„Hinter der Kamera“-Podcast: Porträt des Coloristen, DIT und DoP Stefan Ciupek
Zusammen wachsen
von Redaktion,
Im „Hinter der Kamera“-Podcast von Timo Landsiedel unterhielt sich der Gastgeber in unserem Heft 9.2020 mit DoP Stefan Ciupek. Als DIT, Operator und Colorist arbeitete er jahrelang eng mit Anthony Dod Mantle zusammen. Im Podcast erzählt er von seinem Start in den Beruf, der frühen Liebe zur digitalen Kinematografie und die Pionierarbeit an dem Oscar-Gewinner „Slumdog Millionär“.
Stefan Ciupek drehte in den letzten 20 Jahren mit internationalen Größen in Russland, Indien, Kalifornien, Neuseeland und Südafrika. Wenn man sich mit seinem Karriereweg beschäftigt, fällt auf, dass er in unzähligen anderen Positionen am Set arbeitete. Darunter waren Digital Camera Supervisor, DIT und Camera Operator an der A- oder B-Cam, manchmal leitete er auch die Bildgestaltung der Second Unit – und er war auch in der Postproduktion tätig, vor allem als Colorist. Seinen großen Vorteil spielt er dabei früh aus, denn er war als Kameracrewmitglied und Colorist bei „Russian Ark“ 2002 quasi in der Geburtsstunde des digitalen Kinos dabei.
Digitale Kinematografie
Dabei war dieser Weg nicht vorgezeichnet. Stefan Ciupek wuchs südlich von Berlin in der DDR auf. Er kam schon als Kind mit Film in Berührung, denn seine Mutter dolmetschte für die internationalen DEFA-Produktionen die Hauptdarsteller aus Polen am Set. Mit zehn Jahren war er das erste Mal am Filmset und sorgte gleich für einen Nachdreh. Fasziniert von der Filmwelt mischte er sich unter die Komparsen in einer Kirchenszene. Diese spielte jedoch 1943. Als das Team ihn bemerkte, waren mehrere Einstellungen gedreht. Um sicher zu stellen, dass nicht irgendwo ein Kind in 1980er-Jahre Kleidung herumsitzt, wurde alles noch einmal gedreht. Die Familie floh in den 1980ern aus der DDR über Polen nach West-Berlin. Ciupek versichert, der Drehabbruch sei dafür nicht verantwortlich gewesen. In Berlin entdeckte Stefan seine Leidenschaft für die Fotografie. Mitte der 1990er drehte er eigene Kurzfilme, die er meist in Personalunion aller kreativen Gewerke umsetzte. Nach dem Abitur 1995 suchte er nach Wegen zum Film. Er wählte dafür ausgerechnet die bis heute wenig homogene Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton.
Dafür ging er zum Postproduktionshaus CinePlus, das die RTL-Produktion „Hinter Gittern – der Frauenknast“ betreute. Hier lernte er die Basics und arbeitete sich über Schnittassistenz und Postproduction Supervisor ans Set hinauf. Die drei Jahre seiner Ausbildungszeit verbrachte er dann größtenteils am Set von „Hinter Gittern“, war dort Bildtechniker und schließlich Camera Operator. Sein Ziel aber war das Kino. Also verließ er nach dem Abschluss der Ausbildung die Serie und arbeitete als Kameraassistent bei szenischen Produktionen. Hier fand er sich Anfang der 2000er Jahre am Set eines Musikvideodrehs mit einer der ersten HD-Kinokameras der Welt wieder. Die Bildgestaltung übernahm Jürgen Jürges, Regie führte Wim Wenders. Es handelte sich dabei um einen Prototypen der Sony F900. Aufgezeichnet wurde auf 42-Minuten-HDCAM-Bändern. Mit dieser Kamera würde George Lucas kurze Zeit später „Star Wars – Attack of the Clones“ drehen. „Ich habe gemerkt, das ist das Einläuten einer neuen Generation“, erinnert sich DoP Ciupek. „Hier kann man jetzt über digitale Kameras fürs Kinoformat nachdenken.“ Fortan setzte sich Stefan Ciupek intensiv mit den neuen Technologien auseinander. Mit der Firma Koppfilm aus Berlin wagte er sich auf dieses neue Terrain und leistete mit dem Team viel Pionierarbeit. „Da konnte ich sehr viel spielen, experimentieren und Sachen ausprobieren“, sagt Ciupek. Koppfilm hatte nicht nur State-of-the-art-Technik im Haus, an sie wendeten sich auch viele Produktionen mit Projekten, die diese Technik benötigten. So auch Regisseur Alexander Sokurow, der mit seinem Mammutprojekt „Russian Ark“ anklopfte.
Extrem unmöglich
Der Film sollte über 90 Minuten ein wilder Ritt durch rund 300 Jahre russische Geschichte werden. Gedreht werden sollte in der St. Petersburger Eremitage. „Das fand ich extrem unmöglich, aber auch extrem spannend“, sagt Stefan Ciupek, „aufgrund der Tatsache, wie schwer das umzusetzen wäre.“ Das alles zu einer Zeit, in der One-Shots weder In waren noch überhaupt in Kinoqualität möglich, denn auf Filmmaterial musste nach rund zehn Minuten eine neue Rolle nachgelegt werden. Es gab einige wenige Versuche in diese Richtung, so hatte Mike Figgis mit „Timecode“ im Jahr 2000 eine interessante, parallele Erzählung von vier Strängen inszeniert, die alle gleichzeitig auf der Leinwand zu sehen waren.
Doch „Timecode“ war auf Mini-DV entstanden. Sokurow aber wollte auf die große Leinwand. Die Sony F900 sollte genutzt werden, konnte aber auch nur um die 40 Minuten am Stück aufzeichnen. Sokurow wollte aber partout keine Schnitte, auch keine unsichtbaren. Also wurden diverse Optionen durchgespielt. Eine davon war, eine Studio-MAZ auf dem Rücken des Kameramanns zu platzieren. „Das war natürlich zum Scheitern verurteilt“, sagt Ciupek. Auch ein nebenher schieben auf einem Rollwagen wurde verworfen. Die Lösung war ein Harddiskrekorder-Studiosystem. Das war zwar auch weit davon entfernt, eine mobileLösung zu sein., aber zusammen mit den Konstrukteuren, einer Kölner Firma namens „Director’s Friend“, gelang es Ciupek, das System für den Dreh zu optimieren. So wurde „Russian Ark“ mit Tilmann Büttner als DoP an der Steadicam und Ciupek als Camera Supervisor zum ersten Dreh in der Filmgeschichte mit einem Festplattenrekorder. Gleichzeitig war es auch Ciupeks erster Film als Colorist. Über „Russian Ark“ wurde auch Kameramann Anthony Dod Mantle auf ihn aufmerksam. Jörg Schulze von Maze Pictures brachte die beiden bei einem Werbedreh zusammen. Daraufhin holte ihn der Brite in sein Kamerateam bei Thomas Vinterbergs Film „Dear Wendy“. In den Folge- jahren wuchs eine professionelle Freundschaft, die äußerst erfolgreiche Kollaborationen hervorbrachte.
Anthony Dod Mantle
Anthony Dod Mantle wurde für Ciupek zu einem Mentor. „Da haben wir eine tolle Symbiose entwickelt, in der ich viele gestalterische Sachen von ihm gelernt habe und ich ihm viele technische Sachen abgenommen habe“, so Ciupek. „Das war ein tolles Wachsen zusammen.“ Im visuellen und gestalterischen Prozess war Ciupek in den Projekten von Dod Mantle umfassend involviert, von den ersten Lookbesprechungen über die Dreharbeiten und das Grading bis zum Erstellen der Filmkopie. Ciupeks Einfluss auf Look und Drehentscheidungen wuchs dabei stetig. Der vielleicht größte Einfluss Ciupeks auf einen Film, bei dem er nicht DoP war, steckt in „Slumdog Millionaire“. Danny Boyle kam gerade aus dem Dreh von „Sunshine“, der ein intensives Studio-Dreh-Erlebnis war. „Meine Wahrnehmung war, er wollte einen großen Befreiungsschlag“, erinnert sich Stefan Ciupek. „Raus in die Slums von Mumbai, befreit von Studiozwängen zu drehen.“ Anthony Dod Mantle war sehr präzise, in dem was er wollte. Er brauchte eine Kamera, deren Body nicht größer als zwei Zigarettenpackungen war, aber die in Farbmetrik und Kontrastumfang mit einer Kinokamera mithalten konnte.
Geplant war, rund 70 Prozent auf 35 mm zu drehen, den Rest auf HD-Video. Das waren vor allem die schnellen, fast dokumentarischen Aufnahmen. Für diese testete Ciupek also Kameras und Aufzeichnungssysteme, die entweder aber zu groß waren, wie die ARRI D21, oder keine Kino- Bildqualität besaßen, wie die Panasonic-P2-Reihe. Dann stieß er auf die SI-2K von Silicon Imaging. Aus deren Pro- totypen bastelte Ciupek zusammen mit der Firma Pille aus Wiesbaden ein Aufzeichnungssystem, bestehend aus einem MacBook Pro in einem Koffer und einer Akku- Stromversorgung. Die Steuerung lief über den Touchscreen eines Auto-Navigationssystems. „Der Tag an dem Danny und Anthony die Hände an der Kamera hatten, war für sie eine Offenbarung“, erinnert sich Ciupek. „Sie stellten fest, okay, wir drehen jetzt viel größere Teile des Films damit!“ [13268]
Sie möchten mehr erfahren? Den kompletten Artikel gibt es hier!