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DoP Markus Förderer über seine Plattform Cineflares.com

Spielerische Präzision

Licht und Texturen tragen entscheidend zum Bildgefühl bei. Dafür muss man Objektive finden, die beides gestalten können. DoP Markus Förderer stellte auf der NAB Show 2024 die finale Version seiner Objektivtest-Plattform Cineflares.com vor. Wir haben mit ihm für unser Heft 6.2024 darüber gesprochen, was sich seit dem Soft-Launch im November getan hat und welches Gefühl er mit den Flares verbindet.

DoP Markus Förderer bei einem OPbjektivtest für Cineflares
Foto: Cineflares.com

Was ist deine persönliche Verbindung zur Gestaltung von Licht und Texturen über Objektive?
Ursprünglich wurden Lens-Flares von den Objektivherstellern als technischer Abbildungsfehler betrachtet. Heutzutage sehen viele Bildgestalter das kreative Potenzial, sie als visuelles Gestaltungsmittel einzusetzen. Fast alle High-End-Cine-Kameras sind mittlerweile so gut, dass sie bei korrekter Belichtung sehr ähnliche, gute Bilder erzeugen. Des­wegen hat die Objektivwahl meiner Ansicht nach mittlerweile den größten kreativen Einfluss auf die Textur der aufgezeichneten Bilder. Die Wahl der passenden Objektive ist ein entscheidender Grundstein in meiner Arbeitsweise als DoP.

Du hast ja schon für dein Debüt „Hell“ viele Objektive und ihre Flare-Eigenschaften getestet. Was hast du dabei gelernt?
„Hell“ ist ein post-apokalyptischer Film. In der Geschichte ist die Sonne so hell, dass die Figuren nicht ungeschützt nach draußen gehen können. In der Vorbereitung habe ich viele Objektive getestet, um im Zusammenspiel mit Filmlicht die extreme Sonne selbst an bewölkten Drehtagen erzeugen zu können. Für den Abschluss meines Kamerastudiums an der HFF München habe ich dann basierend auf diesen Tests die erste Version eines Objektivtests mit einem Motion-Control-Rig zusammengestellt. Das Ergebnis war ein Interface mit Side-by-Side-Player, bei dem man Objektive in ihrer Flare-Charakteristik vergleichen kann. Ich habe dieses Projekt über die Jahre vielen Kollegen und Regisseuren gezeigt. Das Feedback war überwältigend und hat mich ermutigt, weiter daran zu arbeiten.

Dieses ursprüngliche Interface konnte die Testclips nicht In-Synch live streamen. Während des Covid-Lockdowns habe ich die Zeit genutzt, diese ursprüngliche Testmethodik zu überarbeiten und habe die Grundidee neu aufgezogen. Als Resultat habe ich das Test-Setup mit meiner Frau Julie und einem Team von Kamera-Assistenten und Programmierern mit einem neuen Motion-Control-System und neu definierten Aufnahmespezifikationen neu aufgebaut, um es möglichst kontrolliert und wiederholbar zu machen. Auch die mittlerweile vielen unterschiedlichen Aufnahmeformate spielten eine wichtige Rolle. So entschieden wir uns für die RED Monstro mit 8K-Vista-Vision-Sensor, weil der Multiformat- Sensor S16-, S35- und Large-Format-Objektive in sphärischen und anamorphotischen Formaten abdeckt.

Das Interface mit Dual-Player von Cineflares
Das Interface mit dem Dual-Player für Objektivvergleiche (Foto: Cineflares.com)

Wie hast Du dann die Objektivtests aufgezogen?

Alle Videos auf Cineflares.com sind mit dem gleichen Kamerabody gedreht, mit der gleichen Lichtquelle und demselben Motion-Control-Setup. Das Test-Setup ist ein etwa 3 × 3 Meter große, halbrunde tiefschwarze Blackbox, die nach unseren speziellen Anforderungen angefertigt wurde. Das erzeugt einen schwarzen Raum ohne Ecken. Dies war wichtig, da der Sensor in der RAW-Aufzeichnung selbst im tiefsten Schwarz noch Strukturen abbilden kann, was das Flare-Verhalten verfälschen würde. Die Lichtquelle ist eine flickerfreie LED mit 5.600 K, auf Tageslicht abgestimmt und mit einem optischen Kollimator-Element auf nahezu unendlich eingestellt. Das Licht verhält sich also ähnlich wie Sonnenlicht. Die Sonne war unser Vorbild, da das Tageslichtspektrum alle Farben enthält und verschiedene Linsenvergütungen hier ihre natürlichen Flare-Farben zeigen.

Die Belichtung ist so ausgelegt, dass der hellste Kern der Lichtquelle in allen ­ Farbkanälen leicht clippt. Diese Belichtung ist realistisch bei einer Außenaufnahme, wenn zum Beispiel die Sonne im Bild wäre, und ermöglicht uns, den gesamten Dynamikumfang abzudecken und den Flare in seiner natürlichen Intensität zu beurteilen. Die Aufnahme auf der RED Monstro erfolgt in RAW mit 24 Bildern pro Sekunde, die Belichtung wird je nach Blende mittels Shutter korrekt ausgeglichen. Es war uns wichtig, hier keinen ND-Filter zu verwenden oder die Lichtquelle zu dimmen, da dies das Ergebnis verfälschen könnte. Auch wenn es so erscheint, dass sich die Lichtquelle bewegt, bewegen wir tatsächlich die Kamera. Das gewährleistet ein kontrollierbares Ergebnis, ohne dass die Lichtquelle den schwarzen Hintergrund unbeabsichtigt anleuchtet. In frühen Tests haben wir beide Methoden verglichen und das Resultat ist identisch.

Der Testaufbau mit Motion-Control-Unit, RED Monstro 8K VV und Molton-Halbkreis mit Lichtquelle
Der Testaufbau mit Motion-Control-Unit, RED Monstro 8K VV und Molton-Halbkreis mit Lichtquelle (Foto: Markus Förderer­)

Was war für dich wichtig beim Setup?
Es war mir bei dem Cineflares.com-Projekt sehr wichtig, eine Methodik zu finden, die wir immer wieder reproduzieren können, um neue und alte Objektive in die Datenbank aufzunehmen. Mit dem Fokus auf vorerst nur das Flare-Verhalten konzentrieren wir uns auf einen entscheidenden Aspekt. Der Flare enthüllt auf einen Blick sehr deutlich alle wichtigen Abbildungseigenschaften eines Objektivs. Ein geschultes Auge kann anhand des Flare-Verhaltens erkennen, wie kontrastreich ein Objektiv ist, wie sich die Farbwiedergabe bei Tageslicht verhält, wie groß der Bildkreis und der Falloff sind. Auch die Anzahl und Geometrie der Blendenlamellen ist erkennbar. So lässt sich auf die Charakteristik des Bokehs schließen.

Welche Parameter können jetzt auf der Plattform ausgewählt werden?
Auf der Plattform finden sich anamorphotische, sphärische und Large-Format-Festbrennweiten sowie Zoom-Objektive. Brennweite und Blende lassen sich auswählen. So ist es möglich, dasselbe Objektiv in unterschiedlichen Blendeneinstellungen zu vergleichen. Besonders alte Vintage-Objektive verhalten sich sehr unterschiedlich bei weit geöffneter Blende. Ich nutze die Plattform selbst auch, um zu vergleichen, wie konsistent sich verschiedene Brennweiten in einem Objektivsatz verhalten. Besonders Vintage-Objektive können im gleichen Satz sehr unterschiedliche Vergütungen und optische Konstruktionen aufweisen. Das Flare-Verhalten enthüllt dies schnell. So kann man auch ein Zoomobjektiv finden, dass mit dem gewünschten Satz der Festbrennweiten gut zusammenspielt. Gerade spezielle Anwendungen wie Drohne, Gimbal oder Crash-Cam erfordern oft kleine und leichte Objektive. Hier ist der Dual-Player sehr hilfreich, um zu beurteilen, welche kompakten und auch günstigeren Objektive sich mit dem Hauptoptik-Satz mischen lassen.

Warum ist die Brennweitenauswahl beschränkt?
Die Lichtquelle bewegt sich immer in konstanter Geschwindigkeit 180 Grad von links nach rechts. Um zwei Objektive Seite an Seite gleichzeitig zu vergleichen, nimmt man am besten die gleiche Brennweite. Wir haben uns ursprünglich auf drei Kern-Brennweiten pro Objektivsatz konzentriert, um die Vergleichbarkeit einfach zu machen. Wir haben repräsentativ für Weitwinkel 18 mm, für Normalbrennweite 35 mm und längere Brennweiten 50 mm gewählt. Lange Brennweiten sind im Flare-Setup nicht sehr aufschlussreich, da der enge Bildwinkel wenig Interaktion mit der Lichtquelle zulässt. Mittlerweile testen wir auch mehr Brennweiten und fügen sie nach und nach hinzu, vor allem bei den kurzen Brennweiten.

Die Blendenstufen sind immer von offener Blende in vollen Blenden-Schritten bis mindestens Blende 4 auswählbar. Bei Objektiven, deren Flare-Verhalten sich nach Blende 4 noch deutlich ändert, haben wir noch weitere Blendenstufen aufgezeichnet. Da jede Brennweite und jede Blendenstufe ein separates Video darstellt, geht das schnell in die hunderte Videos für jede weitere Brennweite und Blendenstufe, die wir grundsätzlich aufzeichnen. Daher fokussieren wir uns auf die am meisten genutzten Blendenstufen.

Filmstill aus "Hell"

Am Set von "Hell:" Flare-Effekte durch künstliche Einstrahlung in die Linse
Förderer setzte schon bei seinem Debüt „Hell“ starke Flare-Effekte ein, hier mit künstlicher Einstrahlung in die Linse. (Fotos: Markus Förderer / Paramount Pictures)

Wie viele Objektivmodelle habt ihr seit der NAB Show derzeit online und was ist konkret geplant?
Momentan haben wir 50 Objektivsätze in der großen Pro-Version online. Das sind über 160 einzelne Brennweiten und 500 individuelle Clips mit den Blendeneinstellungen. Intern haben wir schon über 100 Objektivsätze aufgezeichnet. Diese befinden sich in der Postproduktion und werden nach und nach veröffentlicht. Der Zeitaufwand ist enorm, von der akkuraten Aufnahme, zum Transcoding der RAW-Files, Timecode-Synch und Wandlung für die Online-Datenbank. Jedes Objektiv versehen wir mit den entsprechend relevanten technischen Daten und katalogisieren das Flare-Verhalten.

Wir arbeiten an einer Suchfunktion, die es ermöglichen wird, zum Beispiel nach Objektiven mit einer bestimmen Flare-Farbe und Intensität zu suchen. Wenn etwa für eine Visual-Effects-Totale ein Weitwinkelobjektiv gesucht wird, das Large-Format-Sensoren abbildet und möglichst keine Lens-Flares bei offener Blende erzeugt, kann man sich dies ebenso anzeigen lassen wie ein Vintage-Objektiv, das goldene Lens-Flares erzeugt.

Macht die Datenbank den Test vor Ort beim Verleiher nicht überflüssig?

Das Feedback von Verleihern ist sehr gut. Viele haben sich gemeldet und wir versuchen, spezielle Objektive aus deren Bestand in die Datenbank aufzunehmen. Für Verleiher ist es interessant, da die Kunden nicht 20 verschiedene Objektivsätze vor Ort testen müssen, sondern vorab virtuell vergleichen und eine enge Auswahl treffen können. Ich rate immer dazu, im nächsten Schritt selbst projektspezifisch zu testen! Aber für die Vorauswahl und zur Inspiration ist Cineflares.com ein einzigartiges Tool. [15452]

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