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Digitale Formate (4): Seeding-Kampagnen

Wirksam verbreiten

Video Campaigning ist mittlerweile ein fester Bestandteil vieler Marketingstrategien. Auch Nicht-Regierungs- und Non-Profit-Organisationen produzieren professionelle Filme für ihre Facebook-, Instagram- und YouTube-Auftritte. Wie sich Produktion und Verbreitung von Videos effizient miteinander verbinden lassen, weiß der Berliner Filmproduzent und Social-Media-Profi Jan Heilig. Für seine Kunden produziert und „seedet“ er Kampagnenvideos. Gunter Becker sprach mit ihm für unser Heft 7–8.2020.

Du hast dich mit einer Produktionsfirma auf die Videoproduktion für NGOs und NPOs spezialisiert. Gleichzeitig hilfst du mit deiner Mediaagentur, sozialen und politischen Initiativen ihre Kampagnenvideos im Netz zu verbreiten, manchmal auch kostenfrei. Wie kam es zu eurem Engagement?
Wir möchten in der Welt etwas zum Guten verändern, mithilfe der Fähigkeiten und Kompetenzen, die wir haben. Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind das? Zum einen das Storytelling mit digitalen Medien und zum anderen das Campaigning in den sozialen Medien. Mit diesen beiden Steckenpferden sind mein Team und ich, vier Feste und einige Freie, seit Jahren unterwegs. Klassischerweise betreuen wir mittelständische und große Organisationen, bei denen Online-Video und soziale Medien zwar mittlerweile zum Marketing-Mix gehören, die selbst noch kein großes Know-how aufgebaut haben und das lieber delegieren. Dass wir uns dabei auf NPOs und NGOs konzentrieren, hängt auch damit zusammen, dass dieser Kundenkreis Werte und Ziele vertritt, die wir teilen.

Um welche Art von Kunden geht es konkret?
Wir waren während der letzten Jahre zum Beispiel für die Caritas und die Welthungerhilfe, für öffentlich-rechtliche Sender, für die Albert Schweitzer Kinderdörfer, aber auch für die Naturschutzverbände BUND und NABU aktiv. Dabei arbeiten wir zwar in einer Marktnische, in der Kunden für eine Produktion wesentlich weniger zahlen als Kunden aus der Wirtschaft, dafür kennen uns aber die meisten in der Szene, weil wir spezialisiert sind. Zudem sind es uns die Inhalte wert.

Kannst du konkreter beschreiben, was das Spezielle an eurer Arbeitsweise ist?
Ein Beispiel: Als 2015 die Syrienkrise hochkochte und der arabische Frühling durch die Welt fegte, besorgten wir dem ZDF über unser Netzwerk Videomaterial aus Syrien, weil dort zeitweise keine Korrespondenten mehr arbeiten konnten. Gleichzeitig produzierten wir ohne Kundenauftrag den Film „Syria Inside“. Dessen Regisseur Tamer Alawam war damals bereits aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Für den Dreh kehrte er zurück. Er kam leider während der Dreharbeiten ums Leben.
Für ihn übernahm der junge syrische Schauspieler und Filmemacher Firas Alshater. Auch Firas kam dann nach Deutschland, um das Projekt hier fertigzustellen. Zusammen mit Firas entwickelten wir die YouTube-Serie „Zukar“. Das sind kurze Clips, in denen Firas als syrischer Geflüchteter den deutschen Alltag kommentierte. Die „Zukar“-Folge „Wer sind diese Deutschen?“ ging viral und erreichte über 2,5 Millionen Klicks auf YouTube und Facebook. Firas ist mittlerweile im Fernsehen zu sehen und veröffentlicht Bücher beim Ullstein Verlag.

Die „Zukar“-Folge „Wer sind diese Deutschen?“ des syrischen Filmemachers Firas Alkasher ging viral.

Aus „Zukar“ ergaben sich dann für uns wiederum bezahlte Aufträge, bei denen Firas als Host soziale Kampagnen präsentierte – unter anderem für die Verbraucherzentrale Bundesverband. So führt bei uns oft eines zum anderen. Bezahlte Produktionen wechseln sich mit Pro-Bono-Projekten ab oder lösen sich gegenseitig aus. Momentan unterstützen wir das Thema Seenotrettung und sind in Kontakt mit Sea Watch und Sea Hawk.

Gibt es eine spezielle Herangehensweise bei der Produktion solcher Clips für NGOs und NPOs? Ihr betreibt auch ein YouTube-Studio, das von euren Kunden genutzt werden kann.
NGOs und NPOs stellen wir das Studio für ihre Kampagnen zur Verfügung, manchmal auch kostenfrei. Pro-Bono-Kunden, die wir hier im Studio hatten, sind etwa die Deutsche Jugendpresse e.V., die Jugendmedien-Organisation JUP!, Gangway e.V. für entlassene Strafgefangene oder die Hospiz-Stiftung Björn-Schulz-Stiftung. Auch das Zentrum für politische Schönheit war schon hier.

Welche Technik setzt ihr im Studio ein?
Das Licht ist komplett LED-basiert. Ansonsten arbeiten wir mit kleinem mobilen Equipment, einer Panasonic GH4 und einer Panasonic HC-X1. Einiges drehen wir auch mit hochwertigen Smartphones. Das wird ja mittlerweile auch bei einer TV-Ausstrahlung akzeptiert. Bei unserem speziellen Klientel finde ich mittlerweile den Dreh mit den Smartphones sehr interessant. So haben wir kürzlich in einer Kindertagesstätte mit Kindern gearbeitet, die ganz offensichtlich nicht an Kameras gewöhnt waren, dafür aber an Smartphones. Der Unterschied in ihrem Verhalten je nach eingesetzter Technik war ganz augenfällig.

Neben der Produktion der Kampagnenvideos sorgt ihr auch für deren Verbreitung in den sozialen Netzwerken. Wie geht ihr da vor?
Mit meiner Produktionsfirma filmbit komme ich eigentlich aus der klassischen Filmproduktion. Durch die Arbeit im NGO-Bereich habe ich gelernt, dass die größere Herausforderung darin besteht, fertige Filme und Videos effizient und effektiv über die sozialen Medien zu verbreiten. Seinen Film einfach nur auf den eigenen Facebook- oder Insta-Account hochzuladen, reicht heute längst nicht mehr. Deshalb habe ich die Agentur Okayfactor gegründet, sozusagen als Ergänzungsangebot zur Produktion, mit der Dienstleistung der Verbreitung von Kampagnenvideos.
Es geht dabei um mehr als nur die technische Verbreitung und auch um mehr, als nur bezahlte Werbeflächen im Internet für ein Video einzukaufen, sondern um den Einsatz aller möglichen Online- und Offline-Verbreitungswege.

Ihr nennt das Verfahren „Seeding“ von Videos. Was verbirgt sich konkret hinter diesem Begriff und dem Vorgehen?
Seeding, ein Buzzword aus dem Marketing, lässt sich im Grunde einfach mit dem deutschen „säen“ übersetzen. Man verbreitet Videos, indem man sie, ähnlich wie Samen auf einem Feld, im Internet aussät, um dort Früchte tragen zu lassen. Übertragen auf das Online-Marketing mit Videokampagnen beschreibt es den Versuch, ein Video viral zu machen. Letztlich ist das ein manueller Prozess, bei dem man den Content auf möglichst vielen thematisch passenden Plattformen, von bestimmten Mitgliedern dieser Plattformen, teilen lässt. Man kann das auch durch einen Algorithmus erledigen lassen. Effizienter aber ist das persönliche Seeden durch reale Menschen, manchmal auch außerhalb der eigenen Bubble.
Ein Content muss ja initial immer auf bestimmte Klickraten kommen, um von Facebook, Instagram oder Twitter als relevant erkannt und ausgespielt zu werden. Wenn 500 Personen ein Video teilen, klappt das besser. Seeding ist also sozusagen die Handarbeit nach der Produktion.

Das Video „All That We Share“des dänischen TV 2 schaffte es mit Seeding auf über 20 Millionen Klicks.

Kannst du Beispiele für von euch betreute Seeding- Kampagnen von Videos nennen?
Da ist zunächst der erfolgreichste Social-Media-Clip, der in Deutschland bisher lief: „All that we share“ vom dänischen TV-Sender TV2: ein Plädoyer für Diversität und gegen Diskriminierung, ein Non-Profit-Projekt des Senders. Weil sich der Clip weder im dänischen Original noch in der englischen Übersetzung eigenständig in Deutschland verbreitete, auch wegen der besagten Algorithmen, hatten wir beschlossen, den Clip hier aktiv zu seeden. Zusammen mit TV 2 sorgten wir zunächst für deutsche Untertitel. Dann suchten wir 300 bis 400 Personen, die den Clip in ihren Social-Media-Umgebungen posteten. Das wiederum führte zu einem internationalen Feedback, weil Leute den Clip sahen, mochten und dann wieder von der deutschen in ihre jeweiligen Landessprachen übersetzten und weiter verbreiteten. Inzwischen hat „All That We Share“ die Marke von 20 Millionen Klicks gerissen. Auch dafür haben wir keinen Cent bekommen – das haben wir pro bono gemacht. [12826]

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