DoP Moritz Mössinger entwickelt Analog-LUT für das Set
Auf der Suche nach der Film-LUT
von Gerdt Rohrbach,
Der Hamburger Kameramann Moritz Mössinger arbeitet seit vielen Jahren immer wieder auf analogem Film. Seine auf Super 16 und 35 mm gedrehten Werbefilme für Porsche oder Mercedes sind preisgekrönt. Da das Drehen auf Film aus zeitlichen oder auch budgetären Gründen oft nicht möglich ist, sucht er zusammen mit dem Coloristen Sönke Heuer und unterstützt von Matthias Greving von Kinescope Film seit längerem nach Möglichkeiten, den analogen Bildeindruck auf das digitale Bild zu übertragen. Wir sprachen mit ihm für unser Heft 5.2022.
Wie seid ihr darauf gekommen, dieses Projekt aufzulegen?
Der Wunsch, für ein digital aufgenommenes Bild einen analogen Look im Grading zu erzeugen, existiert vermutlich seit dem Wechsel von Analog- zu Digitalkameras. Auch wenn wir zurzeit ein Revival des analogen Films erleben und dem Wunsch, ein Projekt auf Film zu drehen, nicht sofort mit Kopfschütteln begegnet wird, gibt es einige Punkte, die oft dagegensprechen. Dabei kann es sich um die qualitativ schlechtere Videoausspielung am Set, das Budget, die Angst um einen eingebrannten Look oder auch zeitliche Restriktionen handeln, die eine digitale Kamera notwendig machen.
Ein paar dieser Punkte lassen sich rein technisch beheben, das Vertrauen in den Look muss jedoch schon in der Vorbereitung und am Set hergestellt werden. Hier würde ein Lookup-Table helfen, um den finalen Bildeindruck von Farbe und Kontrast schon am Set auf den Monitoren darstellen zu können. Für digitale Kameras ist dieser Workflow Standard, aber da die Zeit für Tests im Analogen gerade in der Werbung leider oft nicht da ist, kam bei mir der Wunsch auf, eine LUT für jedes Filmmaterial zu entwickeln, die ich, wie in der digitalen Welt, als Referenz schon am Set verwenden und nach dem Projekt auch dem Coloristen mitgeben kann. Bei dem Argument Budget oder Zeit muss man sich damit auseinandersetzen, wie sich der analoge Look am besten auf das digitale Bild übertragen lässt. Somit ist unser Ziel einerseits, den analogen Workflow durch eine LUT zu erleichtern, als auch im selben Test eigene LUTs für digitale Kameras erstellen zu können.
Was war eure Herangehensweise und wie verlief euer Test?
Um beide Aufgabenstellungen angehen zu können, haben wir einen Test mit Farbnegativen von Kodak (50D / 200T / 250D / 500T) auf Super 16 mit meiner ARRI SR3, als auch einer ARRI ALEXA und RED Gemini durchgeführt. Somit hatten wir genügend Referenzmaterial, mit dem wir arbeiten konnten. Dankenswerterweise wurden wir hierbei von Kinescope Film, Kodak und MBF Filmtechnik unterstützt.
Dazu haben wir zwei verschiedene Test-Sets aufgebaut. Wichtig war hierfür die Verwendung identischer, neutraler Objektive an allen Kameras, um das Bild nicht unnötig zu beeinflussen. Das erste Setup beinhaltete eine Graukarte, einen Siemensstern, weiße und schwarze Bildanteile, sowie eine Person im Vordergrund, deren Gesicht einen Kontrast von 2 Blenden aufwies und als Referenz für den Hautton dienen sollte. Eine kleine Arrilux HMI diente als helles Gegenlicht, um unter anderem den Umgang mit starker Überbelichtung beurteilen zu können. Außerdem mussten die Lichtquellen für Tageslicht und Kunstlicht anpassbar sein, damit wir keine Konversionsfilter verwenden mussten. Um außerdem nicht auf ND-Filter angewiesen zu sein, verwendeten wir die Belichtungsbasis von 200 ASA auf Blende 8. Somit lagen wir knapp in der Mitte der Empfindlichkeiten der Filmmaterialien.
Für die ALEXA (800 ISO) und RED Gemini (500 ISO) kompensierten wir den Unterschied mit der Blende und nur in den Randbelichtungen mit Filtern. Dann haben wir mit den verschiedenen Filmmaterialen und digitalen Kameras Belichtungsreihen mit ungefähr sechs Blenden Über- und Unterbelichtung in Tages- und Kunstlicht gedreht. Die analogen Tageslicht- und Kunstlichtmaterialien haben wir noch einmal mit und ohne Korrektur-Filter belichtet, um zu analysieren, wie sich ein im Weißabgleich unkorrigiertes Bild verhält und nachträglich noch anpassen lässt.
Für den zweiten Test haben wir einen Color-Checker sehr technisch mit einer über das ganze Bild gleichbleibenden Blende weich ausgeleuchtet und bildfüllend mit den verschiedenen Materialien und Kameras abgefilmt. Auch hier drehten wir jeweils eine Belichtungsreihe, um die Farbveränderungen in der Unter- und Überbelichtung zu sehen sowie einen Eindruck von der Halation des Materials zu bekommen. Durch Betrachtung dieses Checkers kann man die Materialien technisch sehr gut vergleichen und Unterschiede anfänglich schon mit bloßem Auge erkennen. Während sich der erste Test primär auf Hauttöne konzentrierte und sich auf den Belichtungsumfang bezogen hat, war der zweite Test darauf ausgerichtet, herauszufinden, wie sich Farben in der Unter- und Überbelichtung verändern.
Wie ging es mit der Auswertung weiter und was waren eure ersten Ergebnisse?
Das Analog-Material ging gleich am folgenden Tag ins Labor zum Entwickeln und Scannen und schlussendlich an den Coloristen Sönke Heuer. Daraus entstand eine Timeline in DaVinci Resolve, in der wir die verschiedenen Aufnahmen technisch betrachten konnten. Dabei achteten wir darauf, wie sich die Kameras und Materialien zueinander farblich und im Kontrast verhalten, wie sich Korn, Rauschen und Schärfe unterscheiden.
Dann folgte eine subjektive Beurteilung der Materialien. Wir waren im ersten Eindruck davon überrascht, wie unterschiedlich sich die Tungsten-Materialien farblich zueinander verhalten. In der Unterbelichtung fanden wir das 500T-Material deutlich kühler im Vergleich zum 200T-Material. Dafür machten wir die höhere Sensibilisierung insbesondere im Blau verantwortlich. Bei den Daylight-Materialien war der Unterschied, abgesehen von der Korngröße, in den Farben nicht so signifikant. [15126]