Eine Möglichkeit, eine Kamera in einem beweglichen System stabil auszurichten, ist die Kreiselstabilisierung. Jost Vacano, BVK, nutzte sie bei Wolfgang Petersens legendärem Film DAS BOOT (DE 1981), bei dem er als DP selber die Kamera führte.
Der Film brachte Wolfgang Petersen viele Preise und großen internationalen Erfolg und Jost Vacano eine Oscar-Nominierung für die Bildgestaltung ein. Auf dem Foto von 1987 demonstriert er sein Vorgehen: Für die Szenen im Inneren des U-Bootes hat er sich eine Arriflex IIc-Kamera mit einer schwenkbaren Sucherlupe ausstatten lassen (Arri lieferte später diese Version als IIIC) und unter der Kamera zwei Kenyon-Kreisel montiert, einen horizontal und einen vertikal stehend. Mit dieser Apparatur sind die schnellen, handgehaltenen „Kamerafahrten“ durch die ganze Länge des Bootes hindurch gedreht worden, und zwar gelaufen. Vacano konnte mit der Kamera dabei auch durch die engen Türöffnungen im Inneren des Bootes springen. Ein Steadicam wurde übrigens – wie oft fälschlich berichtet – beim BOOT nicht verwendet.
Bei dem Stabilisierungssystem, das Vacano nach eigenen Entwurf hatte bauen lassen, kommen Kreisel als stabilisierende Instrumente zum Einsatz. Ihre physikalischen Grundlagen erklären wir hier, mehr zu Kenyon-Kreisel ebenfalls in einem eigenen Artikel.
Anwendungen
Der Kenyon-Stabilisator ist ein sehr empfindliches Gerät und sollte wie ein rohes Ei behandelt werden. Schläge und Stöße gegen das Gehäuse können die Gehäusekappen beschädigen. Das Gehäuse würde undicht und das im Innern befindliche Helium strömte aus. Entscheidend fü̈r die Wirkung des Stabilisators ist der Gleichlauf der Kreisel. Extreme Erschütterungen können die Lager der Kreisel beschädigen, führen zu einem unruhigen Lauf des Kreisels und erhöhen auch sein Eigengeräusch. Bei laufendem Stabilisator sind Tonaufnahmen nur mit Einschränkungen möglich, wobei der Geräuschpegel je nach Zustand von Gerät zu Gerät stark variiert.
Gut gepflegte Stabilisatoren sind laufruhig und bei Einsatz im Straßenverkehr manchmal nicht zu hören. Jede Drehbewegung des Stabilisators fü̈hrt zum Auslenken der Kreiselkäfige in seinem Inneren. Das Auslenken der Kreiselkäfige macht langsame Schwenks möglich und durch die besondere Anordnung der Kreisel reagiert der Stabilisator anders als ein vergleichbarer Kreisel mit starrer Achse. Bei schnellen Drehbewegungen schlagen die Kreiselkäfige auf die Endstopper und verursachen einen Ruck im System; zusätzlich wird die Wirkung der Präzession spürbar, was man als ein Bocken der Stabilisators beschreiben kann, da er versucht der Drehbewegung auszuweichen. Extreme Bewegungen belasten die Lager und fü̈hren zu schnellerem Verschleiß.
Montage und Anordnung
Der Stabilisator muss fest mit der Kamera oder dem Kamera-Rig verschraubt sein; bei einer lockeren Verbindung wü̈rde sich der Stabilisator wegdrehen und dann gegebenenfalls anschlagen und einen Ruck verursachen. In welcher Lage der Stabilisator optimal angebracht wird, darü̈ber gehen die Meinungen der Anwender auseinander und jeder glaubt ein optimales Konzept gefunden zu haben. Grundsä̈tzlich gilt: Der Stabilisator hat parallel zur Lä̈ngsseite des Gehä̈uses die Rotationsachse. Der Stabilisator kann widerstandslos nur um diese Achse gedreht werden. Allen anderen Dreh- und Kippbewegungen setzt er den Widerstand seines Trä̈gheitsmoments entgegen. Alle Bewegungen des Systems parallel zur Rotationsachse bleiben vom Stabilisator unbeeinflusst. Die spezielle Lagerung der Achskä̈fige zur Vertikalachse des Stabilisator-Gehä̈uses soll nach Vorgabe des Erfinders die horizontale Achse stä̈rker als die vertikale Achse stabilisieren.
Dadurch sollen die Erschü̈tterungen eines handgehaltenen Beobachungsinstruments besser eliminiert werden. Der Stabilisator wird zu diesem Zweck mit der Rotationsachse parallel zur Sichtachse unter oder auf der Kamera montiert. Ein so montierter Kenyon-Stabilisator dä̈mpft zwar alle vertikalen und horizontalen Schwenks (Tilt und Pan) verhindert aber nicht die Drehbewegungen um die Kameraachse (Roll). Wird der Stabilisator mit der Rotationsachse parallel zur Horizontalen des Bilds montiert, dann stabilisiert er zunä̈chst den Horizont gegen Kippen (Roll) und bremst gleichzeitig ein horizontales Pendeln, wä̈hrend vertikale Schwenks (Tilt) nicht gedä̈mpft werden. Diese Anordnung wü̈rde sich empfehlen, wenn man aus einem Hubschrauber dreht und Schwenks nach unten ausfü̈hren will.
Auf der sicheren Seite ist, wer mehrere Stabilisatoren verwenden kann. Mit zwei Stabilisatoren (angeordnet wie ein in der Aufsicht liegendes Kreuz) kann man eine Kamera in allen drei Raumachsen ausreichend stabilisieren (siehe auch Aufmacherfoto dieses Artikels). In gyro-stabilisierten Hubschrauberaufhä̈ngungen werden gerne auch drei Kreisel in allen drei Achsen verwendet. Ich selbst benutze seit 20 Jahren Kenyon KS6 Comander und fü̈r den Steadicam-Einsatz habe ich eine Halterung fü̈r zwei KS6 mit schrä̈ggestellten Achsen dicht am Post . Es gibt Anwendungen, bei denen sind die Stabilisatoren ü̈bereinander schrä̈g montiert, mit sich kreuzenden Achsen. Andere bevorzugen horizontal und senkrecht ausgerichtete Stabilisatoren.
An welchem Rig und in welcher Lage auch immer die Stabilisatoren montiert werden, eines muss auf alle Fä̈lle beachtet werden: Das Kamera-Rig muss vor allem bei laufenden Stabilisatoren vom Fahrzeug entkoppel sein, entweder durch die Hä̈nde des Kameramanns, durch eine schwingende Aufhä̈ngung, durch einen Steadicamarm oder einen Gummiseilzug. Sind die Stabilisatoren fest mit einem wackelnden Fahrzeug verbunden und kö̈nnen sich nicht ausrichten, dann nehmen ü̈ber kurz oder lang vor allem die Lager der Kreisel Schaden.
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