DoP Jakub Bejnarowicz kennt sich mit extremen Bedingungen aus. Mit Jürgen Vogel und Regisseur Felix Randau zog er im Herbst 2016 in die Alpen. Hier entstand “Der Mann aus dem Eis” auf der ARRI Alexa Mini mit Hawk Anamorphoten. Am heutigen Donnerstag, den 30. November, kommt der Film in die deutschen Kinos. In unserer Ausgabe 1-2/2017 berichteten wir von den Dreharbeiten.
DoP Jakub Bejnarowicz hat keine Berührungsängste mit Landschaften unter extremen Witterungsbedingungen. Mit Regisseur Matthias Glasner hat er 2012 das Drama “Gnade” im norwegischen Hammerfest nördlich des Nordpol gedreht in der Dunkelheit der Wintersonnenwende, für den Film “Der Fluss war einst ein Mensch” von Jan Zabel ging es in das feucht-heiße Sumpf gebiet des Okavangodeltas in Botswana. Im vergangenen Herbst kletterte der Kameramann samt Team sowie mit Schauspieler Jürgen Vogel und Regisseur Felix Randau im Gletschereis der Alpen auf über 3.000 Metern Höhe, um den Spielfilm “Der Mann aus dem Eis” zu drehen.
Der DoP empfindet solche Herausforderungen als ein Geschenk. “Die Natur gewährt einem viele Möglichkeiten, zu drehen und etwas mitzunehmen, da muss man auch reagieren können.” Das Drehen in den Hochtälern und Gletschern der Alpen war für den DoP allerdings eine neue Erfahrung und auch eine körperliche Herausforderung, denn über eine Woche der vierwöchigen Dreharbeiten agierten Team und Schauspieler in über 3.000 Metern Höhe.
“Wir waren auch dort in der Bergwelt mit einem normalen Drehteam unterwegs”, sagt er. “Ursprünglich wollten wir mit zwei Kameras drehen, aber wir haben schnell herausgefunden, dass wir das für unseren Erzählstil nicht benötigen.” Bejnarowicz hat sich für die Alexa Mini entschieden, die mit ihrer Leichtigkeit und Kompaktheit auf Höhen über 3.000 Metern von Vorteil ist. Mit der Alexa Mini wurde der komplette Film gedreht, bis auf ein paar kleinere “Crashbox-Szenen”, bei denen die Kamera den Berg hinab geworfen wird. Weil das so starke Erschütterungen gibt, wich das Team auf 35-mm-Crashsysteme aus.
HAUPTFIGUR “ÖTZI”
Der vor über 25 Jahren in den Ötztaler Alpen unweit des Tisenjochs im Gletscher konservierte Mann im Eis ist die wohl am besten erhaltene und meist erforschte Feuchtmumie aus der Steinzeit, durchleuchtet und analysiert bis auf seine Zellstruktur und DNA. Man weiß beinahe alles über Ötzi, woher er kam, was er zuletzt gegessen hatte, dass er tätowiert war und dass er im Kampf dort oben im Eis des Gletschers durch eine Pfeilspitze im Rücken sein Leben lassen musste. Doch was ihn antrieb, warum er dort in diesen Höhen der Alpen unterwegs war, hat dieser Mann als sein Geheimnis ins Eis genommen.
Davon erzählt nun der Spielfilm “Der Mann aus dem Eis”, eine deutsch-italienisch-österreichische Koproduktion, die an Schauplätzen in Südtirol, Kärnten und Bayern gedreht wurde. Dieser archaische Stoff aus der Frühgeschichte der Menschheit ließ den jungen Regisseur Felix Randau nicht mehr los: “Ein Mensch allein in den Alpen in über dreitausend Metern Höhe vor fünftausend Jahren hinterrücks ermordet, der älteste ungeklärte Kriminalfall der Geschichte breitet sich vor mir aus”. Randau war über eine Titelgeschichte der Zeitschrift Stern auf den Ötzi-Stoff gestoßen.
Der Regisseur und Autor nutzt die Möglichkeiten der Fiktion, bislang gab es nur Dokumentationen und Reportagen über die Mumie, aber noch keinen Spielfilm. Er kann nun diesen Menschen mit samt seinen Emotionen wieder zum Leben erwecken und ihn in ein archaisches Drama schicken um die ewigen Antriebe des Menschen wie Gier, Hass und Verzweiflung.
Die Geschichte spielt vor über 5.000 Jahren, ein Mann verlässt seine Familie, um zur Jagd zu gehen. Als er zurückkehrt, muss er feststellen, dass seine Siedlung zerstört, Frau und Kind ermordet sind, der religiöse Fetisch der Gemeinschaft geraubt. Er macht sich auf, um diese Bluttat zu rächen. Es folgt eine beschwerliche Odyssee durch das Hochgebirge, Naturgewalten und andere Umherziehende stellen eine permanente Bedrohung dar: Ein Mann im Kampf mit der Natur und seinen Feinden: “Im Kern dieser Geschichte geht es um die ewig gültigen Gefühle, die uns heute noch geläufig sind. Das prägt unsere Inszenierung. Wir wollen diese Menschen mit ihrer Emotionalität erzählen und nicht als Kostümfiguren, die durch Pappmachéwelten stapfen”, erklärt Regisseur Felix Randau am Set.
ALEXA MINI MIT 4:3 SENSOR
DoP Jakub Bejnarowicz und Felix Randau haben schon ein Jahr vor Beginn der Dreharbeiten alle Schauplätze des Films vor Ort inspiziert und sich für einen Look entschieden, welche die Zuschauer diese Naturgewalten der Berge spüren lässt, aber auch deutlich macht, dass die Welt des Steinzeitmannes in diesen Bergen vor über 5.400 Jahren erst kreiert werden muss, erklärt Bejnarowicz. Der DoP hat sich für die Alexa Mini Kamera entschieden, “weil diese neben ihrer Kompaktheit auch einen sehr hohen Dynamikumfang aufweist und in Unter- und Überbelichtung sehr harmonisch und filmähnlich funktioniert.”
Der 4:3-Sensor der Kamera kann auf der gesamten Fläche genutzt werden und eignet sich für Breitbildformate und damit für die Verwendung der HAWK V-Lite Anamorphics Vintage’ 74-Optiken. “Die sind so ein wenig designt wie alte Optiken aus den 70er Jahren. Da unser Ötzi-Spielfilm auch Westernelemente besitzt, haben wir uns früh für das anamorphotische Cinemascope-Format entschieden, denn diese Objektive kombiniert mit den digitalen Stärken der Alexa Mini bilden eine ausgezeichnete Kombination.”
EIGENE CHARAKTERISTIK DURCH ANAMORPHOTISCHE OBJEKTIVE
“Das ist für die Berge an sich nicht gerade optimal, weil das Bild in die Breite geht und nicht in die Höhe”, so Bejnarowicz: “Wir haben uns dann aber doch für die Breite entschieden und für diese amerikanische Westernästhetik. Die anamorphotischen Objektive besitzen eine eigene Charakteristik, wie sie mit der Bildstruktur umgehen und mit den Unschärfen. Fakt ist, dass sie die Welt nicht 1:1 wiedergeben, sondern sie auf eine bestimmte Art und Weise interpretieren. Wir wissen zwar, wie die Welt in den Bergen ist, aber wir wissen nicht wirklich, wie die Welt vor 5.400 Jahren war und vor allem wie sie für Ötzi war.”
Bejnarowicz versucht eine gewisse Spannung zu erzeugen zwischen einer geschaffenen, kreierten Welt und einer reagierenden Kamera, fast wie im Dokumentarfilm. Aber total realistische Farben und Kontraste, und eine dokumentarische Handkamera haben nicht gepasst. “In den ersten Tests ist uns stark aufgefallen, dass je naturalistischer das Bild war, desto schwächer war die Illusion, wirklich in Ötzis Zeit einzutauchen. Deshalb waren mir die anamorphotischen Objektive sehr wichtig, neben Farbgebung, Licht- und Kontrastgestaltung. Wir wollten Ötzis Welt erschaffen, die im Kino dann auch ein weniger bigger than life sein musste.”
Das gilt auch für die Farbkorrekturen. Beim Grading wurden alle Bilder auf großer Leinwand überprüft und mit dem Coloristen Florian Geiser Ötzis Farbwelt erschaffen. Für den Regisseur und seinen Produzenten Jan Krüger, Port au Prince Film aus Berlin, bietet das Steinzeitdrama aus dem Eis eine thematische Vielseitigkeit weit über die deutschsprachigen Grenzen hinaus.
Mit einem ersten Drehbuchentwurf von Felix Randau holte Jan Krüger bei der Berlinale 2014 die Bozener Echo Film als Koproduktionspartner dazu. “Mit ihrer Hilfe und finanziell unterstützt durch die ortsansässige Filmförderung IDM wurde der Stoff weiter entwickelt”, berichtet der Produzent: “Ötzis Geschichte muss authentisch und emotional erzählt werden. Es geht um Motive, die jeder von uns kennt”, sagt er. Mit Jürgen Vogel, André Hennicke, Sabin Tambrea, Susanne Wüst, Franco Nero und Violetta Schurawlow engagiert er einen erstklassigen Cast.
Als Partner hat er neben der Echo Film, Lucky Bird Pictures aus München, Amor Fou aus Wien, ZDF – Das Kleine Fernsehspiel und Arte an Bord sowie IDM Südtirol, BKM, FFF Bayern, Medienboard, DFFF, Carinthia Film Commission (Filmförderung Kärnten), FISA Filmstandort Austria. Gedreht wurde rund vier Wochen in Südtirol, im Passeiertal, wo das Dorf errichtet wurde, im Pfitschertal und am Schnalztal-Gletscher sowie in Kärnten und bei Garmisch-Partenkirchen in der wilden Partnach Klamm.
Morgen gibt es bei uns den zweiten Teil des Berichts zu “Der Mann aus dem Eis”.