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BR fordert Kameraleute zu kostenpflichtiger Statusfeststellung auf

BVFK kritisiert Schreiben des Bayerischen Rundfunks

Der Bundesverband der Fernsehkameraleute (BVFK) hat ein Schreiben des Bayerischen Rundfunks (BR) öffentlich gemacht, in dem der Sender die Kameraleute auffordert, ihre Selbständigkeit von einem privaten Unternehmen feststellen zu lassen. Wir erklären, warum der BVFK das für problematisch hält.

Das Thema ist kompliziert. Viele Selbständige hinter der Kamera müssen sich die Frage gefallen lassen, ob ihre Tätigkeit tatsächlich eine selbstständige ist – im wörtlichen und vor allem rechtlichen Sinn. Bei einer Studio-Kamerafrau zum Beispiel hieße das, ob ihre Tätigkeit tatsächlich die Anforderungen an selbstbestimmte Arbeitszeiten und Arbeitsort erfüllt, um nur zwei offensichtliche Aspekte zu nennen. Gesetzlich ist hier festgeschrieben, dass Filmschaffende, die diese Aspekte nicht erfüllen, angestellt sein müssen, mit allen durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgeführten Sozialabgaben. Im Bereich Studio-Kamera ist das auch die aktuelle Tendenz.

Der Vorgang der Feststellung, was denn nun zutrifft, ist seit Jahren Gegenstand der politischen Arbeit des BVFK. Denn die Feststellung des Sozialstatus kann rechtssicher laut BVFK nur durch die Deutsche Rentenversicherung Bund erfolgen und muss streng genommen für jede einzelne, aufgenommene Tätigkeit durchgeführt werden. Das aber kann mehrere Monate dauern, ist also im Produktionsalltag nicht praktikabel. Eine unklare Statusfrage kann bei Filmschaffenden jedoch dazu führen, dass sie nicht gebucht werden und bei Auftraggebern, dass sie im Falle einer Buchung im Nachhinein die Sozialabgaben abführen müssen, wenn die Selbstständigkeit nicht vorlag. Nachvollziehbar ist also, dass sich beide Seiten, Filmschaffende und Auftraggeber, mehr Sicherheit wünschen.

In den letzten Wochen des vergangenen Jahres 2020 erhielten EB-Kameraleute und EB-Assistenten, die für den Bayerischen Rundfunk tätig sind, ein Schreiben vom Sender. Darin wurden sie aufgefordert, für eine „rechtssichere Beauftragung sowohl für den Auftraggeber als auch für den Auftragnehmer“ bei einem externen Dienstleister – ein privates Unternehmen – eine Zertifizierung des Sozialstatus vornehmen zu lassen. Weiter heißt es, eine solche Zertifizierung gewährleiste „die Risiken einer Scheinselbstständigkeit so gering wie möglich zu halten und schließt den Vorwurf einer etwaigen vorsätzlichen Handlung aus.“ Außerdem setzt der BR eine Frist bis damals noch Mitte Dezember und kündigt an, das Zertifikat werde „Bestandteil der Ausschreibung sein“ – ohne Zertifikat also mutmaßlich kein Auftrag – und es wird behauptet, es sorge „mit geringem Aufwand für Sie, für eine sichere Beauftragung für Ihre Auftraggeber.“ Dieser „geringe Aufwand“ ist ein fortlaufender Jahresvertrag mit dem Anbieter und kostet laut Homepage des privaten Anbieters zwischen 348 und 708 Euro.

Rechtswirksamkeit fragwürdig

Der BVFK-Vorsitzende Frank Trautmann sieht das sehr kritisch. „Der BVFK schätzt sieht diese Bedingung als nicht rechtmäßige Einmischung in die unternehmerische Entscheidung der Freiberufler ein“, heißt es in einer Mitteilung des BVFK. „Besonders zu verurteilen ist, dass hier impliziert wird, ein privatwirtschaftliches Unternehmen könnte eine selbstständige Tätigkeit in irgendeiner Form zertifizieren. Laut Rechtsprechung darf eine Beurteilung dieses Sachverhalts nur von der Deutschen Rentenversicherung im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens der DRV-Bund nach § 7a SGB IV rechtwirksam beurteilt werden. Eine Zertifizierung durch ein privates Unternehmen ist rechtlich belanglos und schützt auch nicht vor einer strafrechtlichen Verfolgung bei dem Verdacht auf Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB).“

Der BVFK trat nach Bekanntwerden des BR-Anschreibens zeitnah in Kontakt mit dem Bayerischen Rundfunk, um schnellstmöglich ein Gespräch über eine Lösung anzustoßen. Der Verband arbeitet seit seiner Gründung 2009 intensiv an Lösungen für die Sozialstatusfrage und hätte sich gefreut, schon im Vorfeld als Gesprächspartner hinzugezogen worden zu sein, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Dass aktuell auch im Nachhinein kein Gespräch stattgefunden hat, irritiert die Handelnden beim BVFK, da der Verband in den letzten Jahren bei den Themen BVFK-Kamerazertifizerung und der Fachkunde für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (Teamkoordinator) sehr gut mit dem Bayerischen Rundfunk zusammengearbeitet hat.

Zwar hatte der Bayerische Rundfunk mittlerweile die Rückmeldefrist über eine beabsichtigte oder nicht beabsichtigte Zertifizierung vom 16.12.2020 auf den 15.01.2021 verlegt, doch ein Gespräch ist bis dato nicht zustande gekommen. Der BVFK hat den betroffenen Fernsehschaffenden nahegelegt, ein für ihren individuellen Fall angepasstes Schreiben vor der Frist zuzusenden, in dem die Zertifizierung abgelehnt und die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert werden. Der BVFK hingegen hat den Dialog noch nicht aufgegeben. Vorsitzender Frank Trautmann ist zuversichtlich, dass sich etwas bewegen werde und sieht auch bei diesem Thema Spielraum für eine gute Lösung für beide Seiten: „Ich glaube, es ist allen klar: Das geht nur gemeinsam.“ [14203]

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Freiberufler ist Freiberufler. Das kann auch das Finanzamt bestätigen. Außerdem wird er kaum eine Festanstellung bekommen, weil dann auch dafür eine Rente zu zahlen wäre.
    Der BR schießt ein Eigentor. Er spart doch Geld wenn er 5 oder 10 Einsätze im Monat an einen Freien vergibt.
    Ich erinnere an einen Bühnenarbeiter der auf mich zu kommt, einen Luftsprung macht und mitteilt, daß er einen befristeten Arbeitsvertrag für ein halbes Jahr erhalten.
    Ich habe sehr gern für den BR frei gearbeitet, aber als die Terminvergabe nur noch so lief : “Können Sie bitte gleich losfahren, wir brauchen Sie dringend.” — habe ich aufgegeben. Und gerade in dieser produktionslosen Zeit ist doch der Freie ein Segen für den Sender.
    Bitte widersprecht mir, aber hier wird ja kaum kommentiert.

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  2. Ich kann Jo nur zustimmen. Noch gar nicht lange her, wollte der BR nur noch die halbe Gage für Kameraleute während des Wintersports zahlen. Begrünung: Man wäre ja auch nur den halben Tag am Arbeiten. Weltweit!
    Danke, dafür. Auch in schlechten Zeiten muss man sich nicht alles antun.
    Wer soll so ein privates Gutachten eigentlich bezahlen?

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    1. Ja Beppo und dann noch da oben auf so’nem Bock stehen und frieren. Kenne ich auch.
      Aber das Festlegen des private Gutachtens ist wie die neue Datenschutzverordnung. Ein Konzert drehen und zittern, daß man keinen Zuschauer mit ins Bild bekommt.

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