Probleme in der Postproduktion mit H.264-Kamerafiles
Finger weg!
von Uwe Agnes,
Mittlerweile wird viel logarithmisch gedreht, doch H.264-basierte Formate sind noch immer weit verbreitet. Wie geht die Postproduktion damit um? „Fix it in the Post“? Colorist Andreas Fröhlich hat in unserer Ausgabe 6/2018 seine Einsichten und Tipps zum Umgang mit hochkomprimierten Filmdateien geteilt.
Andreas Fröhlich, 51 Jahre alt und gebürtiger Kölner, ist nach einer Fotografenlehre seit 17 Jahren in der Filmbranche tätig. Zunächst arbeitete er als Colorist bei „das Werk“. Danach wechselte er 2005 als Senior Colorist zu Head Quarter, wo er seit 2010 Geschäftsführer ist. Dieselbe Position hat er seit 2016 auch beim Schwesterunternehmen ACT Video. Zusammen haben beide Unternehmen am Firmensitz in Köln 50 festangestellte Mitarbeiter.
Mit ACT und Head Quarter haben Sie gleich zwei Firmen im Haus, die sich auf verschiedenen Gebieten mit Postproduktion und Grading beschäftigen. In welchem Umfang sehen Sie sich dort Material gegenüber, das hochkomprimierte Codecs wie zum Beispiel H.264 oder auch AVCHD verwendet?
Head Quarter ist eine Spielfilm-Postproduktion, das heißt, hier werden TV-Serien, TV-Spielfilme und Kinofilme bearbeitet. Hier findet alles statt, was mit Bild zu tun hat: Visual Effects, aber auch Bildschnitt und dann natürlich am Ende Farbkorrektur und Mastering. In der Farbkorrektur arbeiten wir mit allen drei großen Lösungen, die es in diesem Bereich gibt, nämlich DaVinci Resolve mit dem großen Panel, dann Baselight sowie einem Nucoda Filmmaster.
Auf der anderen Seite haben wir die Firma ACT, die eine klassische Broadcast-Postproduktion für non-fiktionale Inhalte ist. Was schwieriges Material angeht, so kommt das bei ACT nicht nur häufiger vor, sondern wird dort wegen der vorgesehenen Verwertung auch weniger kritisch gesehen.
Bei Head Quarter ist das genau umgekehrt. Auch hier gibt es Fälle, wo man in speziellen Fällen als Ergänzungskamera in einer TV-Serie auch mal zu einer GoPro oder einer speziellen DSLR-Lösung greift, die zwar intern nur in 8 bit aufzeichnen, die man aber vielleicht in einen Schrank legen kann, damit man etwa den Schuss heraus beim Öffnen hat. Solche Sachen kommen schon einmal vor.
Es wird aber auch manchmal von den Produktionen angefragt, ob man vielleicht mit günstigen Kameras aufnehmen kann, die dann eben nur ein 8-Bit-Bild aus einem H.264 liefern. Wir raten grundsätzlich davon ab, aber es gab auch einige wenige Fälle, wo wir das nicht abwenden konnten – an der Formulierung merkt man schon, dass das problembehaftet ist.
Bei ACT ist es so, dass ein Bild, das mit 8 bit angeliefert wird, in diesem non-fiktionalen Bereich tatsächlich lange Zeit die Regel war. Das ändert sich inzwischen langsam, so dass immer mehr Bildmaterial auch bei Non-Fiction hergestellt wird, das in irgendeiner Form logarithmisch aufgenommen ist.
Welche spezifischen Probleme beim Umgang mit 8-bit-Material führen denn dazu, dass Sie vom Grading dieses Materials abraten?
Das herausragende Problem, das selbst einem unbedarften Betrachter sofort augenscheinlich wird, ist der Banding-Effekt. Am einfachsten könnte man den provozieren, indem man eine Aufnahme mit einem blauen Himmel nimmt. In dem Moment, wo man dann aus einem logarithmisch aufgenommenen Bild ein Rec.709 macht, bekommt man deutlich sichtbare, treppenartige Abstufungen. Das gibt es auch schon mal bei schlechten Fernsehern, und bei Youtube-Videos kennt man es sowieso. Gegen diesen Bildfehler ist auch nicht wirklich ein Kraut gewachsen. Das ist nicht nur ein hässlicher Fehler, sondern er lässt sich in der Postproduktion auch so gut wie nicht eliminieren. Er lässt sich mit sehr großem Aufwand abschwächen, aber in den meisten Fällen bleibt das, was man hat, ein kaputtes Bild.
Das ist grundsätzlich der Hauptfehler bei stark komprimiertem Material. Da fehlen in den Abstufungen einfach Farbinformationen, und in dem Moment, wo ich das Bild steiler mache, fällt das logischerweise auf. Wenn man sich das, was da geschieht, mal als Grafik aufmalt, wird auch sehr schnell klar, warum das passiert. Dieser Effekt zieht sich dann durch Hauttöne, Zimmerwände, den Himmel… solche Dinge halt.
Was an “beträchtlichem Aufwand” muss man denn treiben, um so ein Bild vielleicht doch noch retten zu können?
In vielen Situationen kann man diesen Bildfehler bekämpfen, aber der Aufwand ist eben immens. Man kann zum Beispiel im Grading getrackte Windows einsetzen, wo man gewisse Bereiche blurred, also gewollt unscharf macht. Wir sind auch schon hingegangen und haben den Himmel komplett ausgetauscht. Dabei haben wir die Farbe des Himmels benuzt, um am Protagonisten vorbeizustanzen, und dann einen anderen Himmel eingesetzt. Man bewegt sich damit im Prinzip aber schon wirklich im Bereich des Compositing.
Für andere Bildfehler, wie zum Beispiel Bildrauschen, gibt es ja mittlerweile gute Plug-Ins, die so etwas gut in den Griff bekommen. Das gibt es für Banding nicht, so dass man immer eine Lösung abhängig von der Situation finden muss – je nachdem, was im Bild passiert und wo das Banding auftritt. Es gibt nicht einen einzigen Weg, den man empfehlen könnte. Wenn man sehr viel Zeit und sehr viel Geld hat, kann man auch sehr viel von diesem Effekt eliminieren.
Wenn man sehr viel Zeit und sehr viel Geld hat, könnte man vielleicht lieber einen Teil dieser Mittel dazu verwenden, solche Probleme schon beim Dreh zu vermeiden.
Das sollte man meinen … Diese Art von Files kommt ja oft, nicht immer, aus Kameras, die ohnehin von der Bildverarbeitung her mit den großen, teuren Mühlen nicht mithalten können und wo man sowieso mit Rauschen zu kämpfen hat. Das wird dann in 8 bit noch schlimmer, und vor allem in den dunklen Regionen. Witzigerweise ist es ja so, dass auch bei den günstigeren Kameras, die solche Files produzieren, oft gesagt wird, dass sie einen Kontrastumfang von zwölf oder 13 Blenden abbilden können. Es kann aber dann passieren, dass man diese 13 Blenden zwar abbildet, aber die unteren zwei Blenden gar nicht mehr zu gebrauchen sind. Dann bilden sich im Schwarzen regelrechte Pixelhaufen. Das geschieht deshalb, weil wirklich Zeichnung wegkomprimiert wird – so könnte man das am ehesten sagen. Es ist ein wirklich unangenehmes Rauschen, nicht so ein Filmrauschen, wie man das kennt, ein homogenes Arbeiten im Bild, sondern es sind Stellen, wo man den Eindruck hat, da krabbelt gerade ein Käfer entlang. Aber dafür ist dann tatsächlich die Komprimierung verantwortlich.
Das bekommt man aber immer noch irgendwie eingedämmt. Die großen Gradingsysteme haben da entsprechende Plug-Ins, die damit gut fertigwerden. Besonders der Nucoda Filmmaster ist, was die Bekämpfung von Rauschen angeht, finde ich, immer noch die beste Maschine. Der bekommt fast jedes Rauschen in den Griff. Aber es sind dann ja meistens Low- oder Mid-Budget-Projekte, wo man dann eher auf dem Laptop und mit DaVinci Resolve arbeitet. Da wird es dann schwieriger. Es gibt zwar auch dort Degrain oder Denoise, aber das funktioniert nicht immer so gut. [5182]
Der zweite Teil des Interviews mit Andreas Fröhlich können Sie hier lesen.