Live-Übertragung vom Staatsbesuch des US-Präsidenten in Berlin
Broadcast Made in Germany (1)
von Bernhard Herrmann,
Für die Live-Übertragung vom kurzfristig verschobenen Staatsbesuch des US-Präsidenten verließen sich die deutschen Sendeanstalten erneut auf das bewährte „Berliner Modell“, bei dem ARD, ZDF, Phoenix, n-tv, RTL, SevenOne Media und Welt gemeinsam mit insgesamt 22 Kameras das Weltbild produzierten. Der TV-Dienstleister Betamobil aus Berlin war an drei Ereignisorten mit kompakten Ü-Wagen im Einsatz. Bernhard Herrmann war für unser Heft 12.2024 dabei und hat sich angesehen, was die Herausforderungen aus organisatorischer und produktionstechnischer Sicht waren.
Eigentlich hätte der Besuch des US-Präsidenten Joe Biden in Deutschland ab dem 10. Oktober 2024 stattfinden sollen. Doch da tobte in Florida der Hurrikan „Milton“ und Biden wurde in den USA gebraucht. Daher wurde die Visite kurzfristig auf den 17. und 18. Oktober 2024 verschoben. Das bedeutete nicht nur viel Arbeit für die Sicherheitsbehörden in Berlin und das Bundespresseamt (BPA), das die Organisation der medialen Begleitung durch die hunderten Medienvertreter neu organisieren mussten. Auch ARD, ZDF, Phoenix, n-tv, RTL, SevenOne Media und Welt, die gemeinsam nach dem sogenannten „Berliner Modell“ die Übertragung des Staatsbesuches produzierten, mussten kurzfristig umdisponieren, konnten sich jedoch dabei zum Glück auf schon ausgearbeitete Pläne verlassen, die sie lediglich aus der Schublade holen und aktualisieren mussten. Am 14. Oktober 2024 gab es einen aktualisierten Akkreditierungsaufruf durch das BPA für die Pressevertreter. Zwei Tage später hatten die Journalisten nach einer Überprüfung durch das Bundeskriminalamt (BKA) eine Zu- oder Absage der Akkreditierung erhalten. Es folgte zeitnah der erste Programmentwurf vom BPA zur eigenen Planung der Termine. Damit konnten Videokameraleute und Fotografen ihr Interesse an den jeweiligen Programmpunkten beim BPA bekunden. Für den Zugang zu allen Bild- und Presseterminen war ein genereller BPA-Event-Ausweis und der jeweilige Zusatzausweis der einzelnen Termine erforderlich.
Das Arbeiten in den jeweiligen Bereichen, in denen die höchste Sicherheitsstufe 1 galt, erforderte stets mehrere Stunden Arbeitszeit als Vorlauf und viel Wartezeit, um an die jeweiligen Produktionsorte zu gelangen. Ein individueller Zugang zu den Pressepositionen war generell in den weiträumig abgesperrten Arealen nicht möglich. Die Hoheit über die Sicherheitsmaßnahmen, die in verschiedenen Zonen und Radien um den US-Präsidenten gezogen wurden, lag beim „United States Secret Service“, obwohl alle Termine auf deutschem Boden in der Stadt Berlin und dem Land Brandenburg stattfanden.
TV-Produktion nach dem Berliner Modell
„Aufgrund von sicherheitsrelevanten, protokollarischen und räumlichen Einschränkungen haben sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten und die privaten TV-Sender Deutschlands geeinigt, im Zuge des sogenannten Berliner Modells gemeinsam ein Weltbild (Host-TV) für alle Presse- und Bildtermine in Berlin zu erstellen. Das Weltbild steht als sauberes Signal (clean feed) für die aktuelle journalistisch-redaktionelle Berichterstattung zur Verfügung und wird vom Berliner Modell auch über Satelliten abgegeben“, erläuterte das Bundespresseamt im Vorfeld.
Weiter heißt es: „Für TV-Agenturen gilt ein Embargo für den deutschsprachigen Raum, was auch für die nachgelagerte Vermarktung gilt. Die Bildtermine im Rahmen dieser Veranstaltungen werden ausschließlich durch die Live-TV-Technik und das Personal des Berliner Modells zur Erstellung des Weltbildes in den Sicherheitsbereichen abgedeckt. Sonstige TV-Technik kann dort nicht zugelassen werden.“
Das BPA stellte das Host-TV-Material dieses Besuchs in Absprache mit dem Berliner Modell online zur Verfügung. Die einzelnen Dateien zu den Presse- und Bildterminen standen nicht live, sondern mit zeitlicher Verzögerung auf Servern zum Download bereit. Das BPA handelte hier als bloßer technischer Vermittler und gewährleistete als Service für das Berliner Modell den Zugang zum Material. „Das BPA ist weder Inhaber noch Lizenzgeber der Rechte der Sender“, stellte die Behörde im Besuchsprogramm klar.
Air Force One in Berlin
Für die Ankunft des US-Präsidenten Joe Biden auf dem Flughafen Berlin-Brandenburg wurde umfangreiche Broadcast-Technik und -Organisation bereitgestellt, um die mediale Berichterstattung zu gewährleisten. Der Ablauf begann mit der Anreise der Medienvertreter, die nach einem Sicherheitscheck in Kolonnenfahrt unter Polizeibegleitung zum militärischen Teil des Flughafens gefahren wurden.
Am Flughafen war das Vorfeld für die Medien stark reglementiert und gesichert. Hier zeichnete RTL/n-tv für das Weltbild verantwortlich, das als offizielles Broadcast-Signal ausgestrahlt wurde. Drei Kameras waren im Einsatz: Eine stationäre Kamera mit langem Teleobjektiv war erhöht hinter der Pressetribüne positioniert, eine zweite auf einer weiteren Plattform daneben, und ein dritter Kameramann filmte mobil bis zu den Absperrgittern. Bewegungen der mobilen Kamera wurden durch den US Secret Service streng reglementiert, der auch die Nutzung von drahtloser Technik und Positionierungen überwachte. Wer von dort live senden wollte, konnte dies nur mit LiveU-Technologie tun. Auf das Vorfeld des BER und in die Nähe des Präsidenten-Cadillacs sowie der Boeing durften nur Fotografen und EB-Teams aus dem „White House Press Pool“.
Schloss Bellevue und Kanzleramt
„Während des Besuchs besteht die Möglichkeit, Aufsagerpositionen gegenüber dem Schloss Bellevue einzunehmen. Die Nutzung dieser Aufsagerpositionen ist ausschließlich mit LiveU-Technik möglich, da im gesicherten Bereich keine Übertragungsfahrzeuge abgestellt werden können. Der Zu- gang zur Aufsagerposition Schloss Bellevue ist ausschließ- lich über die Kontrollstelle Großer Stern/Spreeweg möglich. Nach einem Sicherheitscheck werden Sie dorthin begleitet“, hatte das Bundespresseamt im Vorfeld informiert. Aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen galt die Empfehlung, die Positionen, für die der Zusatzausweis „Aufsager Bellevue“ notwendig war, bis spätestens 08:00 Uhr einzunehmen. Laut Protokoll sollte Präsident Biden um 10:00 Uhr am Schloss eintreffen, um dort vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier begrüßt zu werden.
Die Fahrzeugkolonne des Präsidenten verspätete sich um fast eine halbe Stunde, ohne dass ein Grund dafür bekanntgegeben wurde, was zu einer Verunsicherung unter den anwesenden Journalisten und in den Live-Übertragungen führte. Als das „Beast“, das gepanzerte Fahrzeug des Präsidenten, schließlich eintraf, hielt es entgegen dem Protokoll zunächst kurz an, bevor es zum Eingang des Schlosses weiterfuhr. Kurz nach der Ankunft am Schloss rannte das Medienteam des „White House Press Pool“ unerwartet quer über den gepflegten Rasen des Schlossgartens, um rechtzeitig zu ihren Positionen zu gelangen – eine Aktion, die deutschen Medienvertretern im Briefing zuvor untersagt worden war.
Unterdessen dokumentierte die Kamera des Weltbildes die Bewegungen der Agenten und die Ankunft des Präsidenten sowie die US-Delegation. Nach dem Aussteigen von Präsident Biden begrüßte er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf dem roten Teppich vor Schloss Bellevue. Für die anschließende Zeremonie im Garten des Schlosses, bei der Joe Biden militärische Ehren zuteil wurden, waren zwei Pressetribünen strategisch links und rechts der Ehrenformation aufgebaut. Ein Wechsel zwischen den Tribünen war während der Zeremonie jedoch nicht gestattet. Diese Struktur ermöglichte eine durchgehende und umfassende Live-Übertragung der militärischen Zeremonie und der Verleihung eines Ehrenordens an den Präsidenten.
Die Ankunft des US-Präsidenten im Bundeskanzleramt verzögerte sich ebenfalls, dieses Mal um fast eine Stunde, was wieder einige Unsicherheiten in den Livesendungen hervorrief. Olaf Scholz trat pünktlich wie geplant auf dem roten Teppich vor das Kanzleramt, zog sich jedoch kurz darauf zurück, nachdem ein US-Agent ihn informiert hatte, dass das „White House Press Pool“ noch nicht bereit war. Diese unerwartete Änderung sorgte für Spekulationen in den Live-Kommentaren, während die Welt TV-Moderatoren im Studio mit einem Experten über mögliche Sicherheits- probleme diskutierten.
Fünf Minuten später traf dann in großer Eile auch das US-Pressekontingent ein, wobei ein Medienbetreuer mit deutlichen Handgesten verhinderte, dass die Kamerateams über den roten Teppich liefen. Dies sorgte für sichtbare Unruhe, während sich die deutschen Medienvertreter bereits in der vorgesehenen Pressezone befanden. [15502]
Lesen Sie morgen, wie der TV-Dienstleister Betamobil die Übertragung unterstützte und wie die Aufsagen-Positionen. realisiert wurden!