Der chemische Film feiert eine Renaissance – aber wird trotzdem digital weiterverarbeitet. Die Firma AVP Video-Transfer aus München hat besondere Stärken beim Scannen der kleinen Filmformate. Gerdt Rohrbach sprach für unsere Ausgabe 11/2018 mit dem Team.
Welchen Nutzen können Sie den Filmemachern mit Formaten über 8 Millimeter bieten? Udo Hafner: Bei „Es schneit wieder“ von Herrn Ziehfreund – übrigens ein absoluter Verfechter des chemischen Films – haben wir zum Beispiel sowohl eindrucksvolle Kontraste als auch eine überwältigende Bildruhe generieren können. Die besondere Anmutung dieses Materials und dabei auch eine unglaubliche Farbinterpretation lässt für den darauffolgenden Schritt der Nachbearbeitung wirklich keine Wünsche offen. Christos Pateludis: Durch jahrelange Entwicklungsarbeit können wir mit eigenen Algorithmen unsere Digitalisate in einer zum Film besonders „fairen“ Weise kornreduzieren. Der ursprüngliche Charakter bleibt dabei auch bei einer Wiedergabe mit den neuesten Bildschirmen noch angemessen erhalten. Wir können damit die erzielbaren Ergebnisse zum Beispiel des branchenbekannten „Archangel“ weit übertreffen. Das Gleiche gilt übrigens auch für die filmgerechte Bildstabilisierung.
Negativmaterial ist wegen seiner besonderen Kontrastfähigkeit ja vergleichsweise leicht zu transferieren. Eine Herausforderung stellt hingegen Umkehrmaterial dar. Wie gehen Sie mit diesem sensiblen Material um? Udo Hafner: Unsere Leistungsfähigkeit gerade bei diesen Materialien ist wieder in der Historie von AVP begründet, denn gerade Schmalfilmmaterial war anfänglich hauptsächlich Umkehrmaterial. Die meisten Abtast-Anbieter haben sich um diese Herausforderung herumgemogelt. Sie haben den Kontrast so verstellt, dass man dann zwar leuchtende Bilder bekam, aber die Schwärzen waren „abgesoffen“. So konnte man von der fehlenden Durchzeichnung ablenken. Wir hingegen waren immer darum bemüht, die gesamte, auf dem Film enthaltene Information zu zeigen. Wir arbeiten heute mit einem speziellen High- Dynamic-Range-Verfahren und können damit auch bei hohen Kontrasten tief in das Material hineinblicken. Helle Inhalte bleiben völlig erhalten und ein Durchzeichnungsverlust kommt so nicht mehr zum Tragen.
Was können Sie Archiven bieten? Udo Hafner: Archive haben nicht nur altes und besonders pfleglich zu behandelndes Filmmaterial, sie haben zu den großen eben auch alle möglichen Kleinformate: Normal 8, Doppel 8, Super 8 und 9,5 mm Pathé. Somit sind wir auch für diese Zielgruppe ein Rundum-Lieferant und bringen selbst besonders alte und schwierige Filme noch zum Laufen. Manche Materialien sind derart verwellt, die ließen sich unter normalen Bedingungen nicht mehr abtasten. Wo wir erst richtig loslegen, winken viele andere Firmen gleich im Vorfeld ab. Christian Sandl: Dabei überlässt man auch die Bewertung dieser Fälle häufig uns. Unsere zumeist sehr langjährigen Kunden wissen diese Kompetenz sehr zu schätzen.
Das Material wird aber auf jeden Fall von Ihnen gesichtet, bevor es in die Maschine kommt? Udo Hafner: Es wird gesichtet und auch entsprechend vorbereitet. Die Herstellung der Scanfähigkeit verlangt die unterschiedlichsten Aktionen. Klebestellen sind beim Transfer oftmals eine Herausforderung. Sie verursachen alle möglichen unerwünschten Effekte.
Die einfachste Variante der Klebestelle ist die kaputte. Die muss dann nur nachgeklebt werden. Schwieriger wird es, wenn Klebestellen wegen Nachlassen des Klebers auseinander rutschen. Die Gefahr dabei ist, dass der Kleber ausläuft und den restlichen Film und den Scanner verunreinigt.
Was haben Sie auf dem Gebiet der Abtastung von 35-mm-Filmmaterial zu bieten? Christian Sandl: Auch hier sind natürlich Filmsammler unsere Kunden. Zum Beispiel, wenn sie von ihrem Negativmaterial eine positive Digitalkopie haben möchten. Udo Hafner: Den Transfer zu DCP bieten wir auch an. Christian Sandl: Wie Sie sicher merken, sind alle hier im Team echte Film-Liebhaber. Wenn man beispielsweise in manches Filmmaterial stark hineinzoomt, so ist es, als hätte man ein Gemälde vor sich. Manchmal ist es etwas „pastellig“, aber immer lebhaft und interessant. Das ist es, was die Anmutung der Bilder so ganz und gar von Video unterscheidet. Neben dem wirtschaftlichen Aspekt unserer Arbeit denken wir immer zuerst an die Erhaltung dieses typischen Filmeindrucks in Kombination mit quali- tativ hochwertigen Bildern.
Welche Technologien setzen Sie gegenwärtig ein? Udo Hafner: Vorher möchte ich noch kurz auf das Thema Staub und Filtern zu sprechen kommen. Bei einbelichtetem Schmutz geht ohne Filter nichts mehr. Wir versuchen natürlich bis zum Scan alles sauber vorzubereiten und bekommen schon hier ein Ergebnis, das begeistert und gleichzeitig auch bezahlbar bleibt. Die von uns entwickelten Metriken für unterschiedliches Ausgangsmaterial tragen durch besonders natürliche Farben ihren Teil dazu bei. Christian Sandl: Wir haben hier ein Gerät von MWA im Einsatz, hatten aber auch eine amerikanische Maschine in die engere Wahl genommen. Dafür flogen wir extra in die USA, haben dort aber nur eine sehr dürftige Präsentation bekommen. Ein zuständiger Experte war offenkundig nicht greifbar und es gab darüber hinaus nicht einmal einen vernünftigen Monitor. Das Gerät macht im Grunde keinen schlechten Eindruck. Aber nicht gerade wenige Fehler, die wir feststellten, haben uns schlussendlich von einem weiteren Engagement abgehalten. Parallel hatten wir bereits mit MWA Versuche gemacht. Im Vergleich zu unserem Millenium HD-Abtaster bekamen wir schon sehr schöne Bilder zu sehen. Der Eindruck war gleichmäßiger und präziser. Ein Beispiel: beim Millenium hat mich der Schärfeabfall zum Rand hin oft zur Weißglut gebracht. Ein absolutes „No Go“. Allerdings kamen wir beim neuen Gerät zuerst mit den Farben überhaupt nicht zurecht. Erst nach langem Hin und Her und vielen selbst daran durchgeführten Versuchen bekamen wir ausbaufähige und gut bearbeitbare Bilder zu sehen. Solche und andere „Kämpfe ums gute Bild“ erlangten während unserer gesamten Firmengeschichte eine gewisse Regelmäßigkeit. Udo Hafner: Aufgrund dieser Erfahrungen möchte man den Eindruck gewinnen, dass die Bildqualität bei einigen Entwicklern nicht unbedingt im Vordergrund steht. Christian Sandl: Die uns meist zu Anfang präsentierten Bilder, besonders bei Negativfilm, waren durchweg so unbefriedigend, dass wir nicht selten vom Glauben abgefallen sind. Nur durch eigene Modifikationen und Anpassungen erhalten wir die von uns angestrebten schönen, offenen Bilder, aus denen man im nächsten Schritt wirklich noch alles herausholen kann. Hier definiert sich unseres Erachtens der Unterschied zwischen der handwerklichen und der industriellen Arbeit. [6812]