Anfang 2019 stellte Sennheiser das XS Wireless Digital System vor, das im 2,4-GHz-Band arbeitet. Was das im praktischen Betrieb bedeutet und wie sich das System in der Praxis schlägt, hat Peter Kaminski für unser Heft 10.2019 getestet.
(Bild: Peter Kaminski)
Der erste Blick auf XS Wireless Digital – oder kurz auch XSW-D -beginnt mit einer kleinen Überraschung. Denn hier setzt Sennheiser auf ein Frequenzband, das weltweit harmonisiert ist, nämlich das 2,4-GHz-ISM-Band. Vorteil: Die Benutzung erfordert keine Lizenz und ist kostenfrei. Aber als Betriebsfrequenz nutzt man den Bereich von 2.400 MHz bis 2.483,5 MHz. Das verknüpfen die meisten sicherlich mit WLAN oder auch mit Bluetooth. Aber auch der Name ISM für “Industrial, Scientific and Medical” vermittelt schon einen Eindruck davon, dass dort noch eine Menge anderer Dienste betrieben werden. Dort tummeln sich unter anderem Mikrowellenherde und Drahtlosfunkfernsteuerungen und etliche weitere Anwendungen des täglichen Lebens. Da muss bei einer so starken Belegung schon einmal die Frage erlaubt sein, ob das überhaupt Sinn ergibt. Wir geben schon mal die Antwort: ja, denn es gibt verschiedene Strategien, mit denen man die Übertragung in diesem Bereich sicher machen kann.
Die Übertragung beim Sennheiser XSW-D erfolgt als sogenannte Short Range Devices, als also System mit kurzer Reichweite gemäß Standard EN 300 440 mit einer Sendeleistung von lediglich zehn Milliwatt und digital kodiert. Die Aussendung erfolgt mit etwa 2 MHz Bandbreiter gleichzeitig auf zwei Frequenzen. Bei einer auftretenden Störung wird über einen Frequenzwechsel der Ersatzkanal genutzt. Die Übertragung wird mit einem entsprechenden Fehlerschutz versehen. Als Audiocodec kommt beim XSW-D der “aptX Live” zum Einsatz, der zum einen eine relativ kurze Latenzzeit von unter vier Millisekunden und darüber hinaus auch eine Datenkompression des Audiosignals von 8:1 mit einer hohen Fehlertoleranz bietet. Die Übertragung erfolgt dabei mit einer Wortbreite von 24 bit. Der Übertragungsbereich umfasst 10 Hz bis 18 kHz bei einem Störabstand von größer als 106 dB. Der maximale Ein- und Ausgangspegel für einen 3,5-mm-Klinkeneingang ist typisch 0 dBu und für XLR 12 dBu.
KONZEPT UND HANDHABUNG
Sender und Empfänger bestehen aus einem stabförmigen Gehäuse mit integrierter 3,5-mm-Klinkenbuchse oder XLR-Buchse oder -Stecker. Mit einer Größe von Sender und Empfänger mit 3,5-mm-Buchsevon lediglich 88 * 24 * 28 mm und 73 Gramm darf man die Komponenten ohne Bedenken als sehr kompakt bezeichnen. Der Ein- und Ausgangspegel ist fest voreingestellt. Die beiden Arbeitsfrequenzen werden automatisch in Abhängigkeit von der Bandbelegung festgelegt. Es lassen sich maximal fünf XSW-D-Systeme an einem Standort parallel betreiben. Das einzige Bedienelement an den Sendern und Empfängern ist ein Taster, ergänzt mit einer Indikator-Mehrfarben-LED für verschiedenste Funktionen. Mit dem Taster erfolgt das Ein- und Ausschalten, aber auch das Binden von Sender- und Empfänger-Paaren durch langes Drücken sowie das Stummschalten der Übertragungsstrecke durch kurzen Antippen des Tasters. Der Batteriestatus wird beim Einschalten und im laufenden Betrieb über die LED signalisiert. Bei 15 Prozent Restkapazität blinkt die LED rot/grün und bei unter fünf Prozent blinkt sie schnell in Rot. Auch das Erreichen der maximalen Reichweite wird über die der LED signalisiert. Als Akku werden einzellige Lithium-Ionen-Akkus verbaut, die sich mit einem USB-C-Kabel aufladen lassen. Ein leerer Akku ist in ungefähr drei Stunden wieder voll und versorgt dann Empfänger und Sender in etwa fünf Stunden lang. Für die Befestigung des Senders am Körper gibt es einen Gürtelhalter und für die Befestigung eines Empfängers an der Kamera ein Blitzschuh-Adapter. Allen Sets liegen auch noch farbige Aufkleber bei, mit denen sich die gebundenen Sender- und Empfänger-Paare kennzeichnen lassen.
SETS
Sennheiser bietet eine ganze Reihe von verschiedenen Sets an, die für verschiedenste Anwendungszwecke zusammengestellt wurden. Man kann jeden Sender und Empfänger auch einzeln kaufen und so sein System falls nötig ergänzen. Für den Einsatz im Bereich drahtloser Kameraton werden mehrere Sets angeboten. In allen Sets ist ein USB-A auf USB-C-Ladekabel enthalten. Es gibt einmal Sets für DSLR-Kameras mit 3,5-mm-Klinkenbuchsen-Empfänger, aber auch Sets mit Empfänger mit XLR-Stecker für den Betrieb an Videokameras mit XLR-Eingang.
Das “XSW-D Portable ENG Set” ist das vollständigste Set und enthält Sender mit 3,5-mm-Klinkenbuchse und einen Sender mit XLR-Stecker für dynamische Mikrofone ohne Phantomspeisung sowie einen Empfänger mit 3,5-mm-Klinkenbuchse. Dazu gibt es einen Gürtelclip und Blitzschuhadapter sowie ein Kamera-Spiralkabel mit 3,5-mm-Klinkenstecker auf beiden Seiten, wobei auf einer Seite für den Empfänger eine Arretierung mittels Überwurf möglich ist. Weiter sind im Lieferumfang noch ein Sennheiser ME 2-II Lavalier-Mikrofon mit Kugelrichtcharakteristik inklusive entsprechendem Ansteckclip. Gedacht ist es also für den Einsatz mit DSLR-Kameras. Das “XSW-D Portable Lavalier Set” hat den gleichen Umfang bis auf den XLR-Aufstecksender. Das “XSW-D Portable Base Set” wiederum umfasst alles, was das Lavalier-Set bietet, aber ohne Lavalier-Mikrofon, also für diejenigen, die ihr eigenes Lieblings-Lavalier-Mikrofon oder Headset nutzen möchten. Dann gibt es noch das “XSW-D Portable Interview Set” mit XLR-Aufstecksender, Empfänger mit 3,5-mm-Klinkenbuchse und Blitzschuhhalterung und Spiralkabel. Für Kameras mit XLR-Eingänge und den Einsatz mit Reportage-Mikrofonen bietet Sennheiser das “XSW-D XLR Base Set” an, welches je ein XLR-Aufstecksender und XLR-Empfänger enthält. Das “XSW-D Lavalier Set” wiederum enthält noch Lavalier-Mikrofon ME2-II und Gürtelhalterung. Darüber hinaus gibt es noch viele andere Sets, die aber mehr für den Bühnen- und Live-Musik-Bereich gedacht sind.
SYSTEMVERGLEICH
Neben dem XSW-D hat ja Sennheiser auch noch sein speziell für den Einsatz mit Kameras entwickeltes AVX-System im Angebot. Beide Systeme lassen sich lizenzfrei nutzen. Die Unterscheidungsmerkmale sind, dass das AVX im DECT-Band arbeitet, was zwar nicht weltweit, aber zumindest EU-weit harmonisiert ist. Zudem bietet das AVX ausschließlich einen Empfänger mit XLR-Stecker. Das XSW-D bietet für den Betrieb mit DSLR auch Empfänger mit 3,5-mm-Klinke und ist sogar noch etwas kompakter. Automatische Frequenzsuche bieten beide Systeme und auch die Reichweite ist sehr ähnlich. Vom Preis her ist das XSW-D preiswerter als das AVX, welches auch Taschensender im klassischen Format bietet. Die klassischen UHF-Systeme der Sennheiser Serie ew 100 und 500 G4 bieten dagegen eine je nach Band höhere Reichweite. Dafür sind sie aber analoge Systeme und für die Frequenzwahl wie auch die Frequenzüberwachung ist der Anwender selbst verantwortlich. Andererseits lassen sich falls erforderlich deutlich mehr Systeme gleichzeitig am Set betreiben. Außer für das Sennheiser E-Band sind aber Lizenzgebühren für den Betrieb zu zahlen und es ist keine weltweite Harmonisierung der Frequenzen der UHF-Bänder gegeben. Selbst innerhalb der EU gibt es hier unterschiedliche Frequenzzuteilungen.
PRAXIS
Die XSW-D-Geräte werden bereits gebunden angeliefert, so dass man nach dem Einschalten sofort mit dem System arbeiten kann. Beim Betrieb mit vier parallelen XSW-Systemen waren selbst bei massivem, parallelen Einsatz von WLAN und Bluetooth keine Probleme festzustellen. Das System ist sehr robust gegenüber Störungen und Interferenzen. Der aptX-Live-Codec macht einen guten Job. Auch Transienten in der Stimme werden gut wiedergegeben und es wird ein sehr guter Rauschabstand mit dem System erreicht. Die Reichweite ist natürlich bei diesen hohen Frequenzen auch abhängig davon, wo und wie der Sender am Körper getragen wird. Denn die Körperdämpfung ist deutlich höher als bei UHF-Systemen, jedoch ähnlich der wie beim DECT-basierenden Sennheiser AVX. Sennheiser gibt eine Reichweite von 75 Metern an. Dies kann man draußen im Freien auch nach unseren Tests bei optimaler Sender und Empfänger Platzierung bestätigen. Bei üblichen ENG-Drehs dürfte man diese Entfernung nur selten überschreiten. Was den Klang angeht, so lassen sich zwischen den Sennheiser-Systemen durchaus Unterschiede beim parallelen Betrieb wahrnehmen. Die Höhen sind beim XSW-D im Gegensatz zum ew 100/500 G4 und AVX etwas weniger ausgeprägt. Irgendwo muss sich natürlich der Preisunterschied festmachen. Trotzdem ist der Klang bei Sprachaufnahmen noch als gut zu bewerten. Der größte Vorteil des Sennheiser XSW-D liegt auf jeden Fall in der sehr einfachen Handhabung des Systems.
FAZIT
Die Preise der Sets liegen zwischen 299 und 449 Euro, wobei das ENG Set am teuersten, aber natürlich auch am umfangreichsten ausgestattet ist. Das XSW-D richtet sich sicherlich eher an semiprofessionelle Anwender, besonders jene, die DSLR-Kameras einsetzen. Aber die weltweiten Einsatzmöglichkeiten und die sehr einfache Handhabung mit einer hohen Übertragungssicherheit machen das System sicherlich auch für den einen oder anderen professionellen Einsatz interessant. Dabei sind neben dem Preis und der Audioqualität sicherlich auch noch die Kompaktheit des Systems ein wichtiges Kriterium. [10315]