Je nach Drehverhältnis kommen bei einem Spielfilm oder einer Serie gut und gerne 30 Terabyte an Daten zusammen, die zunächst aus versicherungstechnischen Gründen mehrfach gesichert werden müssen. Dann werden sie in den meisten Fällen für den Schnitt aufbereitet, zudem
werden sogenannte Proxys erstellt – Vorschaudateien in reduzierter Qualität, die im Schnitt eine einfachere Handhabung ermöglichen. Wenn der Schnitt vollzogen ist, wird der Film mit den Original-Kameradaten zusammengestellt. Außerdem werden die Daten schließlich langzeitarchiviert.
Nicht zu vergessen sind auch die Kopierzeiten, die bei jedem Transfer auf ein weiteres Medium anfallen.
In Summe macht ein größerer Speicherplatzbedarf in dieser gesamten Kette durchaus einen Kostennachteil aus, der in der Kalkulation berücksichtigt werden muss. Insofern ist die Frage berechtigt, ob man sich bereits zu Beginn des Projektes auf eine Kompression der Kameradaten einigen sollte, und wenn ja, wie stark diese sein darf.
DIE KONTRAHENTEN
In unserem Vergleich schauen wir uns zwei im deutschen Markt gängige Kameras an, die uns freundlicherweise von Ludwig Kameraverleih zur Verfügung gestellt wurden: Die RED Epic mit Dragon-Sensor und die Sony F55 mit dem AXS-R7-Recorder. Die Epic bietet eine fein einstellbare Kompression – je nach Modell, Auflösung und Speicherkarte – von 2:1 bis 22:1. Mit der F55 kann unkomprimiert aufgezeichnet werden, in Kombination mit dem Recorder zusätzlich noch in X-OCN ST und LT, was 1,4:1 und 2,4:1 entspricht. Die Testsequenzen der F55 erfolgten in UHD, die der Epic in 5K, um einen möglichst gleichen Bildausschnitt zu bekommen. Beide Kameras sind mit PL-Mounts ausgestattet, an denen ein Leica Summicron-C 50 mm montiert ist.
Für eine gute Vergleichbarkeit wurde eine Studiosituation geschaffen, die einige Herausforderungen bereithält, sowohl für die Bildsensoren als auch für die Codecs.
Die Testsituation im Studio: Die drei Dedolights am linken Bildrand simulieren Ampeln bei einer Nachtaufnahme. Der sich bewegende Ball gibt Rückschlüsse auf das Verhalten von Farbsäumen der Chrominanz. Zu der Farbkarte und dem Siemensstern gesellen sich einige Flaschen, an denen vor allem die Highlights interessant sind. Dasselbe gilt für die Kerzen. Der Protagonist trägt einen Hoodie, der bereits in der Realität wie Bildrauschen aussieht. Der Ventilator erzeugt mit seiner Drehung am Gitter ein Muster mit feinen, ineinander übergehenden Linien. Zu guter Letzt soll mit der grünen Rückwand das Chromakeying überprüft werden.
Diese Testsituation offenbart das Verhalten der Sensoren, Bildprozessoren und Kompressionsalgorithmen der getesteten Kameras. Speziell im Hinblick auf HDR sind auch die Reserven im Low- beziehungsweise Highlight-Bereich bewertbar. Es wurden Varianten mit unterschiedlicher Empfindlichkeit, Verschlusszeit und Blende gedreht.
Den meisten dürfte bei der Kompression von Bildsignalen am ehesten Internetclips einfallen, die bis zur Unkenntlichkeit und häufig auch in mehreren Generationen hintereinander komprimiert worden sind. Dies ist am ehesten durch Klötzchenbildung erkennbar.
REDCODE RAW bedient sich eines anderen Ansatzes, nämlich der Wavelet-Transformation: Hier wird das Bild nicht in Blöcke aufgeteilt, sondern in Frequenzbänder. Hohe Frequenzen bedeuten viele Wechsel von hell zu dunkel. Je nach Einstellung werden diese Frequenzen verringert und so das Bild an der jeweiligen Stelle etwas unscharf. Sony hat hingegen keine Informationen zum „Unterbau“ von X-OCN veröffentlicht, man kann aber davon ausgehen, dass die Funktionsweise der von REDCODE ähnelt. Das Ergebnis und die verwendeten Datenraten sprechen dafür.
VORTEIL SENSOREMPFINDLICHKEIT
Die bessere Lichtausbeute des Sony-Sensors sticht als Erstes ins Auge: Verglichen mit dem Dragon-Sensor bietet er bei einer um einen Wert geschlossenen Blende noch mehr Luminanz. Der Waveform-Monitor zeigt in den Schwärzen noch Details, wohingegen bei der RED diese geclippt werden – wahrscheinlich ein Tribut an den „Skin Tone-Highlight Optical Low Pass Filter“, der montiert war. Da dieser Test zur Vergleichbarkeit mit identischer Blendeneinstellung vorgenommen wurde, ist das Ergebnis beim Keying mit der Sony ebenfalls etwas besser. Mit einer Anpassung, wäre hier aber von der RED ein ähnliches Ergebnis zu erwarten.
Optische Unterschiede lassen sich nur bei extremer Vergrößerung des Bildes ausmachen. Um das Zentrum des Siemenssterns offenbaren sich minimale Unterschiede, bei der die Sony die Chrominanz wegfiltert. Das für CMOS- Sensoren typische horizontale Bildrauschen, der Horizontal Banding Noise, tritt bei beiden Kameras auf. Das Clipping der Kerzenflammen sieht bei beiden Kameras identisch aus, der Übergang hierzu scheint bei der RED etwas besser gelungen.
Was die Kompressionsalgorithmen zu leisten vermögen, ist absolut vertretbar – der Unterschied ist bei real gedrehtem Material höchstens mit Messgeräten oder extremen Zooms sichtbar. Während die fein einzustellende REDCODE-RAW-Kompression für Unentschlossenheit sorgen könnte, hat Sony die Einteilung bewusst sehr einfach gehalten und bietet „nur“ zwei Stufen an. In der Praxis ist dies vollkommen ausreichend und erleichtert die Wahl. Ein Vergleichstest im Baselight, speziell zu den Möglichkeiten im Colorgrading, attestierte beiden Codecs eine gute Leistung, auch in den stärkeren Kompressionsvarianten. Man kann also ruhigen Gewissens sowohl in REDCODE RAW 8:1 als auch X-OCN LT drehen, ohne sichtbar Details einzubüßen.
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