Innovation aus der Grip-Manufaktur „Made in Ottensen“
Handgemacht
von Timo Landsiedel,
Wer Grip-Ausrüstung braucht, will vor allem drei Dinge: Präzision, Verlässlichkeit und einfache Handhabung. Joachim Scholz hat jahrzehntelang als Grip gearbeitet und wechselte dann ins Herstellerfach. Seine Expertise löst Probleme vom Set pragmatisch und innovativ. Dafür gibt es seine Ausrüstung aber nur in Kleinstauflage. Er hat uns für die Ausgabe 5.2024 erzählt, warum das so ist und wieso kein Mitbewerber Angst vor seinen Preisen haben muss.
In vier Jahrzehnten am Set hat Joachim Scholz eines gelernt: Zu komplizierte Anwendung kostet Zeit und Geld – und sie nervt die Anwender massiv! Vor allem in der Grip-Abteilung kann der heutige Rentner aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz berichten, der seinen heutigen Produkten ihr Alleinstellungsmerkmal verleiht.
Aber die Geschichte begann erst einmal ganz anders. Nach der Schule machte Scholz in den 1960er Jahren eine Lehre als Feinmechaniker und arbeitete zwölf Jahre lang in diesem Beruf. Durch Holger Greiß, der seinerzeit als Oberbeleuchter tätig war und mit dem ihn heute eine lange Freundschaft verbindet, kam er erstmals mit Film in Kontakt. Es folgte eine Tätigkeit im Verleih, bei der in Hamburg heute noch als „legendär“ bekannten Firma Filmtechnik Rose. Dem schlossen sich vier Jahre als Beleuchter unter Holger Greiß an, bevor Scholz Anfang der 1980er Jahre zur Kamerabühne wechselte und 34 Jahre lang dort blieb. Dabei arbeitete er auch immer wieder mit dem mittlerweile zum DoP avancierten Holger Greis zusammen.
Keine Massenartikel
„Während dieser Zeit fiel mir immer wieder auf: Es gibt viele Sachen, die man benutzen kann – aber nicht zügig, unkompliziert und vielleicht auch unkaputtbar“, so Joachim Scholz. Er begann, Ideen zu entwickeln, eigene Lösungen zu bauen und bauen zu lassen. Mitte der 2010er Jahre begann er bei Hanse InnoTech und brachte die von ihm entwickelten Ideen als Produkte dort ein. Hier lernte er Tobias Millhan kennen, der sich als Handwerks- meister mit dem CNC-Fräsen und -Drehen auskannte. Von Millhan lernte Scholz, wie Zerspanungstechnik heutzutage funktioniert und was sich seit seiner Lehre in diesem Bereich getan hatte. Nachdem Hanse InnoTech 2019 Insolvenz anmeldete, wollte Scholz seine Produkte weiterführen. Die Gebrauchsmuster waren schon zuvor stets nur auf seinen Namen angemeldet gewesen, hier gab es also keine rechtlichen Hindernisse.
Aus der Insolvenzmasse erwarb Scholz „seine“ CNC-Fräse, kaufte zudem eine konventionelle Drehmaschine und arbeitete sich in die Handhabung ein. Unter anderem lernte mer in Fernkursen bei Millhan, wie man die Fräsen programmieren kann, kaufte sich eine Software dafür und machte beim ehemaligen Bühnenkollegen Oliver Naske eine Werkstatt auf. Hier entstanden die ersten Produkte mit dem Label „Made in Ottensen“. Mittlerweile hatte auch Millhan eine neue Heimat gefunden und in Barsbüttel die Millhan & Schill Präzisionstechnik GmbH gegründet. Hierhin wechselte Scholz mit seinen Maschinen und konnte auf viel Know-how und Unterstützung zurückgreifen. „Massenartikel sind das nicht“, sagt Scholz. „Bei mir fängt eine Menge bei drei an, das ist schon viel.“ Für gewöhnlich stellte Scholz auf Bestellung ein oder zwei seiner Produkte her. „Wenn drei, vier oder gar zehn angefragt werden, lasse ich das machen und kaufe die Leistung bei Tobias Millhan ein. Das macht für mich vom Aufwand gar keinen Sinn.“
Das erste Produkt, dessen Idee Joachim Scholz umsetzte, war der innovative Magnet-Car-Mount. Wann genau er diesen konstruierte, kann er gar nicht genau zurückverfolgen. Es muss aber Anfang bis Mitte der 2010er Jahre gewesen sein. Der Mount besteht aus einer quadratischen Basis mit Nivellierkopf, die mit zwei dutzend Stempeln versehen ist, die an etwa 20 Zentimeter langen Stangen jeweils mit einem Magneten mit Gummifuß versehen sind. „Diese Car-Mount-Lösungen sind ja immer wahnsinnig kompliziert gewesen“, so Scholz. „Die Idee dazu gab mir dieses Nagelspiel, wo man die Form der Hand in so einem Nagelbett abbilden konnte. Da habe ich mir gedacht: Das müsste doch auch größer gehen!“
Er überlegte sich eine zeitgleiche Verriegelung der Stempel und legte los mit der Konstruktion. „Die Magneten in den Füßen sind einfache Neodymmagneten“, erklärt Scholz. „Hochleistungsmagneten, zehn Millimeter hoch und breit, die ziehen jeweils dreieinhalb Kilo.“ Die Stempel passen sich jeder Wölbung der Autokarosserie an. Der Car-Mount kann so samt Kamera auf der Motorhaube positioniert und eingerichtet werden und erhält allein durch die Magnete ausreichend Haftung. Der Mount wird jedoch anschließend zusätzlich durch Spanngurte gesichert.
Der Aufbau, so verspricht Scholz, dauere fünf Minuten. In der Folge entstand auch ein Seiten-Car-Mount, der anders konstruiert werden musste, weil Scholz den Anspruch hatte, dass man die Tür noch öffnen können sollte. Einen Car-Mount verkaufte er an die Filmakademie in Ludwigsburg, die anderen sind ausschließlich im Rental zu haben.
Aus der Not
Viele der Ideen von Joachim Scholz entsprangen aus einer Notwendigkeit, der er selbst beim Drehen begegnet war oder die an ihn durch Gripleute oder Kameraassistenten herangetragen wurde. „Die meisten Kollegen am Set haben mit Fertigung ja nichts am Hut“, sagt Joachim Scholz. „Die erzählen mir dann, was sie gerne hätten. Dann sage ich: Ja, da musst du mir zumindest mal eine Skizze machen.“
Aus der Skizze kann Scholz dann eine technische Zeichnung anfertigen. Alternativ überlegt er selbst, wie das Problem zu lösen sei. Gibt es eine Abkürzung von den bisherigen Lösungen, die nicht so recht funktionieren? Gibt es ein Vorbild aus einem ganz anderen Mechanikbereich?
Hauptsache kompliziert, unhandlich und sauteuer! Außer STEADYGRIP.