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Wünsche erfüllt

Uli Mors hat die Zeit nach dem ersten Teil seines Erfahrungsberichts mit der Sony PXW-FX9 dazu genutzt, um durch eigene Drehs und Workshops weitere praktische Erfahrungen zu sammeln und seine Erkenntnisse  in unserem Heft 3.2020 zu teilen.

Bildstabilisierung

Mit Auslieferung der FX9 wurde auch die kostenlose Sichtungssoftware „Catalyst Browse“ erneuert. Sie unterstützt nun Metadaten-Bildstabilisierung mit E-Mount-Optiken. Dabei zeichnet die FX9 im Drehbetrieb Echtzeit-Bewegungsdaten auf – im Prinzip das, was wir als „Kamerawackler“ wahrnehmen. Catalyst Browse liest diese Daten aus, was nur wenige Sekunden dauert, erzeugt daraus und aus den Objektivdaten ein 3D-Modell und stabilisiert die Aufnahmen entsprechend.

Ich habe damit experimentiert, die Ergebnisse sind verblüffend! Mit Adobe Warpstabilizer konnte ich ähnliche Ergebnisse erst nach einigem Jonglieren mit den Parametern erzielen. Hier klappt das per Knopfdruck. Das Konzept, ein Plug-in nicht optisch analysieren zu lassen, sondern die Daten in der Kamera zu erzeugen, ist wirklich überzeugend. Lieber hätte ich natürlich eine Bildstabilisierung auf Sensorebene gesehen, verglichen mit der Alpha Serie. Auf Nachfrage erklärte mir ein japanischer Entwicklungsingenieur geduldig, dass beim E-Mount nur 18 Millimeter Platz zwischen Mount und Sensor zur Verfügung steht und dass der bereits von den verschiedenen Filter ausgefüllt ist. Somit gibt es keinen Spielraum mehr, um den Vollformat-Sensor zu bewegen. Die Alternative wäre, zugunsten der Sensorstabi- lisierung auf ND-Filter zu verzichten oder einen neuen Mount zu entwickeln – beides wenig praktikabel.

Workflows

Dass das Prozessing der FX9 wohl aus den großen Schulterkameras kommt, sieht man am Dual Recording und am Proxy-Workflow. Einerseits können zwei Formate, nämlich UHD und MPG2 HD 4:2:2, gleichzeitig aufgezeichnet werden, andererseits ist alternativ zum HiRes auch ein H.264-Proxyfile mit Auflösungen bis 1.920 × 1.080 möglich. Denkbar wäre somit ein Dreh in zwei Formaten für das schnelle Senden in HD ohne Transcoding. Mit einem kleinen Trick konnte ich die MPG-HD-Files aber auch Premiere als Adobe-eigene Schnitt-Proxies unterjubeln. Dann entfällt das Umrechnen komplett und man kann in Premiere mit einem Button zwischen HD-Clips und 4K/UHD-Clips umschalten. Das ist übrigens nur möglich, weil die Formate MPG-HD und XAVC-I die gleiche Anzahl an Audiospuren enthalten.

Proxies für Server-Workflows

An der FS7 habe ich H.264-Proxies immer vermisst – gerade bei EB-Drehs oder Marketingvideos, wo wir gerne Material zum Sichten an den Kunden abgeben. Die einfachen H.264-Proxy-Files (bis 1.920 × 1. 080 und maximal 9 Mbit/s) landen nicht auf den XQD-Karten, sondern auf der zusätzlichen SD-Karte, zum Beispiel zum Sichten oder Loggen einschließlich Timecode, aber mit nur zwei Audiospuren, entweder 1/2 oder 3/4. Trifft man einige Einstellungen in der FX9, ist der automatische Upload der Proxies auf einen FTP Server möglich – im laufenden Betrieb. Dazu legt die FX9 eine Uploadliste an, die auch per Smartphone-App editiert werden kann. Die Regionalstudios des WDR nutzen die identische Funktion bei der PXW-Z450, um Clips bei wichtigen Nachrichten „online first“ nutzen und noch vor dem Ingest auf diese Aufnahmen zurückgreifen zu können.

Zur Auswahl stehen Proxys bis hin zu Full HD, das dann als sendefähiges Ersatzvideo taugt.

Custom und Cine EI Modus

Beide Betriebsarten sind FS7-Anwendern bereits bekannt. Während das Bildprozessing im Custom-Modus in extrem weiten Teilen veränderbar ist, wird im CINE-EXPOSURE-INDEX-Modus (CINE EI) ein festes Farbprofil (Sony Gamut) und ein festes Kontrastprofil aktiviert. An die Stelle der veränderbaren Farben treten auswählbare Look-up-Tables (LUTs).

Im Custom-Modus will Sony mit „S-Cinetone“ als werksseitiges Farb- und Kontrastprofil punkten – und die Rückmeldungen von Anwendern sind extrem gut. Neben homogenen Farben und Hauttönen ist S-Cinetone äußerst gutmütig, was überbelichtete Highlights angeht. Hier steht eben nicht die spätere Postproduktion im Vordergrund, sondern der In-Camera-Look. Viele Anwender werden sich darüber freuen, denn unter Kunstlicht reagiert S-Cinetone mit ausgeglichenen warmen Farben, unter Tageslicht führen Überbelichtungen in angenehme Entsättigung. Gerade Hauttöne werden Sony-untypisch zurück- haltend wiedergegeben. Das kommt gut an. Alternativ können nach wie vor Rec. 709 und die Hypergammas ausgewählt werden. Das ist vor allem für das Kameramatching mit anderen Sony-Kameras wichtig.

Im CINE EI Modus bietet die FX9 nur noch S-Log3 als einziges Log-Format an. Sony argumentiert nachvollziehbar, dass S-Log3 für 15 Blenden Kontrastumfang ausgelegt ist. Ich finde das schade, denn auch S-Log2 hat seine Vorteile. Da hätte man einfach unten auf eine Blende verzichten und dem Anwender die Wahl lassen können. Ab sofort sind also +6/–9 Blenden sowohl bei echten ISO 800 als auch bei ISO 4.000 möglich.

Erste Drehs in CINE EI der FX9 zeigen, dass man von Sonys Dual ISO deutlich mehr im Custom-Modus profitiert, also im direkten Look ohne Log! Unsere Ergebnisse mit S-Log3 und nativ ISO 4.000 brachten zwar etwas bessere Ergebnisse als unterbelichtetes ISO 2.000 bei der FS7, aber gerade bei Unterbelichtung des Sensors zerfallen auch hier Flächen recht schnell. Das liegt dann aber doch mehr an der Kompression: Eine andere, schwächere Kompression könnte helfen, speziell wenn über den SDI das 12G freigeschaltet wird. Das soll mit dem nächsten Firmware-Update kommen. Der SDI-Ausgang kann dann UHD, 10 bit, 50p und 4:2:2 liefern. Zurzeit und mit der Firmware 1.0 geht das nur per HDMI.

Die Bilder der FX9 sind in der Schärfe zurückhaltend weich – nicht unscharf, aber unaufdringlich in der Auflösung. EB- und ENG-User werden ihre Bilder wahrscheinlich im Menü etwas anschärfen. Die Vermutung liegt nahe, dass Sony wegen der 4K- und 2K-Vollformat Readouts einen recht tief eingreifenden optischen Lowpass- Filter einsetzt. Der unterstützt in der FX9 aber den angenehmen Look in Kombination mit S-Cinetone. Auch das mag ein weiteres Zeichen dafür sein, dass Sony mehr am filmischen Look der FX9 liegt als an maximalen technischen Möglichkeiten des verbauten Sensors.

Drehalltag

Man merkt der Firmware 1.0 an einigen Stellen an, dass noch etwas fehlt. So werden einige Aufnahmeformate wie 4.096 × 2.160 DCI 4K sowie dazugehörige echte 24p erst mit der nächsten Firmware möglich. Auch die LUTs im CINE-EI-MODUS sind noch auf UHD-Aufnahmeformate beschränkt, nicht individuell routbar und in HD-Aufnahmen nicht verfügbar. Das muss sich schnellstens ändern! Das Arbeiten mit dem Sucher hat sich gegenüber der FS7 enorm verbessert. Nun gibt es eine höhere Auflösung von 1.280 × 720, mehr Kontrast und die drei- oder sechsfache Suchervergrößerung bläst nicht einfach das interne Sucherbild auf, sondern bedient sich am internen Kamerasignal. Endlich eine scharfe Vergrößerung! In der EB- Produktion werden sich die Kameraleute vor allem im S-Cinetone wohlfühlen und bei Bedarf auf den schnellen Facetracking-Autofokus zurückgreifen. Moderationen in die Kamera machen wirklich Spaß, zumindest mit echten E-Mount-Objektiven. Wer andere Optiken am Speedbooster betreibt, kann einfach umsteigen und mit 4K-Crop auf HD oder UHD drehen. Der Facetracking-AF funktioniert dann aber nur in Ausnahmen oder relativ langsam, je nach Adapter.

Fazit

Sony hat den langjährigen FS-Anwendern viele Wünsche erfüllt – aber nicht alle. So bleibt bei 6K für 4K oder 6K für HD das 30p-Limit, das aber in Zukunft mit den 5K- Readouts umgangen werden kann. Für mich ist der 2K- Readout für HD keine echte Alternative. Auch in den Zeitlupen steht die FX9 hinter anderen und zum Teil günstigeren Kameras zurück. Dort wird bereits heute 4K- Slowmotion jenseits von 50p realisiert.

Auf der Haben-Seite steht dagegen ein unschlagbarer Gesichts-Autofokus, der den Drehalltag der meisten TV- und Web-Kameraleute komplett ändern wird – vorausgesetzt, man lässt sich auf E-Mount-Objektive ein. Mit dem Voll- format-Look, den komplexen Readouts, Proxy-Workflows, 4-Kanal-Audiorecording, 16-bit-RAW-Option, S35-Kompatibilität und dem bewährten Zubehör von XQD bis BPU- Akkus fällt einem bisherigen FS7-Anwender der Umstieg nicht schwer. Ein paar Lücken darf Sony bei den nächsten Firmware-Updates aber doch noch schließen. Vielleicht gibt es dann ja auch noch die eine oder andere Überraschung? [11912]

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