Bei den HDR-Fachtagen, ausgerichtet von Screencraft Entertainment in München, konnten die Besucher mit Vorträgen, Präsentationen und Workshops HDR-Workflows erleben und auch selbst testen. Im „Camera Lab“ wurde untersucht, wie sich unterschiedliche Kamera-Modelle und Objektive unter HDR-Bedingungen verhalten. Jörg Geißler und Andreas Wilhelm haben das Setup mit verantwortet und waren für unser Heft 3/2019 beim „Camera Lab“ dabei.
(Bild: Philipp Kaiser)
Neben den verschiedenen Vorträgen und Workshops bekamen die Besucher die Gelegenheit, selbst Hand an die verfügbaren Kameramodelle zu legen. So konnten sie HDR im echten Hands-On selbst erfahren und dabei mit Kollegen ins Gespräch kommen. Dazu war ein Showroom aufgebaut, in dem unterschiedliche Kamerasysteme in verschiedenen Lichtsituationen getestet wurden. Die Firma Inteca aus Bad Aibling unterstützte uns mit ihrem innovativen Beleuchtungs-Equipment. Die Basis bilden variable LED-Bausteine, die sich sowohl zu Lichtskulpturen zusammenstecken lassen als auch als Grundelemente für flexible Flächenleuchten dienen können.
Neben den Autoren, Andreas Wilhelm als Vertreter von Screencraft und Jörg Geissler (BVK), war Benedikt Gradl vom benachbarten K9-Kameraverleih für die Kameratechnik zuständig. Screencraft stellte ihre RED Epic Dragon zur Verfügung. Von K9 kam ihre neue Sony VENICE und eine ARRI Amira. Canon stellte eine C700 sowie sechs Festbrennweiten mit EF-Mount zur Verfügung. Aus dem Teilnehmerkreis kamen ein 25-250 Vintage-Zoom von Angeniéux, adaptiert an eine Sony A6500, eine Sony A7 Mk. III und eine Panasonic GH5s dazu. Zusätzlich standen ein ZEISS CP2-Satz vom K9-Kameraver- leih und zwei anamorphe Zoomobjektive von P+S Technik aus Ottobrunn zur Verfügung. Damit stand ein interessanter Querschnitt an Kameras aus verschiedensten Preissegmenten zum Testen bereit.
Zum visuellen Vergleich der Kamerasignale wurden verschieden große Monitore mit unterschiedlicher Leuchtdichte angeschlossen. Dazu brachte Karl Huysmans von Flanders Scientific unter anderem einen XM65OU mit etwa 1.000 Nits maximaler Leuchtdichte mit. Für Canon Deutschland stellte Martin Bilic den 4K-HDR-Referenzmonitor Canon DP-V2411 zur Verfügung. Um die verschiedenen Kameras wahlweise auf die Monitore zu routen und optimal darzustellen, nutzte der eigens aus Berlin angereiste DIT Maximilian Link (BVK) auf seinem MacBook die Software LiveGrade von Pomfort und die Flanders BoxIO. Ebenfalls am Set verfügbar war der von Dirk Ellis präsentierte Wandler FS-HDR von AJA, der verschiedene native Kamerakurven und Farbräume in diverse HDR- und SDR-Normen konvertieren kann.
DYNAMIK IM BLICK
Wir wollten im Workshop die von den Herstellern angegebenen Dynamikumfänge auf die Probe stellen. Dafür leuchtete Kameramann Jörg Geißler (BVK) als extremes Beispiel eine Szene mit einem Kontrastumfang von insgesamt 15+1/3 Blendenstufen. Um eine nahezu beißende Blendung zum Ende der Szene zu provozieren, wurde die LED-Licht-Skulptur von anfänglich 7+1/2 Stopps über mittleres Grau auf final 10 Stopps darüber hochgeregelt, wobei die dunkelsten Partien des Motivs 5+1/3 Stopps darunterlagen. Alle Werte waren photometrisch mit einem Pentax-Spotmeter sondiert und mit den Incident-Light-Werten eines Spectra-Lux/fc-Messers abgeglichen. So koinzidierten bei 1/50 sec und 800 ISO die 9 cd/qm des mittleren Bezugs-Graus mit den einfallenden 175 Lux zur Arbeitsblende 2,8+1/3. Auf die lichtabgewandte Gesichtshälfte fielen 32 Lux, aber gegenüber auf die Hand mit der Sektflasche harte 1.750 Lux. Im Grading am Baselight zeigte sich dann jedoch schnell: Das Setup war leicht überreizt worden. Denn keine der Kameras zeigte sich tatsächlich in der Lage, den hohen Dynamikumfang von anfänglich knapp 13 Blenden, geschweige denn die finalen gut 15 Blenden sauber ohne Clipping- Artefakte übertragen zu können. Die später dazu gekommene und um 2+1/3 Blenden dunkler belichtete Panasonic GH5s wirkte dabei wesentlich abendlicher, zeigte dadurch weniger Sensorclipping, aber deutliches Rauschen in den Schwärzen.
Im intensiven Gespräch mit den Spezialisten Phil Schmid und Michael Radeck wurden während der Sichtung in der Grading-Suite die höheren Anforderungen beim Arbeiten für HDR deutlicher. Denn dass eine Aufnahme im Standard-Dynamic-Range von Rec. 709 durchaus gut und problemlos wirkt, verdankt sie in Wirklichkeit nur ihrer beschränkten Darstellungsfähigkeit. Aber da wir bei High-Dynamic-Range die Farb-Nuancen und Helligkeits-Abstufungen durch Aufspreizung gleichsam wie unter einem Vergrößerungsglas betrachten, werden Artefakte oder Fehler im De-Bayering, Farbverschiebungen, Pseudosolarisation und vieles mehr überhaupt erst sichtbar oder fallen zumindest unangenehmer auf. Es gilt also neu zu lernen, sich in ein diffiziles Verfahren einzuarbeiten, durch praktisches Testen eigene Erfahrungen zu erwerben und durch Rücksprache mit erfahrenen Spezialisten in der Postproduktion Untiefen auszuloten. So kann man drohende Klippen beim Arbeiten für HDR umschiffen. [7940]
Lesen Sie übermorgen, welche weiterführenden Test beim “Camera Lab” auf den HDR-Fachtagen stattfanden.