In der Kategorie größerer Gimbals tritt der Hersteller Gudsen besonders mit dem MOZA Pro Handheld gegen Freefly und DJI an. Mark Zdunnek hat sich für unsere Ausgabe 6.2019 dem MOZA gewidmet und berichtet von seinen Erfahrungen.
Der Gudsen MOZA Pro – erstmals vorgestellt bereits auf der Beijing International Radio, TV und Film Messe BIRTV im August 2016 ist mit einem Verkaufspreis von etwa 2.500 Euro in der Preisklasse größerer Gimbals angesiedelt. Auch das Eigengewicht von 3,3 Kilo und die maximale Traglast von 10 Kilo deuten auf den Einsatz in einer vergleichbaren Klasse von schweren zweihand-geführten Gimbals zu DJI Ronin 1 und 2, Freefly Systems MoVI Pro oder dem TILTA Gravity 3-Axis-Gimbal-System hin. Der MOZA Pro ist bis heute das Flaggschiff des Herstellers Gudsen.
Versatilität und Einsatzmöglichkeiten
Eingesetzt habe ich den Gimbal mit einer Sony PXW-Z150 und einer Sony PXW-FS7. Laut Herstellerangaben gehören aber diverse weitere Kameras aller großen Hersteller aus dem Kino- und DSLR-Bereich zu den unterstützten Produkten. Bei Sony rangieren beispielsweise noch die FS5, F5/55, FS100/700 unter den verwendbaren Geräten, auch Kameras von RED, Canon, ARRI und Blackmagic Design werden unterstützt. Hierbei direkt vorab der Hinweis: Zwar kann man das Gewicht möglicherweise all dieser Kamera tragen und mit Pancake Objektiven stripped-down zum Einsatz bringen. Anwender sollten sich aber immer bewusst sein, dass viele Kameras – wie oft auch bei anderen Gimbals – deutlich um modulare Bauteile reduziert werden müssen. Wesentlich ist dies, um die Kamera einerseits möglichst frei und ungehindert im Gimbal bewegen zu können. Andererseits, um bei intensiver Beanspruchung der Motoren noch reibungslos und ohne Aussetzer oder ohne das “Tilting” – also dem Abschalten der Motoren wegen Überlastung – arbeiten zu können. Kann sich die Kamera wie bei der Sony PXW-Z150 durch den fest verbauten und nach hinten abstehenden Viewfinder nicht ideal in alle Richtungen bewegen, so ist der Operator eingeschränkt. Aber auch hier gilt: Ausprobieren! Im Falle der PXW-Z150 haben wir durch geschicktes Austarieren eine sehr praktikable Lösung finden können, aber die Drehbarkeit blieb dennoch an einer Stelle eingeschränkt. Für unsere Zwecke stellte dies allerdings kein Problem dar. Welche der vom Hersteller genannten Kameras also in welchen Setups jeweils zum Einsatz kommen können, muss persönlich am besten mit fachlicher Hilfe beim Distributoren Ihrer Wahl geklärt werden. Denn die zu den genannten Kameras passenden Festbrennweiten aus dem Cine-Bereich können bis anderthalb Kilo oder mehr wiegen, eine große Bauform haben und mithin zur Überlastung der Motoren führen.
Transportverpackung
Der MOZA Pro kommt in einem nicht-gelabelten Case, das ich sofort als B+W International Outdoor Case Typ 70 identifizieren konnte, da uns ein solches hier seit langer Zeit neben anderen B+W International Cases sehr treue Dienste erweist. Der Preis eines solchen Koffers liegt bei etwa 250 Euro. Warum erwähne ich den Koffer? Nun ja, wer andere Gimbalcontainer gewohnt ist, dem fällt die Kompaktheit direkt ins Auge: Mit den Pack-Abmessungen 765 × 520 × 257 mm (H × B × T, auf Rollen stehend) ist der Koffer deutlich flacher und kleiner und damit einfacher transportierbar als beispielsweise das Ronin Case. Bei B&W inklusive sind die 30 Jahre Garantie, er ist wasser- und staubabweisend, IP67-zertifiziert und verfügt bei diesem Modell über Luftdruckausgleich.
Aufbau
Allerdings wird im nächsten Schritt der Grund für die kompakte Transportbox deutlich. Augenfällig ist sofort, dass der MOZA Pro in mehr kleine Teile zerlegt angeliefert wird, als dies bei anderen Gimbal-Herstellern der Fall ist. Dies kostet zunächst einmal mehr Zeit, alle Bausteine sach- und fachgerecht zu montieren. Dieser Aufbau ist auch ohne Bedienungsanleitung möglich. Ist der Gimbal einmal montiert, zum Einsatz gekommen und soll nun für den Weitertransport wieder zerlegt werden, so muss man ihn erneut deutlich zerlegen, um ihn wieder im Koffer unterzubringen. Wer diese Zeit bei schnellen Dreheinsätzen nicht hat oder keinen weiteren Assistenten, der beispielsweise schon einmal nebenbei den Gimbal aufbaut, der verliert durch jeden Auf- und Abbau Zeit. Wir haben den Gimbal zeitweilig ohne Transportkoffer im Auto und Reisemobil transportiert, um diese unnötigen Umbauzeiten auf
ein Minimum zu reduzieren.
Set, Material und Stütze
Der Gimbal kann üblicherweise beim Dreh sehr angenehm auf einer Stütze oder einem Standfuß mit Haltekerben an der Oberseite eingehängt gelagert werden. Gerade, wenn man versucht den Gimbal ohne zusätzliche Halterung oder Aufhängung zum Einsatz zu bringen, dann ist solch eine funktionierende Stütze sehr dienlich. Möglich wäre als zusätzliche Halterung ein passendes Easyrig Vario 5 mit dem Standard-Traglastbereich von 5 bis 17 Kilo und starkem Traglastbereich von 14 bis 25 Kilo. Im Set ist neben dem eigentlichen Gimbal, der MOZA Intelligent Batterie, dem zugehörigen Ladegerät, einer Kamera-Mounting-Platte, einem Wireless Thumb Controller (Remote), einer Power-Distribution-Einheit, dem vorbeschriebenen MOZA Pro Travel Case, einem Verlängerungsarm und einigen Kabeln und Kleinteilen auch solch ein Tuning-Stand, also eine Stütze mit zwei Beinen, enthalten. Vergleicht man diesen mit der Konkurrenz von DJI, so fällt auf, dass der abgefräste Bereich an den Stützarmen, in dem die Carbonstange an der Oberseite des Gimbals eingehängt werden soll, nicht über einen gummierten Schutz oder anderweitig weich gemachte oder zum Schutz weic abgerundete Kanten verfügt. Dies führt bereits binnen kürzester Nutzungsdauer dazu, dass das schöne und leichtgewichtige Carbon vom Metall des Ständers verkratzt wird. Diese kleinere Unzulänglichkeit in der Verarbeitung – sicher auch bei deutlich günstigerem Preis – ist ein gutes Beispiel für die in der Qualität im Verhältnis zum rund 5.500 Euro teuren DJI Ronin 2 zurückbleibende Verarbeitung von Metall, Bauteilen und Schrauben. Ein weiteres Beispiel dafür ist auch, dass die Handgriffe von einem für den Dauerbetrieb nicht ganz so angenehmen Gummi umschlossen sind, welches auch nicht an eine Handform angepasst ist.
In unserem Test waren diese Aspekte allerdings im Wesentlichen Auffälligkeiten oder Abweichungen, die sich optisch, in der Mechanik des Aufbaus- und der Halterung und im direkten Vergleich zur deutlich teureren Konkurrenz gezeigt haben, die aber zunächst wenig oder keine negativen Auswirkungen auf den praktischen Einsatz und die Flexibilität oder Versatilität darstellten. Wie alle Bauteile ließ sich auch der Wireless Thumb Controller sofort und ohne Probleme zum Einsatz bringen. Die Steuerung und Funktionen des Letzteren waren intuitiv durch Tastendruck erfassbar, ermöglichen verschiedene Follow-/Tracking-Modi (Yaw, Pit, Pit-Yaw, All-Lock) und Gimbal-Geschwindigkeiten (Langsam, Mittel, Schnell), können Pan, Tilt und Roll-Richtungen des Gimbals direkt ansteuern und verfügen über eine Start-/Stop-Taste sowie Fokuseinstellung. Die Motoren des Gimbals wirkten stark, robust und bereiteten uns im Einsatz keine Sorgen. Natürlich sind auch ihre Bewegungsspielräume ab einem bestimmten Punkt eingeschränkt,der dafür aber schon unnatürlich weit gedreht werden muss. In unserer Anwenderpraxis für gezieltes Filmen von Großmaschinen, Gerätetechnik und Industrieanlagen hat dies allerdings keinerlei Nachteile oder Folgen gehabt.
Weitere technische Details
Der MOZA Pro ist ein 3-Achsen Gimbal mit eingebauten Sensoren, welche wie bei diesen Systemen üblich, die Lage des Gimbals erfassen und mit möglichst geringem Zeitversatz auf die drei Brushless-Motoren des Geräts übersetzen, um die Kamera in Echtzeit auszutarieren oder Follow-/Tracking-Bewegungen durchzuführen. Die Genauigkeit des MOZA Pro liegt hierbei im Bereich von 0,02 Grad und ist damit auch im täglichen Einsatz nicht langsamer, schwächer oder ungenauer als die teurere Konkurrenz wahrzunehmen. Die Motoren fielen auch in anderer Hinsicht gut auf, da sie wirklich flüssig, rund und absolut leise liefen und somit den Einsatz in ruhigen Umgebungen ermöglichten. Die MOZA Intelligent Batterie hat 2.800 mAh, 14,8 V, 41,44 Wh – mit einer Betriebstemperatur von 0–50° C – und ihre Akku-Laufzeit wird vom Hersteller mit zwei Stunden angegeben. Dies beruht vermutlich auf einer Messung, die Ruhephasen und dauerhafte Bewegungen so – wie gemäßigte Temperaturverhältnisse beinhaltet. In der Praxis und für den abwechselnden Einsatz von Gimbal, Kran, Stativen und Drohne haben wir bei unseren Drehs nie das Ende der Akku-Laufzeit erreicht, da wir immer wieder den Akku laden und jederzeit weiterarbeiten konnten. An der Akkuhalterung ist außerdem ein USB-Anschluss (5 V, 1 A) verbaut, der beispielsweise für drahtlose Video-Funkstrecken als Stromlieferant dienen kann oder genutzt wird, um eine neue Firmware über PC/Mac mittels der MOZA-Assistant-Software auf dem Gerät zu installieren. Der Akku bietet selbst mit LEDs eine Anzeige des Lade stands in fünf Stufen. Durch Drücken der roten Taste auf dem Akku kann man sich unmittelbar den Ladestand anzeigen lassen. Einziger Nachteil dabei ist, dass die LEDs nur aus einem Blickwinkel von etwa 90 Grad vertikal einzusehen sind und dieser Bereich im Wesentlichen nach hinten unten abstrahlend zu sehen ist. Hängt der Gimbal in der auf dem Boden stehenden Halterung und schaut man auch nur etwas höher als zentral von hinten oder gar von oben, so ist der Ladestand schlichtweg nicht erkennbar. Auch die Helligkeit der LEDs ist etwas gering und die Anzeigedauer eher kurz bemessen.
MOZA-App
Trotz diverser eindringlicher Versuche mit mehreren Mobiltelefonen, sowohl auf Android als auch iOS basierend, war es uns nicht möglich, den MOZA Pro mit der zugehörigen App aus dem jeweiligen Store zu verbinden. In Online-Foren und unter YouTube-Videos wird ein ähnliches Problem bei der Verwendung mit verschiedenen MOZA-Geräten wie auch dem MOZA Air geschildert. Dieses Problem scheint wiederkehrend auf unterschiedlichen Plattformen vorzukommen. Der Gimbal wurde uns als Bluetooth-Gerät in der App angezeigt, aber auch nach minutenlangem Warten und vielfachem Neustarten der frisch auf den Geräten installierten Apps, ließ sich keine Verbindung herstellen. Da die App im Wesentlichen über Funktionen verfügen soll, welche sich auch über die Fernsteuerung direkt und ohne Mobilgerät nutzen lassen, würden wir die App als nicht absolut zwingend für den Einsatz erforderlich einstufen.
Einsatz
Hat man schon einige andere Gimbals aufgebaut und eingesetzt, so sollte der MOZA Pro sofort und unkompliziert zum Einsatz zu bringen sein. Nachdem das Gerät zusammengebaut war, ließen sich die getesteten Kameras von mir jeweils sehr einfach und schnell austarieren und funktionierten im Anschluss bei dynamischer und schneller Bewegung im Raum oder auch bei langsamen präzisen Bewegungen für gezielte Umsetzung virtuoser Aufnahmen und Experimente absolut unproblematisch. Ästhetische Aufnahmen mit allen Achsenbewegungen ließen sich gut realisieren. Wir haben für sehr feine zielgerichtete Bildgestaltung einen Atomos Shogun 4K Monitor/Recorder an der Haupttragestange zum Einsatz gebracht und konnten sehr schnell eine geeignete Kabelführung umsetzen, um as Kamerabild darauf zu übertragen. Die seitlichen Handgriffe lassen sich frei um die Roll-Achse rotieren und einfach an der Carbonstange hin und her bewegen, bis die optimale Halteposition eingerichtet ist. Der Top-Handle eignet sich sehr für den Einsatz der Kamera in Bodennähe.
Fazit
Der MOZA Pro zählt zu den günstigen Gimbals seiner Größen-, Gewichts- und Einsatzklasse. Er ist – wenngleich mit kleineren optischen oder baulichen Einschränkungen versehen – im Einsatz ein Gerät, das einfach funktioniert und tut, was man sich davon verspricht. Auch wenn wir die App nicht koppeln konnten und man den Ladestand des Akkus nicht aus allen Winkeln perfekt sehen konnte, ist das Gerät sicher für viele Einsatzgebiete gut und unkompliziert nutzbar. Wer technisch einen deutlich höheren Anspruch hat oder ausgefeilte Spezialaufnahmen bis ins kleinste Detail geplant umsetzen will, der hat meistens auch andere Ressourcen zur Verfügung und kann auf teurere Geräte zurückgreifen, um beispielsweise die Vorteile des MoVI Controllers
“MIMIC” von Freefly Systems oder die Vorteile des Pendants von DJI, den “Force Pro Motion Controller” genießen zu können. [9008]
Was ich wirklich sehr schade beim “Kameramann” generell finde und nicht nur in Artikeln wie diesem hier vermisse ist eine anschauliche Bebilderung des Themas. Nicht nur, dass von den 2 Gimbals um die es hier geht lediglich einer im Titelfoto zu sehen ist, sondern auch im weiteren Verlauf keine Fotos zur Veranschaulichung gezeigt werden. Auch findet man keine Links zu Herstellerseiten der angesprochenen Produkte/Einzelteile. Darüber hinaus könnte man bei einem “Gimbal-Vergleich” sehr gut Videos mit Ergebnissen der 2 Systeme einbinden, aber auch Fehlanzeige. So bleibt es halt wie bei vielen anderen (interessanten) Themen nur ein kahler Text ohne weitere visuelle Information. Leider.
Lieber Alex,
vielen Dank für deine Anmerkung, die ich gut nachvollziehen kann. Den vollständigen Artikel mit allen Fotos gibt es in unserem Heft und insofern bitte ich um Verständnis, dass wir bei “Film & TV Kamera” nicht unsere kompletten Heftinhalte online stellen können.
beste Grüße,
Uwe Agnes