Sennheiser Evolution Wireless Digital in der Praxis
Schlankes System: Sennheiser Evolution Wireless Digital
von Sven Kubeile,
Als weitere Ergänzung im Portfolio hat Sennheiser nach den Top-Systemen der Digital-9000- und 6000-Serie die Digitalversion der Evolution-Serie auf den Markt gebracht. Die technischen Daten klingen in Kombination mit einem überschaubaren Preis durchaus interessant. Wir haben in unserer Ausgabe 11.2021 getestet, ob das EW-D-System auch in der Praxis überzeugen kann.
Wer ordentlichen Content wie zum Beispiel Live-Streams produzieren möchte, sollte auf einen sauberen Ton setzen. Besonders bei Talk-Veranstaltungen kann man sich eine schlechte Verständlichkeit nicht leisten. Hier gab es immer schon unterschiedliche Lösungen: Mikrofone auf Stativen, Handmikrofone, Headsets und Anstecker, in den meisten Fällen mit Signalübertragung per Funk. Hier zählt Sennheiser schon seit langem zu den bekanntesten Herstellern. Wo früher analoge Systeme in den Technikräumen vieler Rundfunkhäuser zu finden waren, sind vielerorts nun digitale Systeme von Sennheiser im Einsatz, vor allem die High-End-Systeme der Digital-6000- oder 9000-Serie. Die Vorteile im Vergleich zu den analogen Geschwistern: unkomprimierte Klangqualität und eine verschlüsselte Verbindung. Dabei haben die Komponenten aber auch ihren Preis. So kostet etwa ein Handsender der Digital-9000-Serie ohne eine Kapsel bereits über 2.800 Euro. Parallel dazu verkauft Sennheiser aber auch die altbekannten und besonders bei kleinen EB-Teams beliebten analogen Systeme der Evolution- Serie – mittlerweile in der vierten Generation. Der nächste logische Schritt für den Hersteller: die Einfachheit, das Preis-Leistungs-Verhältnis und Vielseitigkeit der Evolution-Serie mit der Funktechnik der digitalen High-End-Systeme zu kombinieren. Dabei herausgekommen ist das Sennheiser Evolution-Wireless-Digital-System, kurz EW-D.
Übersicht
Das Sennheiser EW-D besteht aus unterschiedlichen Komponenten, wie einem Taschensender, einem Handsender und einem Empfänger. Dabei gibt es diverse Kombinationen, die als Set beim Händler zu haben sind. Unter anderem stehen für den Taschensender diverse Mikrofone zur Auswahl, er lässt sich aber auch wie der Handsender ganz ohne Mikrofon beziehungsweise Kapsel kaufen. Damit dürfte das System besonders für diejenigen interessant sein, die bereits über entsprechende Mikrofone verfügen. Für Handsender passen sogar die High-End-Kapselköpfe KK 204 und 205 von Neumann.
In unserem Test haben wir den Anstecker Sennheiser MKE 2 verwendet. Äußerlich ist der Taschensender sehr übersichtlich. Ein verschraubbarer Klinken-Anschluss und eine Antenne befinden sich auf der Oberseite, genauso wie ein Mute-Schalter, ein Pairing-Knopf und eine Status-LED. Das Batteriefach lässt sich auf die- selbe Weise wie bei den Sennheiser-EW-Sendern gewohnt öffnen. Darunter verbirgt sich aber nicht etwa eine Einstellmöglichkeit, sondern lediglich der Power-Knopf.
Sennheiser hat die Preise der Einzelkomponenten so angepasst, dass der Setpreis tatsächlich der Summe der Einzelkomponenten entspricht. Die Setpreise von Taschensender und Empfänger liegen dabei von etwa 600 Euro aufwärts. Ein Blick in den Produktkarton verspricht ein hochwertiges System mit einigem Zubehör. So findet sich beispielsweise ein Rack-Einbaukit mit im Lieferumfang.
Bedienbarkeit
Ganz klar richtet sich das neue System nicht an High-End-Nutzer, sondern ist eher für Anwendungen in kleinerem Maßstab ausgelegt. Das ist bereits beim Bedienkonzept ersichtlich. Die Sender sind sehr einfach und fast schon spartanisch aufgebaut. Im Gegensatz zum analogen System lassen sich die Sender nicht mehr über integrierte Tasten und Displays einstellen. Das ist nun über die Tasten der Empfangseinheit möglich. Wird das zu unübersichtlich, kann auch ein Smartphone mit der Smart-Assist-App herangezogen werden. Hierüber können bis zu 16 Kanäle gleichzeitig konfiguriert und die Systeme über Bluetooth angesteuert werden – wobei sich in der Theorie bis zu 90 Kanäle pro Band gleichzeitig nutzen lassen. Freie Kanäle können ebenfalls über die App gescannt und entsprechend eingestellt werden. Daher ist ein separater Frequenzmanager nicht erforderlich. Auch die Pegelung kann am Smartphone vorgenommen werden. Die Sende-Einheiten verfügen über einen Stummschalter, der aber je nach Anwendung auch deaktiviert werden kann, um versehentliches Schweigen zu vermeiden.
Klang
Wir haben den Taschensender EW-D SK nicht nur mit dem Mikrofon MKE 2, sondern zusätzlich auch mit dem von Sennheiser bereitgestellten CI-1-Instrumentenkabel an Gi- tarren und Bässen getestet. Wie also klingt das System? Leider kann man hier nicht allzu viele Worte verlieren, denn es klingt einfach zu gut! Es ist beinahe so, als ob man ein Kabel angeschlossen hätte. Für dieses Kabel-Gefühl sorgen aber noch weitere technische Eigenschaften, darunter der hohe Dynamikumfang. Das EW-D-System unterstützt nämlich mit 134 dB den größten Lautstärkebereich, den ein Funksystem verkraftet hat. Selbst die Digital-9000-Serie überträgt nur 112 dB.
Sennheiser verspricht, das System müsse bei normaler Anwendung nicht einmal gepegelt werden. Das sorgt für ein gutes Gefühl. Keine Verzerrungen und besonders bei der Verwendung mit Instrumenten ist sicher, dass alle klanglichen Nuancen übertragen werden. Für die Wertigkeit des Systems spricht auch dessen geringe Latenz. Gerade einmal 1,9 ms benötigt der Ton vom Sender zum Empfänger. Auch hier steht die Digital-9000-Serie mit 3,2 ms im Analog-Modus leicht hinten an. Bei der Verwendung von Mikrofonen und Instrumenten am Taschensender können jedoch auch Fehler auftreten – nämlich dann, wenn keine digitalfähigen Kabel oder Mikrofone verwendet werden. So muss man beim MKE 2 unbedingt darauf zu achten, dass es den Produktzusatz „GOLD“ enthält.
Zubehör
Das Sennheiser-EW-D-System wirkt durchdacht und bietet eine Benutzerführung, die Fehlbedienungen nahezu ausschließt. Soll das System aber noch weiter aufgebohrt werden, kann man es noch mit einigen Zubehörprodukten erweitern. Soll es nachhaltiger zugehen, bieten sich wiederaufladbare Akkus an. Mit ihnen verlängert sich die Laufzeit der Sender auf zwölf Stunden gegenüber von acht Stunden mit Batterie. Zur Vergrößerung der Reichweite bietet Sennheiser längere Antennen an, die sich statt der mitgelieferten anbringen lassen. Es gibt aber auch spezielle, neu entwickelte Richtantennen und einen neuen Antennensplitter, der mehrere Systeme über ein oder zwei Antennen laufen lässt. Das dürfte besonders für den Rack-Einbau und Festinstallationen sinnvoll sein.
Fazit
Das Sennheiser EW-D-System hat auch am Set einen guten Eindruck hinterlassen. Hervorzuheben sind hier besonders die Möglichkeit der Steuerung über ein Smartphone, der hohe Dynamikumfang, die geringe Latenz und allgemein die Einfachheit und einfache Benutzerführung des Systems. Wer immer leicht neidisch auf die High-End-Lösungen von Sennheiser geschielt hat, bekommt nun erstmals die Möglichkeit, sich die bewährte Technik für vergleichsweise wenig Geld ins Lager zu stellen. Trotzdem ist die Frage erlaubt, was dem System vielleicht noch fehlt. Für den professionellen Einsatz ist vielleicht der App-Ansatz für viele noch zu spielerisch, weist aber ohne Zweifel in die Zukunft. Dringend nötig ist allerdings eine Erweiterung des Systems um gewisse Komponenten, was nach Auskunft von Sennheiser auch geplant ist. Besonders für EB- und sonstige mobile Produktionen ist ein Taschenempfänger unentbehrlich. Ebenfalls fehlt dem System die Möglichkeit, die Akkus in den Sendern zu laden. Darüber hinaus erwies sich in einigen Situationen das fehlende Batteriedisplay am Sender – zwar sicherlich kostensparend bei der Herstellung –im täglichen Gebrauch als etwas umständlich. Zwar hat der Hersteller eine mehrfarbige LED angebracht, aber da muss man sich erst einmal die Bedeutung der angezeigten Farbe merken. Insgesamt jedoch ist das Sennheiser EW-D-System durchdacht, schlank und praxisgerecht und bietet ein niedrigschwelliges Angebot für alle, die bei Live-Streams und Drehs auf guten Ton setzen wollen. [14910]