doppeldecker waghalsige Flüge unternahm, die bis dato ungesehene Einblicke in die Topografie der Region ermöglichten, letztlich aber ihn und seinen Flugingenieur Ernst Dreblow bei einem Absturz das Leben kosteten.

Der rote Faden in beiden Stücken ist die Reise des Expeditionsleiters und Polarforschers Arved Fuchs, der im Dezember 2015 mit seinem Segelschiff „Dagmar Aaen“ in der Region unterwegs ist und mit uns den Spuren der Entdecker und Abenteurer folgt. Die „Dagmar Aaen“, ursprünglich ein dänischer Haikutter Baujahr 1930, nur 18 Meter lang und speziell für Fahrten in den Polarregionen umgebaut, wird uns zu den verschiedenen Drehorten bringen. Wir werden aber auch auf dem Schiff übernachten und mit insgesamt neun Mann das Leben an Bord teilen.

Das schließt neben den Abenteuern der Seefahrt auch profane Tätigkeiten ein wie Behördengänge zum Ein- oder Ausklarieren und die „Backschaft“ – so nennt der Seemann den Spül- und Reinigungsdienst an Bord. Unser einziges Privileg als Drehteam: wir müssen keine Wache gehen. Aber es gibt auch keine Beobachtung des Geschehens und der Protagonisten aus der Distanz. Wir sind mittendrin. Ganz allgemein ist der Platz knapp an Bord. Für die persönliche Hygiene gibt es ein kleines Waschbecken gegenüber der Toilette, und da dort die Stehhöhe zu wünschen übrig lässt, putzt man sich die Zähne am besten, während man sitzend parallel andere Dinge tut. Als persönlichen Rückzugsort gibt es nur die eigene Schlafkoje, die in Form und Größe einem Sarg ähnelt und deren Deckenhöhe das Lesen großer Bücher nicht erlaubt.

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Uwe Agnes, Bernd Siering und Tim B. Frank bereiten die DJI-Inspire-Drohne vor. (Bild: Uwe Agnes & Bernd Siering)

Es gibt auch so gut wie keine Stauräume für unsere Ausrüstung, und obwohl wir das im Voraus wussten und unser Equipment so weit wie möglich eingeschränkt haben, ist unsere DJI-Inspire-Drohne in ihrem Hartschalenkoffer eigentlich ständig im Weg.

Abgesehen von der Inspire haben wir als Hauptkamera unsere JVC GY-HM800 dabei, die sich als Arbeitspferd unter schwierigsten Bedingungen seit Jahren bewährt. Der Drohnen-Operator Tim B. Frank hat zusätzlich seine Sony PXW-FS7 mitgebracht, was uns in die glückliche Lage versetzt, einige Motive und insbesondere O-Töne im Zwei-Kamera-Dreh abzudecken. Dass, wie ein erster Blick zeigt, die beiden Kameras in der Grundeinstellung einen sichtbar unterschiedlichen Bildeindruck liefern, kümmert uns zunächst einmal wenig. Zwei Kameras beim Dokumentardreh sind der schiere Luxus, und wir werden sie später beim Schnitt ohne viel Aufwand matchen können. Ansonsten brauchen wir nicht viel. Zwei Akkus pro Kamera, die Ladegeräte, ein Wechselobjektiv für die Sony FS7, einige 32-GB-SD-Karten, ein Macbook Air und zwei externe Festplatten mit jeweils 1 TB Speicherplatz sind alles, was wir unter Deck verstauen müssen.

Ohnehin ist der Dreh auf einem kleinen Schiff sehr speziell. Vom Stativ zu drehen bringt gar nichts, denn dadurch wirkt das Fahrzeug starr und unbeweglich, während der Horizont schaukelt. Aber für den richtigen visuellen Eindruck muss es nun einmal genau umgekehrt sein. Also ist hier reine Handarbeit gefragt, um die Schiffsbewegungen mit der Kamera so auszugleichen, dass der Horizont immer in der Waage bleibt. Das will geübt sein, damit man nicht „überzieht“, denn keine Welle hat die gleiche Höhe und Richtung wie die vorige. Aber dafür werden die Außenaufnahmen vom Schiff viel einfacher als früher sein, denn wir können sie statt vom wackligen Beiboot aus mit unserer Drohne drehen. Wie sind wir nur früher ohne sie ausgekommen?

Österreich am Meer

An unserem ersten Tag an Bord im Hafen von Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt, riecht die Luft wie in einem alpinen Skigebiet eine Woche nach Ende des Liftbetriebs. Die Sonne steht hoch am Himmel, und es ist angenehm warm. Hier auf der Südhalbkugel ist drei Wochen vor Weihnachten gerade Hochsommer. Überhaupt wirkt die Szenerie, als habe jemand Österreich kurzerhand an die Küste verlegt, da hier 2.000 Meter hohe Berge direkt ins Meer übergehen – eine faszinierende Landschaft.

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Arved Fuchs mit dem Consumer-Gerät, der JVC GZRX515, die wasserdicht, staubdicht und stoßfest war. (Bild: Uwe Agnes & Bernd Siering)

Aber die Gegend hat ihre Tücken. Herrschten gerade noch frühlingshafte Temperaturen und blauer Himmel mit hübschen Wolkenformationen, so faucht plötzlich eine Walze aus Eisluft heran, gefolgt von Sturm und Schneegestöber. Eine erste Warnung, dass es in der Kap-Hoorn-Region so etwas wie beständiges Wetter nicht gibt. Leider sind wir aber in allem, was wir in den nächsten zwei Wochen vorhaben, auf passendes Wetter angewiesen. Wir brauchen halbwegs stabile und ruhige Bedingungen für die geplanten Drohnenflüge. Wir wollen mit Kleinflugzeugen und Hubschraubern fliegen, und wir möchten am Kap Hoorn einen Landgang machen. Bei alledem wollen wir auch die „Dagmar Aaen“ das Kap umrunden lassen und nicht zuletzt auf ihr segelnd unsere anderen Drehorte erreichen. Nachdem wir jetzt vor Ort einen kleinen persönlichen Einblick in das patagonische Wetter gewonnen haben, sind wir doch ein wenig beunruhigt, ob sich in den zwei Wochen Drehzeit alles realisieren lassen wird.

Vielleicht war es eine blöde Idee, einen knapp bemessenen Outdoor- Dreh in der sturmreichsten Gegend der Welt anzusetzen. Der erste ernsthafte Termin ist erst für den nächsten Tag organisiert. Also ziehen wir los und drehen „Stadtbilder“ von Ushuaia. Das ist nichts weiter als eine Umschreibung von Beschäftigungstherapie für diejenigen, die es nicht aushalten, stillzusitzen und nichts zu drehen, während es draußen hell ist. „Stadtbilder“ sind deshalb allenfalls nützlich für die geistige Hygiene. Für den Schnitt taugen sie leider nur in den seltensten Fällen.

Plüschows Erben

Im Dezember 1928 landete Gunther Plüschow mit seinem Doppeldecker in Ushuaia. Es war das erste Flugzeug überhaupt, das dort ankam, und die Einwohner von Ushuaia pflegen diese Erinnerung, besonders aber tun das die Flieger. Mit ihnen wollen wir reden und sie bei ihren Flügen in der heutigen Zeit beobachten. Auf den ersten Blick sieht das Wetter brauchbar aus, also machen wir uns auf den Weg zum Flugplatz. Er ist nur fünf Minuten zu Fuß von unserem Bootssteg entfernt. Als wir dort ankommen, hat der Wind leider schon merklich aufgefrischt.

Der Pilot, mit dem wir verabredet sind, im täglichen Leben Software-Entwickler, mit mächtigem Schnauzbart und im schmucken Overall, schüttelt bedenklich den Kopf. Nein, heute werden sie wohl nicht fliegen, jedenfalls nicht bald. Der Wind kommt von Norden, über die Berge, und das bedeutet unberechenbare Fallwinde, die ein kleines Flugzeug wie die Piper 28 in Sekunden mehrere hundert Fuss in die Tiefe reißen können. Und gerade bei der Landung kann innerhalb dieser hundert Fuss ohne weiteres der unnachgiebige Asphalt der Landebahn liegen. Also bleibt er fürs erste am Boden. Das Interview mit ihm drehen wir trotzdem schon einmal, im Hangar vor seiner Maschine, während der Wind mit den Wellblechplatten rappelt.

reise-mit-ins-glück-4Eine Anfangsklappe für zwei Kameras im Kleinstteam.°

Danach beschäftigen wir uns mit dem lebensgroßen Nachbau von Plüschows Heinkel 24, der schon leicht ramponiert neben dem Aero-Club steht. Der Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland und ehemalige Präsident des Aero-Clubs Rafael Frank brachte 2009 das Projekt auf den Weg. Leider erwies sich das Modell als ein wenig zu originalgetreu, denn seine Aerodynamik war so gut, dass die Maschine bei einem der zahlreichen Stürme gern ab – heben wollte. Weil sie aber festgebunden war, ging sie stattdessen in Stücke.

Mittlerweile hat wundersamerweise der Wind nachgelassen und wir können unseren Flug doch noch machen. Die Piper hat sogar schon vormontierte Halterungen für unsere GoPros. An diesem denkwürdigen Montag beginnt unsere patagonische Glückssträhne. Am Abend finden wir uns noch zum Interview mit Honorarkonsul Frank ein, der auch dem Club der Freunde der deutschen Sprache vorsitzt. Er lädt uns ein, am nächsten Tag mit zum vierteljährlichen Clubausflug zu kommen. Das können wir auf keinen Fall ausschlagen. So machen wir einen hübschen Ausflug ins Landesinnere, bei dem wir strategisch auf verschiedene Autos verteilt werden, um mit möglichst vielen Mitgliedern Konversation zu treiben. Wir erleben an einem Tag vier Jahreszeiten, besichtigen den ältesten Bauernhof Patagoniens, essen Muffins mit einer Bundesflagge aus Zuckerguss und lernen den einzigen Club der Freunde der Deutschen Sprache kennen, in dem nur Spanisch gesprochen wird.

Lesen Sie hier den zweiten Teil des Berichts über den Dreh in Feuerland.

 

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