von Claire Jahn, Brendan Uffelmann und Jakob Beurle, Artikel aus dem Archiv
Welche Objektive sollen mit zum Dreh? Nach welche Kriterien wählt man aus? Drei Kölner Kameraleute führten 2016 mit Unterstützung von Ludwig Kameraverleih, Vantage Film, ARRI und weiteren Partnern einen Test durch und bauten eine visuelle Datenbank auf. Um sich und ihren Kollegen die Wahl zu erleichtern. Bei uns berichteten sie darüber in Ausgabe 5/2016.
Wer kennt das nicht: Man wird als DoP für ein Projekt angefragt und muss eine Equipmentliste erstellen. Doch welche Objektive wählt man aus? Selten gibt es die Möglichkeit, die visuelle Ästhetik verschiedener Objektivserien miteinander zu vergleichen, und wenn, dann trifft man aufgrund von Berichten oder Tests eine Vorauswahl. Im Internet gibt es kaum frei zugängliche Tests, die zufriedenstellend sind. Mit Ausnahme einiger weniger, wie zum Beispiel dem umfangreichen Objektivtest SALT III von Matt Hayslett. Beim Betrachten des einstündigen Testmaterials fällt allerdings auf, was bei fast allen frei verfügbaren Vergleichen das Problem ist: Nach 20 Minuten weiß man einfach nicht mehr, wie das erste Objektiv aussah. Man spult also hin und her, und das kostet Zeit. Andere Tests beinhalten oft nur technische Testbilder, die es erschweren, ein wirkliches Gefühl für den Bildcharakter des Objektivs zu bekommen. Gerade als junger Bildgestalter kennt man oft nur die Objektive der Filmhochschulen. Deshalb dachten wir, es wäre toll, eine Art persönliche Datenbank zu haben, auf die man bei jedem Projekt als Inspiration zurückgreifen kann.
Die Idee
Uns war schnell klar, dass ein umfangreicher Testaufbau viel Unterstützung benötigt. Deswegen holten wir für die praktische Durchführung weitere 15 Kollegen mit ins Boot. Doch ein Test ohne Auswertung ist wertlos. Deswegen sollte zum einen gutes Material produziert werden, das einen akzeptablen Kompromiss zwischen Messbarkeit und Set-Realität bietet. Zum anderen sollte aber auch eine Auswertung ermöglicht werden, in der die getesteten Objektive in frei wählbaren Kombinationen miteinander verglichen werden können. Mit solch einer umfassenden Datenbank hätte jeder Bildgestalter die Möglichkeit, aus einer breiten Palette an Objektivtests eine fundiertere Auswahl für eigene Projekte zu treffen.
Die größte Herausforderung lag in der Art der Auswertung. Denn bei über zwanzig verschiedenen Objektivreihen auf drei verschiedenen Kamerabodys, getestet mit drei Blendenreihen und zwei Brennweiten, kommt man auf unüberschaubar viele Vergleichsmöglichkeiten. Wie wertet man so etwas aus, und wie kann man die Videos überhaupt am besten miteinander vergleichen? Im Splitscreen? Oder wäre eine Vergleichsmöglichkeit umsetzbar wie der „Image Wipe“, den das Da Vinci Farbkorrekturprogramm bietet?
Der Ludwig Kameraverleih bot sich als Partner für die Testaufnahmen an und stellte freundlicherweise sein eigenes Equipment sowie seine Räumlichkeiten in Köln zur Verfügung. Zum Glück konnte ein weiterer sehr hilfreicher Partner gefunden werden: BFC Rental aus Brüssel. Der kleine Verleih ist eigentlich spezialisiert auf High-Speed-Equipment, hat aber auch eine sehr interessante Auswahl an selteneren Objektiven. Aufgrund zeitlicher, finanzieller oder terminlicher Schwierigkeiten war es bislang noch nicht möglich, alle Objektivserien mit einzubeziehen. Jedoch ist mit den 22 getesteten Prime-Serien bereits ein Großteil der auf dem Markt erhältlichen Objektive vertreten.
Der Testaufbau
Nun galt es, die Test-Setups zu entwickeln. Um einen filmischeren Eindruck zu bekommen, beschlossen wir, szenische Sets zu bauen. Im ersten Setup wurde eine High- Key-Ausleuchtung mit verschiedenen direkten und indirekten Lensflares und „ausfressenden“ Stellen im Bild getestet. Im zweiten wählten wir ein Low-Key-Setup, das einen generellen Eindruck von Bildschärfe, Farbabbildung, Kontrastumfang, Bokéh und durch Schärfeverlagerungen auch einen Eindruck des Schärfepumpens vermittelt.
Die Arbeitsweise sollte an ein richtiges Filmset erinnern und keine künstlichen Bedingungen herstellen, die man am Set sowieso nicht erlebt. Deswegen hatten wir Beleuchter, Kameraassistenten und DITs mit im Team. Trotzdem wollten wir die Objektive natürlich an ihre Grenzen bringen, weswegen viele Elemente im Bild nach Vergleichbarkeit ausgewählt wurden. Wir haben versucht, möglichst viele verschiedene Strukturen und Oberflächen zu verwenden. Außerdem haben wir beschlossen, dass uns vor allem Gesichter interessieren, und holten Darsteller dazu. Da das gleiche Objektiv auf verschiedenen Kameratypen sehr unterschiedlich aussehen kann, drehten wir auf drei stellvertretenden Kamerabodys. Wir entschieden uns für eine ARRI ALEXA MINI, eine RED Epic Dragon und eine Canon C300 MKII.
Unser Projekt stellt keinen rein technischen Test dar, vielmehr geht es uns um einen ersten Eindruck der jeweiligen Objektivreihe in Bezug auf Schärfeleistung, Farbigkeit, Verzeichnung sowie Verzerrung, Verhalten bei Einstrahlung und Schärfepumpen. [ID 3199]
Alles über die Testdrehs beim Ludwig Kameraverleih in Köln und bei Vantage Film in Berlin – inklusive grafische Floorplans der Sets – sowie die Postproduktion und Auswertung des Materials und der Objektivdaten lesen Sie in unserer Ausgabe 5/2016 oder im kommenden eDossier “Objektive – Tests & mehr”.