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Studio für Chroma-Key im Eigenbau (1)

Greenscreen in Ahaus

Wenn man ohne größeren Aufwand kein Greenscreen-Studio erreichen kann, aber auf regelmäßiger Basis eines braucht, liegt der Gedanke nahe, sich selbst ein solches anzuschaffen. Uli Mors und André Winkler gingen einen Schritt weiter und realisierten ein Greenscreen-Studio im Eigenbau. Wir berichteten in Ausgabe 5.2020.

Fotos: Ulrich Mors

Ich wohne und arbeite im Münsterland. Das muss ich voranstellen, denn das Münsterland ist nun wirklich nicht das Zentrum der Medienproduktion in Deutschland. Um es kurz zu machen: Professionelle Verleiher gibt es hier nicht mal eben um die Ecke und Studios auch nicht. Ich habe den Fotografen André Winkler auf der Photokina 2018 kennengelernt. Er betreibt in Ahaus im Münsterland das geräumige Fotostudio „Werkzwo“ mit gigantischer weißer Hohlkehle, in die locker ein LKW passt. Nach längerer Recherche und Beratung fiel unsere Entscheidung, dieses Studio neben allgemeinen Videound Filmaufnahmen auch als Greenscreen nutzen zu wollen. Damit entstand ein Mors-Winkler-Gemeinschaftsprojekt. Andrés zweite Hallenhälfte, die baulich durch die weiße Hohlkehle abgetrennt ist, passte für das Projekt „großer Greenscreen“ perfekt.

Folgende Überlegungen kamen zusammen:

  • der Greenscreen sollte als 90-Grad-Hohlkehle über Eck angelegt werden
  • die Abmessungen sollten echten Kulissenbau ermöglichen
  • die Höhe der Wände sollte auch untersichtiges Drehen erlauben
  • der Greenscreen soll unabhängig vom Set beleuchtet werden können, um größtmögliche künstlerische Freiheit bei der Setbeleuchtung zu haben.

André brachte eine perfekte Voraussetzung für das Vorhaben mit: Er ist gelernter Schreiner und war viele Jahre lang Kulissenbauer an der deutschen Staatsoper in Berlin. Er kennt alle Kniffe der Holzbearbeitung, zimmert auch schnell mal eine Show-Treppe zusammen und wenn er einen Knoten in ein Halteseil macht, ist das nicht nur ein einfacher Palstek. In seinem Großraum-Studio lagern von ihm entworfene Standardmaß-Kulissenteile, mit denen er auf die Schnelle individuelle Innenräume, Lofts oder Terassen auf Kundenwunsch bauen kann. So war es kein Wunder, dass bereits 10 Tage nach unseren ersten Besprechungen ein grober Holzrahmenbau entstanden war, der die Abmessungen des zukünftigen Greenscreens mit zehn Metern Breite, neun Metern Tiefe und fünf Metern Höhe erfahrbar machte. Nach einiger Zeit stand auch die finale Position und Ausrichtung fest. Jedoch mussten erst noch Lüftungsrohre der Halle versetzt und die Statik der Decke geprüft werden. In der endgültigen Variante ist die Konstruktion allerdings freitragend und lediglich zur Sicherheit an den Stahlträgern der Hallenwände befestigt.

Die Konstruktion

Das Grundgerüst wurde mit Konstruktionsvollholz erstellt, mit tragenden und unterstützenden Pfosten. Um Arbeit bei der später folgenden Belegung mit Platten zu sparen, wurden die Hauptpfosten mindestens in je halber Plattenbreite gesetzt. Danach wurden die weiteren zusätzlichen Verstrebungen ausgeführt. Wir legten viel Wert darauf, die Platten hochkant setzen zu können, um möglichst wenige horizontale Nahtstellen im Bild zu haben. Hier zahlte sich die Kulissenbau- Erfahrung voll aus, denn mit rund fünf Metern Länge füllt nun eine einzelne Platte fast den gesamten Höhenbereich der Hohlkehlenwand aus.

Erster Stellentwurf für den späteren Greenscreen

Als Wandplatten verwendeten wir mitteldichte Faserplatten (MDF). MDF wird aus Hackschnitzeln hergestellt, darin finden sich Kiefer, Fichte, Buche, durchaus aber auch Birke und Pappel sowie andere Holzarten, entscheidend ist da in der Regel der Preis. MDF hat einen massiven Vorteil gegenüber direkten Holzzuschnitten: Da die feinen Hackschnitzel kreuz und quer im Material liegen und gegeneinander verklebt sind, verzieht sich eine MDF-Platte bei Temperatur- oder Feuchtigkeitsschwankungen kaum – ideal also für flächiges Verlegen wie hier in der Beplankung oder dem Boden. Um die Wände des gesamten Objektes verwindungsfest zu machen und dadurch die freistehende Funktion zu erzielen, wurde von hinten eine Gegenlage aus Balken gesetzt. Ausleger stellen die Verbindung zu Fixpunkten der Hallenwände her, was zusätzliche Sicherheit schafft.

Die Sparren für die Rundung der Hohlkehle

Der nächste Schritt war die Ausgestaltung der Hohlkehle, also dem Übergang der Wände zum Boden. Es sollte noch die Möglichkeit bestehen, Trackingmarker per Hand auf die Wand setzen zu können. Daher durfte die Rundung nicht zu groß werden, die Wand sollte maximal eine Armlänge von der Stand- oder Leiterposition entfernt sein.

Die rückseitige Verstrebung und sichernde Stützverbindung zur Hallenwand

Als Auflageform für die Rundung haben wir mit einer Stichsäge Sparren aus MDF-Platten großzügig ausgeschnitten und anschließend immer feiner abgeschliffen. Auf diese Weise entstanden 40 Sparren als Unterkonstruktion für biegsame Hohlkehlenplatten, die bündig mit der anliegenden Wand- und Bodenplatte abschliessen mussten. Die Maße dafür wurden bereits bei der Gestaltung der Sparren berücksichtigt. Der Vorteil dieser Bauweise: Die Rundung ist perfekt, denn die Bogenplatten liegen eingespannt zwischen Wand und Boden. Die dünnen Rundungen der Kehle dürfen allerdings wegen der Hohlräume nicht belastet werden, man kann sich also nicht darauf stützen oder stellen. Auch die Fußbodenplatten wurden speziell angefertigt, denn mögliche Nahtstellen als Stolper- oder Schattenkanten waren inakzeptabel. Hier griff André auf eine im klassischen Möbelbau traditionelle Verbindungsmethode zurück: den Flachdübel. Für dessen Einsatz werden Bretter seitlich flach eingeritzt und anschließend mit einem kleinen Holzschiffchen verbunden. Wichtig ist das genaue Arbeiten, denn nur wenn alle Schlitze auf exakt der gleichen Höhe sind, werden die verbundenen Flächen eben und die Naht dauerhaft unsichtbar. „Aussterbende Handwerkskunst“ nennt André das. In der industriellen Möbelfertigung sind längst andere Verbindungsformen üblich – bei unserem Greenscreen-Boden aber funktionierte sie perfekt!

Dass auch die Wandplatten untereinander mit Flachdübeln verbunden sind, versteht sich fast schon von selbst. Die Übergänge kann man kaum sehen oder fühlen. Das ist aber auch das Ergebnis akribischen Spachtelns und Schleifens: Alle Übergänge wurden mehrfach gespachtelt und stundenlang immer feiner geschliffen. Über 60 Arbeitsstunden stecken alleine im Abschleifen der Wände, der Rundungen und des Bodens. Aber nur so sind schattenfreie Kanten garantiert. Damit war die erste Phase des Greenscreen-Baus abgeschlossen: In der Halle stand nun die fertige Konstruktion der 90-Grad-Hohlkehle, fertig beplankt und abgeschliffen.

Greenscreen-Farbe

Unterhält man sich mit Branchenkollegen, bekommt man eigentlich nur zwei Antworten zum Thema Greenscreen- Farbe: Rosco oder Baumarkt! Die Meinungen dazu, ob man wirklich die „amtliche“ Rosco-Farbe nehmen sollte, gehen also weit auseinander. Statt uns auf mehr oder weniger verlässliche Empfehlungen zu konzentrieren, haben wir schlicht und einfach den Test gemacht.

Doch das „Baumarkt-Grün“ schied schon bald aus. Die von uns besorgten Farben waren allesamt nicht matt genug! Reflexionen glänzten oder hellten die farbige Fläche zu deutlich auf und ob damit auch der richtige Farbvektor getroffen werden könnte, war für uns dann schon nicht mehr relevant. Die Rosco-Farbe dagegen war, wenn sie richtig gestrichen wurde, gleichmäßig und sehr matt. Nur mit der Grundierung hatten wir zu kämpfen.

Die ersten Anstrichtests auf einer unbehandelten MDFPlatte waren katastrophal. Die Farbe wurde extrem schnell aufgesaugt, der Anstrich deckte nicht, ein fleckiges, fast durchsichtiges Grün war das Ergebnis. Der Rosco-Vertrieb empfahl die vertriebseigene Grundierung, die uns aber nicht wirklich überzeugt hat. Stattdessen haben wir Vergleiche auf Testplatten gestrichen.

Unsere Varianten: Baumarktgrundierung, weiße Wandfarbe sowie Rosco-Grundierung. Wir haben rund ein Dutzend verschiedene Kombinationen und Stärken ausprobiert. Dabei waren einige Ergebnisse regelrecht schmierig, andere fleckig. Unsere finale, durchaus vorhersehbare Erkenntnis: Der Untergrund hat einen entscheidenden Einfluss auf die Deckungskraft und Gleichmäßigkeit des Rosco-Anstrichs, schließlich ist unser Anspruch deutlich höher als bei einem Wohnungsanstrich. So wurden unsere insgesamt fast 200 Quadratmeter noch mal abgeschliffen, grundiert, passend vorgestrichen und dann zweimal Grün gestrichen.

Die kleinste Einheit Rosco „Video Paint Chroma Key Grün“ mit knapp vier Litern Farbe kostet etwa 110 Euro netto. Ein durchaus stolzer Preis, aber damit sollen laut Hersteller bis zu 28 Quadratmeter Anstrich möglich sein. Wir hatten die Gesamtmenge auf dieser Basis etwas großzügiger bestellt. Aber irgendetwas hatten wir dann wohl wirklich richtig gut gemacht: Die Rosco Farbe war auf unserer individuellen Grundierung extrem ergiebig! Wir kamen trotz zweimaligen Streichens deutlich weiter als errechnet und haben nun einiges an Farbe in Reserve für Reparaturen oder Boden-Neuanstriche.

Auch beim Streichen ist Erfahrung von Vorteil. André verwendete eine Farbrolle mit extrem kurzen Fasern. Die nehmen zwar nur wenig Farbe an, ergeben im Anstrich aber einen sehr dünnen Farbfilm. Flecken werden extrem minimiert. Die Farbe wird eben nicht aufgeklatscht und dann durch die Rolle verteilt, sondern gleichmäßig abgestrichen. Ich war vor allem beeindruckt, dass André nach etlichen Quadratmetern nicht einen Tropfen abbekommen hat, und das beim Streichen von fünf Meter hohen Wänden! Die Rosco-Farbe hat für uns gut funktioniert. Es mag auch andere gute Hersteller geben, wir haben uns schnell auf den bekanntesten Anbieter konzentriert. Baumarktgrün hingegen erfüllte den gewünschten Zweck bei uns nicht. Die Farbe war nie matt genug und den Farbton haben wir deswegen nicht weiter getestet. Hier ist sicher noch Raum für weitere Experimente.

Je nach Untergrund ist die Grundierung entscheidend für das sparsame und effektive Streichen der Key-Farbe Ein Testanstrich auf Restplatten hat sich bei uns bewährt. Mit den so erstellten Testplatten konnten wir bereits Keyingund Lichttests machen, denn zu diesem Zeitpunkt stand noch nicht final fest, wie und womit geleuchtet werden sollte. Eins war uns jedoch klar: Wir wollten mit Tageslicht-Farbtemperatur leuchten und benötigten eine nicht unbedeutende Menge Licht. Denn unser Ziel war, bei ISO 800 auf Blendenwerte unter 5.6 zu kommen, um bei Bedarf auch mit kürzeren Shutterzeiten bewegungsscharfe Aufnahmen drehen zu können. Dazu mehr im zweiten Teil des Erfahrungsberichts in der kommenden Ausgabe! [12474]

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hey, danke für diesen Artikel! Für welche Grundierung habt ihr euch nun entschieden?

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