Nachdem wir im letzten Sommer bereits einen Blick auf den Blackmagic ATEM Mini Pro geworfen haben, schauten wir uns im Heft 4.2021 die Version mit ISO-Recording an. Damit lassen sich die Schnitte kompletter Live-Events noch nach dem Stream korrigieren. Wir haben getestet, wie das in der Praxis funktioniert.
Die ATEM-Mini-Mischer von Blackmagic Design zählen wohl zu den meistverkauften Videomischern überhaupt. Einen kompletten Videomischer für vier HDMI-Signale und Webcam-Ausgang für einen Rechner zu einem vergleichsweise kleinen Preis: Das scheint für viele Anwendungsbereiche verlockend zu sein. Dabei stellte der Hersteller zunächst den einfachen ATEM Mini mit vier Kanälen, einem HDMI-Ausgang und einem Webcam-Ausgang vor. Danach wurde die Serie dann mit dem ATEM Mini Pro inklusive Multiview, integriertem Streaming-Encoder und Recording-Funktion erweitert. Der letzte Neuankömmling trägt noch den Beinamen ISO, wobei es diese drei Buchstaben durchaus in sich haben. Der Mischer verfügt nämlich nicht nur über einen, sondern insgesamt fünf Encoder. Die Idee ist, neben dem Programm-Signal, jedes Signal einzeln auf eine Festplatte aufzunehmen, um nachträglich und unabhängig vom gesendeten Bild Schnitte editieren zu können. Neben den hier genannten Modellen gibt es ganz frisch auch den ATEM Mini Extreme und ATEM Mini Extreme ISO, die beide mehr Eingänge verarbeiten können. Diese beiden Mischer stellen wir in unserer Technologie-Rubrik vor.
Funktionsumfang
Die grundsätzlichen Funktionen sind bei allen ATEM Minis gleich. Sie verfügen über vier Eingänge und haben ein ähnliches Tastenlayout. Viele detaillierte Einstellungen lassen sich über einen Rechner per Software einstellen. Dazu gehören unter anderem ein integrierter Medienplayer für 20 Einzelbilder, ein Tonmischer mit Dynamik und Equalizer sowie ein Chroma-Keyer. Besitzer von Blackmagic Pocket Cinema Cameras können sich zusätzlich über erweiterte Fernsteuer-Möglichkeiten ihrer Kameras freuen. Sie können beispielsweise über die HDMI-Verbindung die Farbwiedergabe der Kameras matchen und Parameter wie Blende, ISO und Belichtungszeit vom Mischer aus ändern. Für alle Mitwirkenden vor und hinter der Kamera übertragen die Mischer auch ein Tally-Signal. Um Bild und Ton entweder über das gleiche Netzwerk oder über die ganze Welt senden zu können, gibt es zusätzlich die ATEM Streaming Bridge. Sie dient als Decoder-Box zum im ATEM integrierten Encoder.
Workflow ISO-Recording
Wer auf traditionellem Wege ISO-Recordings tätigen möchte, benötigt jede Menge Equipment. So sollte man für vier Kameras auch vier Recorder bereit haben. Natürlich können auch die meisten Kameras bereits intern aufzeichnen, jedoch sind die Dateien dann auf vielen verschiedenen Speichermedien. Hier soll der ATEM Mini Pro ISO Abhilfe schaffen. Dazu muss man nur die Kameras und über den integrierten USB-C-Anschluss eine ausreichend schnelle Festplatte anschließen. In unserem Fall handelte es sich dabei um eine handelsübliche SSD- Festplatte, die bei der Aufnahme keinerlei Probleme machte. Danach lässt sich der Mischer über einen im gleichen Netzwerk angeschlossenen Rechner konfigurieren. Sollte am Set kein Rechner zur Hand sein, so kann man das Projekt auch im Vorhinein anlegen. Egal ob zu Hause oder unterwegs: In jedem Fall sollte man per ATEM Software Control einen Projektname vergeben. Zusätzlich zu den H.264 ISO-Recordings mit hoher Bitrate im Mischer kann man bei angeschlossenen Pocket Cinema Cameras auch die Blackmagic-RAW-Aufnahme aktivieren, wobei in den jeweiligen Kameras bis zu 6K-Material in der Kamera aufgezeichnet wird. Nun der Clou: Ist die Aufnahme beendet, so erhält man alle Einzel- Aufzeichnungen für Bild und Ton in separaten Ordnern, plus eine DaVinci-Resolve-Datei, in der die live geschnittenen Inhalte als Edit schon angelegt sind. Kopiert man vorher in die jeweiligen Ordner noch die RAW-Dateien der Kameras, so können die Aufnahmen in DaVinci Resolve auch noch nachträglich ausgetauscht werden.
Bei unseren Aufnahmen tauchte rasch die Frage auf, was passiert, wenn eine Aufnahme angehalten und nach einer kurzen Unterbrechung wieder gestartet wird. Zwar mag man vermuten, dass dann ein komplett neuer Ordner mit neuer DaVinci-Resolve-Projekt-Datei angelegt würde, jedoch ist dem nicht so. Wenn der eingestellte Projektname derselbe bleibt, wird keine neue Projektdatei angelegt – alle Aufnahmen befinden sich im gleichen Projekt in der gleichen Timeline, jedoch sind neuere Aufnahmen um die inzwischen verstrichene Zeit nach hinten versetzt. Damit lassen sich auch komplexere Vorproduktionen kleinschrittig aufnehmen und nachträglich in einem Projekt bearbeiten.
Software-Integration
Das Besondere am ATEM Mini Pro ISO ist nicht nur die Möglichkeit, vier Kameras gleichzeitig mit dem richtigen Timecode zentral aufzunehmen, sondern auch das Zusammenspiel von Hardware und Software. Dabei sei angemerkt, dass der Mischer nicht mit einer DaVinci Resolve Studio Variante geliefert wird. Öffnet man eine vom Mischer angelegte Resolve-Datei, so findet man in erster Linie eine fertig geschnittene Timeline wieder. Alles, was zuvor am Mischer gedrückt wurde, ist nun als ein Element in der Timeline sichtbar. Auch Überblendungen werden als solche in DaVinci Resolve angezeigt. Dabei lassen sich die Längen der Überblendungen editieren, die Überblendungsart ändern oder aber die Überblendung komplett herausnehmen. Auch Einblendungen wie Bauchbinden oder Fotos sind als einzelne Clips über den Videos in die Timeline integriert.
In der Cut-Page in Resolve gibt es den sogenannten Sync Bin, der alle Video-Dateien, die über den gleichen Timecode verfügen, untereinander anzeigt. Ist in der Live-Situation etwas missglückt, sind alternative Einstellungen leicht zu finden und können schnell und zeitsynchron ausgetauscht werden.
Bei der Verwendung von Blackmagic RAW lässt sich auf „Camera Originals“ umstellen, wodurch man nun im Color Modul die RAW-Videos korrigieren kann. Über die Remote Grades kann man eine Korrektur an einem Shot einer Kamera-Einstellung vornehmen und auf alle anderen Shots anwenden. Obwohl der Mischer zwar nur Full-HD verarbeiten kann, steht so einem Finishing in einer Auflösung bis zu 6K nichts im Wege.
Fazit
Mit dem ATEM Mini Pro ISO beziehungsweise dem neuen ATEM Mini Extreme ISO hat Blackmagic Design einen praxisnahen Workflow geschaffen, Videos live zu schneiden und diese später noch zu bearbeiten. Zwar können andere teils PC-gestützte Systeme wie Vmix auch recht einfach ISO-Recordings vollziehen, speichern diese Programme danach nicht als bereits vorgeschnittenes DaVinci-Resolve-Projekt ab. Mit dieser Technologie lässt sich also Zeit sparen und mit den neuen größeren Modellen könnte sie auch für kleinere TV-Vorproduktionen Verwendung finden. Aber auch, wenn man nur ab und an die ISO-Recordings benötigt, verfügt man stets über alle Vorteile des normalen ATEM Mini Pro.
Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass sofort riesige Datenmengen entstehen, sobald das ISO-Recording zum Einsatz kommt. Der damit verbunden einzig wirkliche Schwachpunkt des Videomischers ist die Tatsache, dass beim Anschließen von weniger als vier Videoquellen bei der ISO-Aufnahme trotzdem alle vier Spuren mit hoher Bitrate aufgezeichnet werden. Damit entstehen Schwarzbild- Dateien, die für kein Projekt zuträglich sind. Allerdings haben in unserem Test diese Daten nur einen kleinen einstelligen Prozentsatz des Speicherbedarfs der Videos mit angeschlossenen Kameras in Anspruch genommen. Hier sollte der Hersteller mit einem Software-Update nachbessern. Für High-End-Produktionen wären natürlich professionelle Anschlüsse wie SDI und XLR wünschenswert. Wen das nicht stört, erhält ein durchdachtes und stimmiges Produkt, das auch so viele Funktionen der wesentlich kostspieligeren Videomischer mitbringt. [14412]